Westworld (Staffel 2)
Es ist schwierig eine zweite Staffel zu etwas anzufertigen, das für sich genommen perfekt zu sein scheint. Trotzdem haben Showrunner Lisa Joy (Burne Notice) und Jonathan Nolan (Interstellar, The Dark Knight) den Versuch gewagt. Dabei greifen sie auf das Westworld’sche Gütesiegel zurück, nutzen multiple Zeitlinien, Charaktertode und geheime Hosts und werfen Fragen auf, deren Antworten in den Wüstenlandschaften um Sweetwater so rar verteilt sind wie Wasservorräte. In Staffel 1 geht dieses Konzept wunderbar auf, weil es dort wohldosiert eingesetzt wird. In Staffel 2 aber vervielfachen die Macher ihre Tricks einen Tacken zu oft. Das macht Westworld – Das Tor zu einem zu dick beschichteten aber dennoch sehenswerten Sci-Fi-Western-Epos (Achtung: Review ist nur bedingt spoilerfrei).
Willkommen in Westworld, einem futuristischen Vergnügungspark, in dem sich die Androiden (Hosts) gegen ihre menschlichen Meister erheben und blutige Rache üben. Nachdem Park-Mitbegründer Robert Ford (Anthony Hopkins, Hannibal) zum Ende von Staffel 1 mit einem furiosen Knall seine neue Storyline präsentiert hat, befindet sich Westworld im Wandel. Unter der Führung von Racheengel Dolores (Evan Rachel Wood, Into the Forest) machen die Hosts Jagd auf Gäste und Programmierer gleichermaßen. Unterdessen versucht die ehemalige Puffmutter Maeve (Thandie Newton, Solo: A Star Wars Story) ihre Tochter zu finden und Android Bernard (Jeffrey Wright, Source Code) gibt alles, um seine wahre Natur zu verheimlichen – denn er soll der Eingreiftruppe von Delos Inc. bei der Eliminierung sämtlicher Hosts helfen.
Der T-Rex wurde entfesselt
Die zweite Staffel von Westworld setzt nahtlos an die Geschehnisse von Staffel 1 an. Wo Staffel 1 die Geschichte von einem intakten, begrenzten Freizeitpark erzählt, in dem Gäste ein- und ausgehen um die dort lebenden Geschöpfe (Hosts) zu bewundern und zu missbrauchen, sind in Staffel 2 diese Grenzen komplett eingerissen und die Hosts auf freiem Fuß (Jurassic Park lässt grüßen). Die ersten drei Folgen geben die direkte und actionreiche Richtung der zweiten Staffel vor. Neben den Schauwerten und der Action will Westworld aber natürlich auch wieder auf geistiger Ebene zünden und die Zuschauer zum wilden Theoretisieren anregen (=brainteasen). Dazu greifen die Macher Altbewährtes auf, was nicht unbedingt verkehrt sein muss, in diesem Falle aber nur bedingt funktioniert.
Der verbrauchte Trick N° 1
Originaltitel | Westworld – The Door |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 2 |
Genre | Science-Fiction, Western, Drama |
Cast | Dolores Abernathy: Evan Rachel Wood Bernard Lowe: Jeffrey Wright Mann in Schwarz: Ed Harris Maeve Millay: Thandie Newton Teddy Flood: James Marsden Dr. Robert Ford: Anthony Hopkins Charlotte Hale: Tessa Thompson Lee Sizemore: Simon Quarterman Akecheta: Zahn McClarnon Hector Escaton: Rodrigo Santoro |
Ein kleiner Memorizer: “Die Sache mit Bernard” stellt in Staffel 1 eines der mind-blowing Highlights dar. Manch einer vom Stammtisch der TV-Philosophen hatte es zwar bereits geahnt, dennoch ist der Moment einer der stärksten, weil er mit einem tragischen Mord einher geht – ausgeführt durch einen armen Tropf, der nichts dagegen unternehmen kann. Das alles hat einen Effekt auf Bernards Motivation und auf das Licht, in dem der Zuseher ihn fortan und zurückblickend sieht. In Staffel 2 wird dieser Trick gleich drei Mal angewandt:
Der verbrauchte Trick N° 2
Ein weiteres Steckenpferd der Westworld-Macher: Die Spielereien mit den Timelines. In Staffel 2 erleben wir viele Dinge aus der Sicht von Bernard und das ist deswegen so diffus, da er seine Erinnerungen zum Schutze von Dolores manipuliert hat. Wir wissen nicht, wann was passiert (ist). Soll heißen, die Zeitspielereien lassen einen nur über die Chronologie einzelner Handlungen rätseln. In Staffel 1 ist der Timeline-Salat wesentlich interessanter gestaltet, denn dort hält eine überaus geschickte Erzählweise den Zuschauer von der Wahrheit fern. Figuren, die man für räumlich und zeitlich voneinander getrennt hält, werden dann auf einmal eins – ein perfekt entwickeltes und wieder ent-wickeltes Mysterium, das es so in der zweiten Staffel nicht gibt.
Wir brauchen mehr Epik, das muss mehr reinballern!
So wie es an Mysterien fehlt, die sich raffiniert den Weg ans Licht bahnen, hat Westworld auch in anderen Bereichen seine ursprüngliche Subtilität verloren. Menschliche Sturmtruppen lassen sich in einer Tour von Cowboys mit Musketen die Rübe wegballern, Maeve ist die neue Jedi vorm Herrn, die komplette Host-Welt sucht nach dem Großen Tal um endlich ‘frei’ zu sei, die Menschen versuchen genau das zu verhindern und schicken einen symbolträchtigen apokalyptischen Reiter hinterher, und schließlich das titelgebende Tor, das
Das Gute hinterhergeschoben
Trotz der bis hierhin anhaltenden Nörgelei ist Westworld – Das Tor freilich immer noch herausragendes TV-Material. Die Performance der Schauspieler ist superb (man denke nur an diese hinreißende Charakter-Folge mit Akecheta) und die Produktion als Ganzes ist ein ziemlicher Augen- und Ohrenschmaus – Musik, Kostüme, Kameraführung, Szenenbilder (man denke an Folge 10, in der ein Berg von Leichen den Weg zum Paradies markiert). Darüber hinaus gibt es auch inhaltlich viel Faszinierendes zu entdecken. Wir erfahren von der Cradle, dieser riesigen Server-Plantage, und von dem Gründer Delos,
Staffel 3 in den Startlöchern
Natürlich wurde unter Vorbehalt des genauen Termins bereits eine dritte Staffel angekündigt. Im Interview mit Entertainment Weekly lässt Showrunner Jonathan Nolan verlautbaren, dass der Fokus der Geschichte zukünftig auf der realen Welt liegen wird und er selbst gespannt ist, wie diese Welt wohl ausschauen mag. In Folge 3 bezeichnet Dolores die Menschen als eine Art, die sich weigert zu sterben. Und auch Charlotte Hale nimmt solch epische Begriffe wie „Wendepunkt der Spezies“ in den Mund. Man darf also vermuten, dass die reale Welt mit ihrem Genie, dem Menschen, bereits mit einem Fuß im Grabe steht.
Wie in der Besprechung von Folge 10 schon vorweg genommen, holt mich Westworld – Das Tor nicht komplett ab. Manchmal ist es brillant und existenziell durchdacht, manchmal aber auch lahm. Es gibt absolute Höhen (die James Delos-Storyline, die Akecheta-Folge) und auch Tiefen (Maeve liegt drei Episoden lang auf dem Seziertisch rum). Und ganz zum Schluss kommt eben das Gefühl der deplatzierten, überzogenen Epik auf. Da sehne ich mich nach der „Einfachheit“ der ersten Staffel zurück. Die ist zwar weniger breit gefächert aufgestellt, wirkt deswegen aber stringenter und aussagekräftiger. Staffel 1 fühlt sich an wie ein sich natürlich enträtselndes Mysterium, während Staffel 2 zu viel forciert. Aber wie soll es anders sein: Ich hab’ die Show trotzdem genossen und verdammich, ich bin auch gespannt auf Staffel 3. Allerdings befürchte ich, dass die Antworten wieder einmal nicht so packend sein werden wie die aufgeworfenen Fragen.