Westworld (Folge 2×08)

Folge 8 von Westworld – The Door beleuchtet das Mysterium um die Ghost Nation, beinhaltet cinematograpische Over-the-Top Momente, verleiht der Suche nach der Tür mehr Gewicht und Tiefe und bringt einige Charaktere in ihrer Entwicklung voran, obwohl nichts davon im Mainplot geschieht. Vorhang auf für die bislang faszinierendste Episode von Westworld.

Die Folge „Kiksuya“ (Lakota für „erinnern“) setzt eine Figur ins Rampenlicht, deren Name bislang unbekannt war: Akecheta, den Anführer der mordlüsternen Ghost Nation (gespielt von Zahn McClarnon, Fargo). Die Folge lässt den Main Cast so ziemlich unberührt und erzählt stattdessen von Akechetas Leben – wie es beginnt, friedlich mit seinem Stamm und seiner Liebe Kohanna (Julie Jones, Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht), und zu was es wird , ruhelos und wild als Anführer der Ghost Nation. Akecheta beginnt jedoch sich an sein früheres Leben zu erinnern. Als er durch Zufall das Labyrinth-Symbol (bekannt aus Staffel 1) findet und später den dehydrierten Logan Delos trifft, löst das ein größeres Verständnis der Welt aus. Gemeinsam mit Kohanna versucht er, dieser „falschen Welt“ zu entkommen.

Randfiguren

Die Lakota und die Ghost Nation sind Figuren, die fernab der Parkmitte leben und von den Technikern schon in der Beta-Phase des Parks konsequent ignoriert werden, während die Hosts im zentral gelegenen Sweetwater regelmäßige Wartung genießen. Diese Abstrafung der einheimischen Bevölkerung ruft starke Parallelen zum damaligen und auch heutigen Amerika hervor. Westworld spielt mit den erzählerischen Motiven des Wilden Westens und muss dabei auch das betrüblich archaische Konzept „Cowboy vs. Indianer“ in Kauf nehmen, was dem modernen politischen Verständnis nicht mehr entspricht. In Staffel 1 scheint die Ghost Nation eine Ausgeburt dieses Klischees zu sein: eine verwilderte Meute voller Mörder, die die Weißen mit Freude skalpieren. Die Folge „Kiksuya“ aber gibt den Einheimischen wesentlich mehr Tiefe. Sie macht die größten Monster der Serie menschlich – menschlicher noch als alle anderen.

Verwilderung = Bewusstsein

Der Mangel an Aufmerksamkeit, den man den Indianer entgegen bringt, ist serienintern als großes Glück zu sehen. Auf diese Weise haben die Lakota genug Zeit, die Realität zu hinterfragen. Als Vorreiter entpuppt sich dabei Akecheta, der durch seine Obsession mit dem Labyrinth-Symbol auch die anderen maßgeblich beeinflusst und sie zum „Erinnern“ verleitet. Interessant ist, dass sich Dolores an ihre Tage in der realen Welt erinnern kann, Akecheta jedoch nicht (Memo: Akecheta war Teil des Investitorengespräche in Folge 2). Diese Unfähigkeit dürfte aber ein ähnlicher Fall sein wie bei Lawrence: Obwohl Lawrence bewusst war, konnte er sich nicht an die Taten von William erinnern. Das passiert erst, nachdem Maeve in anleitet. Vielleicht fehlt auch Akecheta eine Hand, die ihn an die Erinnerungen der realen Welt heran führt. Die Frage ist nur: Wenn die Ghost Nation bewusst ist und die Tür nach draußen sucht (so wie Dolores), warum spricht Dolores ihnen dann das Recht ab, diese Tür zu finden und knallt stattdessen alle ab?

Not your everyday romance

Es wäre ein Leichtes gewesen, die Romanze zwischen Akecheta und Kohanna die gesamte Folge dominieren zu lassen. Regisseurin Uta Briesewitz (die auch gleichzeitig als Kamerafrau arbeitet, was die bemerkenswerten Bilder in dieser Folge erklären würde) entschied sich allerdings dagegen. Stattdessen gestaltet sie die Romanze als einen Aspekt von Akechetas aufblühendem Selbstbewusstsein. Natürlich gibt es die nötige Portion Rührseligkeit, etwa wenn Akecheta seine Liebste im Kühllager findet und erkennt, dass er sie gehen lassen muss, aber das ist eben nicht das Einzige was ihn antreibt. Akecheta zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur seine Liebe befreien will, sondern auch seine Mit”menschen” (z.B. Maeve und deren Tochter). In dieser Hinsicht könnte man eine leichte Parallele zu Dolores sehen, allerdings unterscheiden sich ihre Ideale und Methoden absolut voneinander.

All die Zeit hatten wir so einen fesselnden und großartigen Charakter im Park, ohne dass wir von ihm wussten. Geile Performance von McClarnon – phänomenal, wie er die ganze Episode nur durch seine seidig glatte und doch angeraute Stimme trägt. Phänomenal, wie er auf Kohanna blickt kurz bevor sein Herz zerbricht – so viel Emotion trotz des tiefschwarz angemalten Gesichtes. Phänomenal auch, was er alles durch seine Körpersprache ausdrückt. Akecheta = neuer Favorit. Bin stolz auf ihn, wie er seine Bewusstwerdung selbst gemanaged hat. Dolores braucht dafür ihre Special-Beziehung zur Arnold, Akecheta aber wuppt das von alleine. Übrigens: Was für ein Badass muss Akecheta darüber hinaus sein? 10 Jahre hat er im Park überlebt ohne zu sterben. Phänomenal. Folge 8 ist quasi nur Hintergrundgeschichte, manche Banausen würden vielleicht „Filler!!“ schreien, aber sie ist absolut dufte gemacht (zumal sie die ganzen Labyrinth-Symbole aus Staffel 1 erklärt – unter den Kopfhäuten, auf Maeves Ranch etc. – und wie beiläufig an Schlüsselszenen wie Arnolds Selbstmord oder Logans Verschollengehen anknüpft). Die erste Folge, die mal so richtig hängen bleibt und mich geflasht hat. Meine Lieblingsfolge.

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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Misato
Redakteur
15. Juni 2018 16:33

Ich habe ewig gebraucht, um Folge 4 fertig zu schauen und war dann immer ein bisschen hinterher. Aber Folge 8 habe ich wieder aufgeholt und ich war sofort hin und weg und es ist schön, dass es nicht nur mir so ging, sondern die Folge allgemein viel Anklang findet. Was für eine geniale Figur! So kann man ältere Szenen ausbuddeln und ihnen neues entlocken. Der Überfall auf Maeve und ihre Tochter in einem gänzlich neuen Licht. Ich bin sowieso Fan von Maeve und wünsche ihr ein friedliches Leben, umso toller, dass sie quasi einen solch starken Verbündeten hat. Auch wenn sie nichts von ihm wusste.

Ja, es mutet echt ein wenig komisch an. Da sind wir so lange bei Dolores und Ford ist um sie bemüht, ihre Reise ist das tragende Element (während Maeve parallel auf gänzlich andere Art erwacht) und *schwupps* hier nun jemand, der vor langer Zeit das Labyrinth fand und sich selbst erleuchtet hat. Wobei ich die Zeit einmal mehr äußerst merkwürdig finde. Wie kann denn ein Host ein Jahrzehnt so unbehelligt rumspazieren? Haben die da keine Ruhephasen, wo der Park ordentlich auf Vordermann gebracht wird? Zwei Wochen keine Gäste und sowas wie Inventur… (natürlich nicht, denn wir wissen ja, dass Ford hier keinen Vergnügungspark des Vergnügens wegen erschaffen hat).

Wie Akecheta andere unterrichtet, merkt, dass sie auch Fragen haben und einen Weg findet Antworten zu kriegen, ist richtig genial. Und herzzerreißend. In allen Punkten Zustimmung was die Leistung von Zahn McClarnon angeht. Der hat mich richtig mitgerissen.