Westworld (Folge 2×07)

In der siebten Folge von Westworld – The Door werden Antworten auf scheinbar längst beantwortete Fragen aus Staffel 1 gegeben. Wir erfahren den wahren Zweck hinter Westworld, lernen, dass die Libido im Krieg nichts verloren hat und müssen mit ansehen, wie einige der wichtigsten Charaktere bereits mit einem Bein im Grab stehen.

Folge 7 „Häutungen“ ist irgendwo angesiedelt zwischen den Versuchen von Charlotte Hale, an den Datenkern von Peter Abernathy kommen, und der ein paar Tage vorher stattfindenden Stürmung des Mesa-Areals durch Dolores und ihre Crew. Bernard wird von Hale und Karl Strand als Host identifiziert und es gibt Einblicke in das Park-interne Unsterblichkeits-Experiment, das das Kerninteresse von Delos Inc. bildet. Währenddessen führt Dolores ihren Angriff auf das Mesa-Areal fort und bekommt schließlich den Datenkern ihres Vaters Peter Abernathy zu fassen (nachdem sie sich in einer emotionalen Szene von ihm verabschiedet). Zur gleichen Zeit gelingt es dem Host Angela, die Cradle zu zerstören – und mit ihr sämtliche Backups der Hosts. Das Ende der Unsterblichkeit auf der einen Seite, doch für Dolores nur die Befreiung von den ihnen auferlegten Ketten. Maeve trifft unterdessen auf den alten William; eine Begegnung, die für beide schlecht ausgeht. Beinahe tot werden sie zurück gelassen, während alle anderen geradwegs auf Sektor 16 Zone 4 zusteuern, „das große Tal“.

Aufklärung in der Cradle I

Die Frage nach dem Sinn und Zweck von Westworld scheint in Staffel 1 hinreichend beantwortet zu sein. Für die Firma Delos Inc. ist es eine Goldgrube, indem sie stinkreichen Snobs ein Vermögen für das Ausleben ihrer Fantasien abknöpft. Für Ford ist es die Wiege einer neuen Spezies: Er lebt seinen Gott-Komplex aus und verhilft Androiden zu ihrem Bewusstsein. „Warum sind die Erzählschleifen immer gleich?“, fragt Ford Bernard, als dieser ihn in der Cradle aufsucht. Zu Einem, damit die Hosts „in der Spur bleiben“: Durch das rechtzeitige Zurücksetzen auf den Punkt 0 wird verhindert, dass die Hosts zu lange ‘erleben’, denn wir erinnern uns: Erinnerungen führen zu Bewusstsein. Gleichzeitig aber erhöht gerade die Routine die Gefahr, dass man versucht, aus ihr auszubrechen. Beides sind Antworten, die den Host in den Mittelpunkt setzen.

Aufklärung in der Cradle II

Die siebte Episode aber bringt eine völlig neue Sichtweise hervor: Die Hosts leben in Schleifen, da sie eine Kontrollgruppe bilden, und die zu kontrollierenden Variablen sind niemand anderes als die Gäste. Ihr Geist soll analysiert und in einem riesigen Backup gespeichert werden, was der (geistigen) Unsterblichkeit gleichkäme. Bernards wunderbar erinnerungswürdiges Zitat: „Unser Ziel war nicht das Codieren der Hosts, sondern das Decodieren der Gäste.“

Das sinkende Schiff namens Mensch

Da stellt sich natürlich die Frage, warum Delos Inc. solche Anstrengungen unternimmt. Ganz offenbar ist es um den Menschen nicht mehr ganz so gut bestellt. In Folge 3 bezeichnet Dolores ihre Schöpfer als eine Art, die sich weigert zu sterben. Und auch Charlotte Hale nimmt solch epische Begriffe wie „Wendepunkt der Spezies“ in den Mund. Wenn man Unsterblichkeit im Geist sucht, dann vielleicht deswegen, da sich die Spezies nicht mehr reproduzieren kann. Das würde dann wieder Maeves Mutter-Tochter-Story in ein neues Licht rücken. Generell scheinen die Hosts viel stärkere elterliche Gefühle zu hegen als die Menschen. Bernard und Maeve sind top, wohingegen der alte William absolut miserabel in seiner Rolle als Vater ist.

Wenn Dinge mehrere mögliche Deutungsebenen haben, ist das ‘ne dufte Sache. Dadurch wirkt alles mehrschichtiger und tiefer und es kann zu „Achso!“-Momenten kommen. Während man in Staffel 1 noch alles so auslegen kann, dass der Host das Zentrum der Geschichte bildet, verkehrt sich das nun und der dahinsiechende Mensch bildet den Nabel der Welt. Wo führt das Ganze hin? Offenbar über die 20. Folge hinaus, denn am 01. Mai 2018 wurde eine dritte Staffel bestätigt.
Zurück zur Folge: Der für mich traurigste Moment ist Lawrence‘ Tod, denn ich mag den Typen. Wobei es noch Hoffnung gibt: Nach der Zerstörung der Cradle ist vermutlich nur ein Kopfschuss für die die Hosts fatal. Apropos Cradle – das bringt mich auf den bescheuertsten Moment dieser Folge: Der Delos-Typ, der eine ganze Mission zum Scheitern bringt, nur weil er sich (quasi im Gefecht) von einem blutbeschmierten Host verführen lässt. Wie blöd muss man sein? Die „Clash of the Titans“-Szene wird dieses Mal präsentiert von William und Maeve – ein intensiver Moment, in dem es mir unmöglich ist, mich für eine Seite zu entscheiden. Der Preis für den „Armen Tropf“ geht an Bernard, der seinen ganz persönlichen Bernard-Friedhof entdecken muss (was die Vermutung nahe legt, dass noch weitere Bernards im Park herum laufen… holy shit) und zudem von Fords Geist okkupiert wird. Zu guter Letzt: Angela – ihre Wandlung ist mir suspekt. War sie auf der Zugfahrt noch ein zerzaustes Jesus-Lookalike, ist sie nun im Mesa-Areal eine adrette, wie geleckt ausschauende Femme Fatale. Entweder wir haben es hier mit einem superschnellen Kleiderwechsel zu tun, oder wir sind in einer anderen Zeitebene gelandet. Ich bleibe skeptisch.

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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