Westworld (Folge 2×04)
Mit der vierten Folge von Westworld – The Door feiert Showrunnerin Lisa Joy ihr Debüt auf dem Regiestuhl. In satten 71 Minuten erreicht sie die zeitlichen Ausmaße der Pilotfolge und erzählt von gescheiterten Versuchen des ewigen Lebens, geglückten Familienzusammenführungen und wiederauferstandenen Programmierern.
Keine Romanze in dieser Folge – keine Dolores, Teddy oder Maeve. Stattdessen befasst sich „Das Rätsel der Sphinx“ mit der weiteren Enthüllung der Vergangenheit. Gefangen in einem goldenen Käfig realisiert Delos Senior (Peter Mullan, Hostile) seinen eigenen Tod und dass seine Firma Delos Inc. nun vom Schwiegersohn William geführt wird, der unablässig versucht, seinem Schwiegervater ein neues Leben zu schenken, indem er dessen Psyche in einen Host transferiert. Unterdessen findet Bernard in einer Höhle die totgeglaubte Elsie (Shannon Woodward, The Riches) und schafft es, sie zur Teambildung zu bewegen. Und der Mann in Schwarz? Der zieht mit seinem allerbesten Lieblingsfreund Lawrence nach Pariah, nietet dort die letzten Confederados um und trifft zum Schluss in der weiten Steppe auf die Frau aus Indiaworld, die sich – wie im letzten Artikel vermutet – als Williams Tochter entpuppt. Und ihre Hutfarbe? Grau.
Delos Senior, der arme Teufel
Lisa Joy eröffnet die Folge mit einem stilistisch auffälligen und relativ lange andauernden Oneshot: Sie zeigt in einem Rundgang den goldenen Käfig von Delos Senior. Dabei sind Start- und Endpunkt des Rundgangs identisch, sodass beim Zuschauer kurzzeitig eine kleine Orientierungslosigkeit erzeugt wird. Der Käfig entpuppt sich als kreisrund angelegter Wohnraum. Der Rundgang, der die Form des Raumes zunächst kaschiert, erinnert dabei an den Film Mission To Mars, wo auf ähnlich irreführende Weise der ebenso kreisrund angelegte Lebensraum der Astronauten dargestellt wird.
Nachdem der Zuseher schon bei der Beschaffenheit des Raumes auf’s Kreuz gelegt wird, kommt als Nächstes die Überraschung, dass es sich bei Delos Senior um einen Klon des echten Delos handelt, der bereits vor über sieben Jahren einer unbekannten Krankheit erlag. William versucht nun mehr zum 149. Mal, die Psyche des Originals in den geklonten Host einzupflanzen – ohne Erfolg. Die Psyche verweigert die Realität und zeigt Abstoßreaktionen, sodass Delos Senior ständig von Neuem gebootet werden muss – quasi die hoffnungslose Dark-Variante von 50 erste Dates.
Es ist aber auch eine verzwickte Situation, in der sich der Geist befindet und die zu recht überfordert. Sie erinnert teilweise an das Gedankenexperiment des Sumpfmannes. Peter Mullan verkörpert die Rolle eines Hosts, der die Realität abstößt und steht dabei Louis Herthum in seiner Rolle als fehlerhafter Peter Abernathy in nichts nach. Delos Senior, der von sich selbst als Teufel spricht, endet zum Schluss tatsächlich in der Hölle – sowohl mental, als auch physisch. Erwähnenswert auch die kleine Ironie, die sich die Macher erlaubt haben: Delos Senior hält sich einen Fisch im Aquarium ohne zu wissen, dass er selbst in einem Terrarium lebt.
Die Ghost Nation
Im letzten Artikel wurde die Vermutung geäußert, dass die Ghost Nation auf der Seite der Menschen steht. Ihr Verhalten gegen die Menschen mutet zwar grob an, aber letzten Endes lassen sie sie am Leben – und frei. “You live only as long as the last person who remembers you“, flüstert die Ghost Indianerin Akecheta (Zahn McLarnon) Stubbs ins Ohr. Eine Aussage, die von einem menschlichen und emotionalem Glauben zeugt und der Möglichkeit des ewigen Lebens durch Host-Klone diametral entgegen steht. In Bewusstseinsfragen scheint die Ghost Nation dem Otto-Normal-Host also etwas voraus zu haben. Daran knüpft nun auch die im Artikel zur Season 1 erwähnte Tatsache an, dass die Indianer sich der “Fleischer” bewusst sind und sie in Form von Puppen verewigt haben. Die Ghost Nation hat also Erinnerungen an die Außenwelt, während die weißen Siedler das alles als „heiligen Indianerkram“ abtun. Die Ghost Nation befindet sich also tiefer im Labyrinth der Bewusstwerdung als alle anderen.
Rückbezüge
Neben dem “heiligen Indianerkram” gibt es noch einige andere Rückbezüge zur ersten Staffel. Etwa wenn Delos Senior dieselben Worte in den Mund nimmt wie der Host Angela (Talulah Riley) in Episode 1×01. Oder wenn der Confederado-Major Craddock (Jonatahan Tucker) denselben makabren Tanz mit Lawrence‘ verängstigter Frau vollführt wie seinerzeit William. Das alles sind kleine Momente, die sehr gut als Kit funktionieren und aus zwei Staffeln etwas Homogenes machen.
Die Suche nach der Tür
Diesen Tanz zwischen Craddock und Lawrence‘ Frau kann man auch als Trollerei vom verstorbenen Ford werten – so, als habe Ford den Tanz einprogrammiert, um William seine Grausamkeiten vorzuhalten. Später spricht Ford durch Lawrence‘ Tochter zu William (generell scheint er Kinder-Hosts als Medium zu präferieren): „One good deed doesn’t change who you are.“ Will Ford William etwa läutern? Ist die ominöse Suche nach der Tür dazu da, um William die Gleichwertigkeit von künstlichem Leben zu lehren?
Ich hab’ erst gar nicht realisiert, dass in dieser Folge Dolores und Maeve absolut abwesend waren – so sehr war ich den Storylines von William, Delos und Bernard verwickelt. Geile Sache, dass wirklich jeder Charakter so ausgearbeitet ist, dass er den Zuseher bei Stange halten kann. Mittlerweile kaufe ich den Machern auch die Connection zwischen Jimmi Simpson und Ed Harris, die einmal den jungen und einmal den alten William verkörpern, ab. In Staffel 1 ist der Unterschied der beiden Rollen ziemlich eklatant. Mittlerweile gleichen sich die Schauspieler immer mehr an – der Sprung von Jimmi Simpson zu Ed Harris scheint glaubwürdig. Was gibt es sonst noch zu sagen? Ach ja, der Preis für den „Creepiest Moment“ geht dieses Mal an Delos Senior, wie er rückwärts Fahrrad fährt.