Wonder Woman 1984

Die Pläne für eine filmübergreifende Rahmenhandlung hat DC längst begraben. Mit Wonder Woman 1984 wird allerdings die Geschichte von Diana aus Themyscira nach Wonder Woman fortgeführt. Für das DCEU war Wonder Woman seinerzeit eine Frischzellenkur, die einem Meilenstein gleichkam. Denn ja, damit war offiziell bewiesen, dass auch Superheldenfilme mit weiblicher Hauptfigur und fetten Budgets die Kinokassen klingeln lassen können. Auch für die Branche war das ein wichtiges Zeichen, denn dass Regisseurinnen Big Budget-Produktionen stemmen dürfen, ist keine Selbstverständlichkeit. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass das Hollywood-Studio-System diese Konstellation über Jahrzehnte hinweg bewusst klein hielt. Für Zweifel blieb aber nach dem erfolgreichen Start im Sommer 2017 kein Raum mehr und somit war es nur noch Formsache, dass eine Fortsetzung folgen würde. Für diese nimmt erneut Patty Jenkins Platz auf dem Regiestuhl und dirigiert ihre Fortsetzung durch das derzeit beliebteste Filmjahrzehnt, die 1980er. Eine Ära, über die es dank Stranger Things und vielen anderen Werken keine großen Worte mehr zu verlieren gibt. Umso gewichtiger sind die Veröffentlichungsumstände, denn während deutsche Zuschauer bedingt durch geschlossene Kinos sehnlichst auf den Film warten, ist der Zugang erst einmal USA-exklusiv. Wir haben die Chance wahrgenommen und den Film schon einmal vorab auf HBO Max gesichtet.

   

Washington D.C., 1984: Ihr Geliebter Steve (Chris Pine, Star Trek) ist während des ersten Weltkriegs verstorben, doch Diana (Gal Gadot, Fast & Furious Five) lebt weiterhin unter den Sterblichen. Inzwischen arbeitet sie im Smithsonian, einer Forschungs- und Bildungseinrichtung, und befasst sich mit alten Schätzen. Als sie und ihre neue Kollegin Barbara Minerva (Kristen Wiig, Brautalarm) einen geheimnisvollen Stein untersuchen, der über besondere Kräfte verfügt, ahnt noch keine der beiden Frauen, dass in Kürze zwei ganz besondere Wünsche erfüllt werden. Diana wünscht sich Steve zurück und Barbara möchte einfach nur so stark wie Diana sein. Doch auch der Medienmogul Maxwell Lord (Pedro Pascal, The Mandalorian) ist hinter dem Wunsch-Objekt her …

Ein Film, auf dem immenser Druck lastet

Originaltitel Wonder Woman 1984
Jahr 2020
Land USA
Genre Action
Regie Patty Jenkins
Cast Diana Prince / Wonder Woman: Gal Gadot
Steve Trevor: Chris Pine
Barbara Ann Minerva / Cheetah: Kristen Wiig
Königin Clea: Rosamund Pike
Maxwell Lord: Pedro Pascal
Königin Hippolyta: Connie Nielsen
General Antiope: Robin Wright
Laufzeit 152 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 2. September 2021

Auf Wonder Woman 1984 liegen hohe Erwartungen. Da ist die ganz natürliche Last, finanziell an den Erfolg des Vorgängers anzuknüpfen, der satte 822 Mio. US-Dollar eingespielt hat. Eine Wiederholung dieses Ergebnisses ist angesichts der Veröffentlichungsumstände im Winter 2020/2021 nahezu ausgeschlossen. Trotzdem gilt es, den finanziellen Schaden so gering wie nur möglich zu halten, denn dass es sich um ein Millionengrab handelt, stand bereits vor der Veröffentlichung und nach einigen Verschiebungen fest. Weiterer Druck kommt durch die Erwartungen hinzu, die Fans und Zuschauer*innen an das DCEU haben: Nachdem das Erzähluniversum durch Justice League und Suicide Squad eine gehörige Delle bekam, war Wonder Woman der Hoffnungsträger, der einen Aufwärtstrend versprach. Und eine Zeit lang schien es, als hätten die Fans wieder Hoffnung in DC gelegt, denn Shazam und vor allem Aquaman erwiesen sich als wirtschaftlich rentable Blockbuster, die wohl alle Erwartungen übertrafen. Dann folgte mit Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn, ein Film, der zwar das Doppelte seiner Produktionskosten einspielte, aber hinter den allgemeinen Erwartungen zurückblieb und zusätzlich die Zuschauermeinungen spaltete. Plötzlich geriet das neu verdiente Vertrauen in die Film-Marke wiedermals ins Straucheln. Aber noch bedeutender als das Standing innerhalb der DC-Filme ist Wonder Woman für Warner. Denn der Ankündigung folgend, im Jahr 2021 alle Filme parallel im Kino und auf HBO Max zu veröffentlichen, stellt Wonder Woman 1984 den Startschuss dar. Also müssen die Zahlen stimmen. Die Umstände der Pandemie erfordern ein neues Distributionsmodell und 2021 wird ein wegweisendes Jahr für die Zukunft des Kinos sein. Nach einem sehr guten Start an den US-Kinokassen brach das Interesse allerdings schon in der zweiten Woche nach Start ab, während knapp die Hälfte aller HBO Max-Abonnenten den neuen Superhelden-Streifen noch am Tag der Veröffentlichung anschaute. Was das für das Kino bedeutet? Es bleibt spannend.

Konsequent gegen die Wand gefahren

Anders als die Zukunft es Kinos ist bei Wonder Woman 1984 vieles weitaus schneller zu identifizieren. Ohne große Umschweife lässt sich eines bereits nach der Hälfte der Spielzeit von Wonder Woman 1984 direkt feststellen: Der Film ist in der Summe nicht besser als seine Bestandteile. Das Drehbuch, verfasst von Patty Jenkins, Dave Callaham (The Expendables) und Comic-Autor Geoff Johns (Aquaman), entpuppt sich als unausgegorenes Zusammenspiel dreier Filme, die alle halbgar erzählt sind und am Ende kein großes Ganzes ergeben wollen. Die inhaltlichen Schwächen sind mannigfaltig und die Ursachen dafür zu finden, gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. War es der hohe Einfluss, den das Duo Jenkins-Gadot auf die Produktion nahm? War das Vertrauen DCs zu groß, sodass sie den Beteiligten zu viele Freiheiten ließen? Oder will das Drehbuch am Ende einfach zuviel von allem sein? Wer hatte die Zügel in der Hand und wie konnte das Projekt auf kreativer Stufe so außer Kontrolle geraten? Ein Berg an Fragen türmt sich auf.

Den Zeitgeist verfehlt

Im ersten Akt geht es zurück nach Themyscira. Jenkins sorgt hier für beeindruckende und temporeiche Bilder, die den Film inhaltlich nicht weiterbringen, aber eine Botschaft hervorbringen, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden soll. Es gibt also wieder aufregende Bilder der Amazoneninsel, die daran erinnern, wo Dianas Wurzeln liegen. Das ist bekannt aus Wonder Woman, aber solch epische Schauwerte sieht man schließlich nicht in jedem Superhelden-Blockbuster. Umso kitschiger ist dagegen der erneute Blick auf Dianas Kindheit geraten, denn bereits in dem ersten Akt wird man mit einer ganzen Armee aus schmalzigen Kalendersprüchen bombardiert, die sich ebenso durch den Rest des Drehbuchs ziehen. Im zweiten Akt – das ist kein Geheimnis – geht es dann in die 1980er. Ein Jahrzehnt, das die Popkultur geprägt hat und irgendwie prädestiniert erscheint für schmissige Songs, Neon-Lichter und grausige Frisuren. Viele mediale Titel haben uns in den letzten Jahren vorgelebt, wie sich die damalige Zeit angefühlt hat: Ob die Wrestlerinnen aus der Netflix-Serie GLOW, das herauf und herunter zitierte Stranger Things oder die beliebte “San Junipero”-Episode aus Black Mirror an der Serienfront oder Popmusik von Dua Lipa oder The Weekend, die das Jahr 2020 beschallt haben. Mittlerweile weiß jeder Post-2000-Geborene, wie sich das Jahrzehnt angefühlt und angehört hat. Wonder Woman 1984 versucht all dieses Pulver in einer einzigen Szene, die sich in einer Mall abspielt, zu verschießen (nur ein Pop-Hit der 80er bleibt aus). Als müssten all diese Elemente schnell verpulvert werden, weil die Erwartungen darauf abzielen. Das Problem daran ist, dass der Film als Gesamtes diesen Zeitgeist nicht wirklich atmet und checklistenartig hier mal Aerobic, dort schillernde Kostüme zeigt. Aber am Ende bleibt alles eine Requisite.

Wenn die Faulheit zu erklären größer als die Notwendigkeit wird

Keinen Spoiler stellt das erneute Auftreten von Chris Pine in der Rolle des Steve Trevor dar. Wer aufmerksam war, musste nicht bis Drei zählen um mitzubekommen, dass hierbei zeitlich etwas nicht stimmen kann: Wenn der erste Teil während des ersten Weltkriegs spielt und Steve im Gegensatz zu Diana nicht über göttliche Fähigkeiten verfügt, wie kann er dann 1984 miterleben? Für diese Antwort biegt sich das Drehbuch eine Antwort zurecht, mit der man eher schlecht als recht leben kann. Denn am Ende bleibt immer im Hinterkopf, dass dies eher ein Casting-Kalkül ist, als dass die Geschichte wirklich von dieser inhaltlichen Entscheidung profitiert. Dabei handelt es sich aber nur um einen von mehreren Plot Points, dies symptomatisch für die geringe Überzeugungsarbeit, die das Drehbuch leisten möchte, stehen. Inhaltliche Erklärungen werden kurz gehalten, Logikprobleme müssen zwingend in Kauf genommen werden und Probleme werden durch konstruierte Entscheidungen weggelächelt. Exemplarisch dafür steht ein “Ausflug” von Diana und Steve, der wenig subtil einfach nur etwas fürs Auge liefern soll, darüber hinaus jedoch eine Menge Fragen aufwirft.

Wenn das Drehbuch die eigenen Charaktere als Last erachtet

Erinnert ihr euch noch an Catwoman mit Halle Berry? Der Streifen wurde zurecht von vielen Zuschauern verdrängt. Nicht in Vergessenheit geraten ist aber der lausige Versuch, eine Gegenspielerin mit minimalster Anstrengung etablieren. Und so bewegt sich Barbara Minvera ganz im Geiste von Laurel Hedare (2004 verkörpert von Sharon Stone), die im Eiltempo auf wenig glaubhafte Weise zu Catwomans Erzfeindin hochgezüchtet wurde. Ähnlich lieblos durfte dieser Werdegang später auch bei Jamie Foxx in The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro erlebt werden. Diese Vorgehensweise wiederholt sich auf höchst unangenehme Weise in Wonder Woman 1984, wo mit Barbara Minerva erst eine Freundin und Kollegin von Diana eingeführt wird, die ein paar Szenen später zu Cheetah, Wonder Womans Erzfeindin in den Comics, mutiert. Der völlig unmotivierte Umgang mit dieser Figur, die ins Ugly Betty-Korsett gezwängt wird und dann als böser Schwanz wieder ausbricht, ist besorgniserregend. Erschwerend kommt hinzu, dass ihr Charakter auch im Widerspruch zu den Werten, die man einem Film wie Wonder Woman zuspricht, steht. Kleide dich sexy, trage deinen Rock kurz und nimm die Brille ab, dann werden deine Mitmenschen dich mögen. Tonal passt das alles nicht zusammen.

Maxwell Lord, das unfreiwillige Glanzlicht

Und dann ist da noch Pedro Pascal, der den machthungrigen Maxwell Lord verkörpert. Ein Unsympath aus dem Bilderbuch, der Macht und Einfluss auf der Chefetage repräsentiert und in seiner überzogenen Darstellung wie eine Karikatur von Donald Trump herüberkommt. Ob bewusst oder unbewusst spielt dabei gar keine Rolle: Mit seinem Overacting ist ausgerechnet Pedro Pascal das fragwürdige Highlight von Wonder Woman 1984! Denn während Gal Gadot und Chris Pine einfach ihre Rollen aus Wonder Woman in umgekehrter Position wiederholen (nun sorgt er für die “Fish out of the Water”-Lacher und sie muss ihm die Welt erklären), ist Pedro Pascal in punkto Eigenständigkeit dank seines Größenwahns konkurrenzlos.

Dienst nach Vorschrift

Abschließend muss noch geklärt werden, ob Wonder Woman 1984 wenigstens das liefert, was für viele Zuschauer noch immer ein triftiger Grund ist, einen Superhelden-Film zu besuchen … äh zu streamen: Bombastische Action-Einlagen, wuchtige Kämpfe und möglichst viel Materialschaden. All das liefert Wonder Woman … nicht. Was im ersten Moment gar nicht so dramatisch wirken soll, denn wo steht eigentlich geschrieben, dass es immer um die Welt gehen und dass das größtmögliche dramatische Ausmaß angenommen werden muss? Jedoch bleibt selbst mit diesen zurückgeschraubten Ansprüchen am Ende nur Enttäuschung zurück. Inszenatorisch bleibt von den beiden größeren Action-Szenen nicht viel hängen und man erwischt sich dabei, wie am Ende dann plötzlich doch wieder der Prolog aus Themyscira das traurige Highlight bildet. Ohnehin ist eine Genre-Einteilung schwierig: Als Action-Film liefert der Streifen einfach nur das Minimum ab, sozusagen erfüllt er gerade einmal so die Standard-Ansprüche. Für ein gutes Drama fehlt es in alle Richtungen an Überzeugungsarbeit. Und so sehr Gal Gadot auch in diese Rolle hineingewachsen ist und so begnadet sie auch die Amazone verkörpert: Eine Entwicklung der Protagonistin findet einfach nicht statt.

Fazit

Wonder Woman 1984 ist ein inhaltliches Debakel, das sich nach einer Kreuzung des Story-Overloads aus Spider-Man 3 und den Lächerlichkeiten aus Catwoman anfühlt. Das soll nicht einmal ansatzweise polemisch klingen, beschreibt aber die vielen Konflikte, die sich von Beginn an auftun und damit einhergehend auch zahlreiche Kompromisse, die stets zu Lasten der Glaubwürdigkeit gehen. Ob nun Plot, Dialoge, Special Effects oder einfach nur Charakterentwicklung: Wonder Woman 1984 versucht viel Inhalt zu vermitteln, scheitert aber an der einfachsten Übung: Dem Zuschauer das Gefühl zu geben, ihn und seine Ansprüche ernst zu nehmen. Da bleibt nur noch zu hoffen, dass die Trilogie, die bereits bestätigt wurde, zum Ende hin noch einmal die Kurve kriegt und vorab eine intensive Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Dilemma des Sequels erfolgt.

© Warner Bros.


Veröffentlichung: 2. September 2021

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Ayla
Redakteur
19. Februar 2021 15:22

Mich hat der Film leider auch ziemlich enttäuscht. Ich mag den ersten Teil sehr, aber WW84 knüpft an dessen Qualität nicht an, sondern wirkt wie ein trauriger Zusammenschnitt vieler Ideen. Die Handlung war gefühlt ein Chaos und mir wäre es lieber gewesen, man hätte sich auf einen Handlungsstrang fokussiert (z.B. einen konsequenten Aufbau von Barbara Minerva als Figur, eine längere Screentime mit ihr und Diana, bevor Barbara ihren Wunsch raushaut und zu einer Antagonistin wird, etc.).

Dass sie Steve wieder zurückgebracht haben, nervt mich auch. Schon als das im Vorfeld bekannt wurde, war ich kein Fan von der Idee und die Umsetzung jetzt gefällt mir auch nicht (vor allem hat Steves Seele doch quasi den Körper eines anderen Mannes belegt, das ist schon sehr fragwürdig, denn was war in der Zeit dann mit dem Kerl, dem der Körper eigentlich gehört …). Ich habe das Gefühl, man wollte unbedingt wieder Chris Pine einsetzen, dabei hätte man die Figur Steve einfach ruhen lassen sollen. Wenn Wonder Woman schon unbedingt einen Love Interest braucht, hätte ich dafür lieber eine ander Figur gehabt als Steve wieder auferstehen zu lassen (es sind doch zwischen seinem Tod und dem Handlungsjahr auch viele Jahrzehnte vergangen, es wirkt aber erzählerisch, als sei das kaum ein paar Jahre her).

Die ersten Szenen mit der jungen Diana haben mir auch am besten gefallen, alles danach war irgendwie langweilig, irritierend und wenig unterhaltsam. Wenn der Film wenigstens ordentliche Action gehabt hätte, wäre er trotz des hanebüchenen Drehbuchs noch ein tolles Popcorn-Programm gewesen, aber auch da ist der Content sehr seicht.

Ich hoffe wirklich, dass Teil 3 wieder besser wird und vor allem ein überzeugenderes Charakterbild abgibt.