Fantasy Island
Die Blumhouse-Schmiede gilt als die Produktionscompany für Horrorfilme schlechthin. Große Horrortitel wie Halloween (2018), Split oder Get Out füllen die Kassen und sorgen dafür, dass auch kleinere Produktionen mitfinanziert werden können. Produktionen, in denen Regisseure nicht auf Nummer sicher gehen müssen, sondern sich inhaltlich auch mal austoben dürfen. Das kann mal funktionieren, mal geht der Schuss auch nach hinten los. Doch zumeist werden die günstigen Produktionskosten schnell wieder eingespielt. Mit Fantasy Island von Jeff Wadlow (Wahrheit oder Pflicht) wurde ein Quasi-Remake produziert, das auf der gleichnamigen Kultserie aus den 70ern basiert. Die 152 Folgen starke Originalserie lief auch in Deutschland, allerdings im Familienprogramm auf einem Nachmittagsslot. Aus unerfindlichen Gründen wurde der Stoff neu aufgegriffen, einmal durch den Fleischwolf gedreht und mit zeitgemäßen Themen angereichert. Was dabei herauskam, ist an Abstrusität kaum noch zu unterbieten.
Fantasy Island ist eine Insel, auf der die innigsten Träume wahr werden. Dort landen fünf Fremde, die von dem geheimnisvollen Besitzer Mr. Roarke (Michael Peña, Ant-Man) empfangen werden. Obwohl der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind, hat jeder von ihnen nur einen Wunsch frei, der hier Realität werden kann. Die Bedingung: Die Fantasie muss bis zum Ende durchlebt werden. Bleibende Schäden nicht ausgeschlossen. Zu den Ankömmlingen gehört auch Melanie (Lucy Hale, Pretty Little Liars), die sich nichts sehnlicher wünscht, als Rache an dem Mädchen zu nehmen, von dem sie einst gemobbt wurde. Die beiden Stiefbrüder J. D. (Ryan Hansen, Veronica Mars) und Brax (Jimmy O. Yang, Crazy Rich) wünschen sich ein luxuriöses Pool-Party-Leben mit heißen Mädchen, Drogen und Waffen. Ex-Polizist Patrick (Austin Stowell, Whiplash) möchte Soldat sein und Gwen (Maggie Q, Mission Impossible 3) wünscht sich eine zweite Chance im Leben. Alle Wünsche gehen in Erfüllung, doch wie jeder einzelne feststellen muss, verlangt die Insel Opfer …
Insel mit Eigenleben
Originaltitel | Fantasy Island |
Jahr | 2020 |
Land | USA |
Genre | Fantasy, Horror |
Regie | Jeff Wadlow |
Cast | Mr. Roarke: Michael Peña Gwen Olsen: Maggie Q Melanie Cole: Lucy Hale Patrick Sullivan: Austin Stowell Brax Weaver: Jimmy O. Yang Sloane Maddison: Portia Doubleday J.D. Weaver: Ryan Hansen Julia: Parisa Fitz-Henley |
Laufzeit | 109 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 1. Oktober 2020 |
Karibische Sonne, türkisblaues Meer, einlullende Drinks – Fantasy Island schafft bereits mit seinen Kulissen echte Wohlfühlatmosphäre, die selbstverständlich das Gegenteil dessen bedeutet, was die Inselbesucher erwartet. Denn der beflügelnden Umgebung zum Trotze werden die fünf nach und nach von ihren Sehnsüchten übermannt und müssen feststellen, dass die Insel ein Eigenleben zu führen scheint. Dass jede Wunschvorstellung scheitert, ist wenig überraschend, und darin liegt auch die Prämisse, der bereits zahlreiche andere Genre-Vertreter wie Wishmaster oder Wish Upon folgten: Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst! Die Drehbuchautoren Chris Roach und Jillian Jacobs treiben das auf die Spitze und jagen die fünf Touristen einmal durch ein Potpourri des Horror-Genres: Geister, Grusel, Slasher, Torture. Aber alles in milder FSK16-Variante.
Vier schlechte Filme zum Preis von einem
Viel Zeit zur Vorstellung der Figuren bleibt nicht. Nicht weiter schlimm, denn aufgrund ihrer Träume lernen wir sie noch zur Genüge kennen. Die einzige Figur, welche die Möglichkeiten ernsthaft auszuschöpfen weiß, ist Gwen (Maggie Q), die versäumte Chancen nachträglich nutzen möchte, um ihr Leben in eine andere Spur zu lenken. Ihr Handlungsstrang fällt im Vergleich zu den anderen weniger abenteuerlich aus und sorgt so für ein Gegengewicht zu den actionlastigen Geschichten. Die anderen Träume gehen dagegen maximal als Vorwand durch, möglichst bescheuerte Gründe zu finden, um unterschiedliche Settings miteinander zu verknüpfen. Dabei entsteht das erste von zwei großen Problemen des Films: Im Prinzip folgt man vier für sich stehenden Mini-Episoden, von denen keine sonderlich kreativ, spannend oder erzählerisch herausragend gestaltet ist. Damit die Zusammenführung am Ende irgendwie noch zurechtgebogen werden kann, können sich die Teilnehmer begegnen und die Gefahren des eigenen Traums in andere mitbringen. Das Chaos kündigt sich auf lauten Sohlen an.
Fantasy Island – hier ist Idiotie ansteckend
Während also vier Sub-Plots aufgemacht werden, die ohne viel Erklärung auch wieder abgeschlossen werden, hält sich das Drehbuch für den Abschluss noch einen echten Knaller parat. Der folgende Twist im Finale erweist sich dabei als ein solcher, den man nur noch als dumm-dreist bezeichnen kann. Denn mit dem Holzhammer wird eine Wendung herbeigeführt, die nachträglich die Logik aller Szenen (!) einer Figur mit vollem Karacho zerschmettert. Aber der Zuschauer, der ganz offenbar gar keine Zeit zum Nachdenken aufbringen soll, wird bis dahin hoffentlich bereits vergessen haben, wie überrascht und planlos der Twist-Inszenator durch die eigenen Szenen gestolpert ist. Eine Beleidigung für jeden, der Anspruch auf erzählerische Kohärenz erhebt.
Unter der eigenen Erklärungsnot begraben
Ist die große Dampfhammer-Wendung dann einmal offenbart, bleibt auch gar nicht mehr viel Screentime. Denn die Luft ist raus, das Drehbuch einige Erklärungen schuldig und ohnehin existieren nun drei bis vier große Fragezeichen, was das alles überhaupt sollte. Denn die Geschichte-hinter-der-Geschichte ist derart hanebüchen, dass es umso alberner wird, wenn all das als geniales Konzept verkauft werden will. Die größte Freude kommt immer dann auf, wenn die Protagonisten merken, dass die eigene Idylle einbricht. Das sind Sekunden, in denen es leicht fällt, mit ihnen zu fühlen. Doch sobald die Traumszenarien umschlagen, bleibt nur noch generisches Gekreische. So wirklich brillieren kann keiner der Darsteller in seiner Rolle. Maggie Q wird immerhin noch vor schauspielerische Herausforderungen gestellt, während alle anderen um sie herum abwechselnd weglaufen, kämpfen oder erstaunt gucken müssen. Lucy Hale wurde nach Wahrheit oder Pflicht erneut von Jeff Wadlow verpflichtet und es ist offensichtlich, dass es ihre einzige Aufgabe ist, die Pretty Little Liars-Zielgruppe anzulocken, die dem Mystery-Touch der Insel vielleicht noch etwas abgewinnen kann. Michael Peña bleibt ein farbloser Antagonist, der wenig zu melden hat.
Künstlerisch pfui, finanziell hui
Unklar ist, ob Fantasy Island sich nun als Remake, düsteres Spin-off oder als Anlehnung an die Serie aus den 70ern versteht. Die Originalserie war so beliebt, dass sogar das ZDF eine eigene Version namens Insel der Träume für Deutschland produzierte. Ob Blumhouse Productions nun also einen bekannten Namen wiederverwendet, von dem die meisten Zuschauer der Zielgruppe vermutlich noch nie etwas gehört haben, oder der Grundstein für ein neues Franchise gelegt wird. Bei Produktionskosten von 7 Mio. US-Dollar zu einem Einspielergebnis von 41 Mio. US-Dollar ist der Titel zumindest finanziell als Erfolg zu verbuchen. Die Erfolgsformel greift einmal mehr und holt neben dem klassischen Teenie-Horror-Publikum auch Zuschauer ab, die sich für Titel wie Jumanji: Willkommen im Dschungel oder Escape Room begeistern können.
Fazit
Fantasy Island ist so erschreckend doof und der eigenen Plausibilität hinterherhinkend, dass es selbst als Guilty Pleasure keine gute Figur macht. Der anfänglich gute Eindruck, der durch die Kulissen und den leichtfüßigen Fortschritt der individuellen Traumveränderung entsteht, schlägt einfach viel zu schnell um. Nicht lange, dann entlarvt sich das Drehbuch selbst als absurd. Zuschauer, die sowieso keinen Wert auf Logik oder Substanz legen und sich mit dünn angelegten Persönlichkeiten zufrieden geben, könnten sich durchaus unterhalten lassen. Alle anderen und im besonderen Horror-Fans machen besser einen weiten Bogen um die substanzlose Neuinterpretation. Dank der gähnenden Episodenhaftigkeit bleibt genügend Raum für zahlreiche Fortsetzungen.
© Sony Pictures
Veröffentlichung: 1. Oktober 2020