ES Kapitel 2

Der gruseligste aller Horrorclowns ist zurück! Im zweiten Teil der Neuverfilmung von Stephen Kings Klassiker ES dürfen sich nun die erwachsenen Versionen des Clubs der Verlierer mit Pennywise in der Manege herumschlagen. Dafür holte Regisseur Andy Muschietti (Mama) einige namhafte Schauspieler ins Boot, wie den aus X-Men: Erste Entscheidung bekannten James McAvoy oder Jessica Chastain (Interstellar). Nach dem wirklich großen Erfolg des ersten Teils ist die Messlatte für Es Kapitel 2 besonders hoch. Gerade Kenner der Vorlage fragen sich, wie die Fortsetzung funktionieren soll, weil die beiden Erzählebenen auseinandergerupft wurden. In einer ausführlichen Besprechung klären wir, ob sich der Film sehen lassen kann oder wir den Clown zurück in die Maske schicken müssen.

     

Ganze 27 Jahre zogen ins Land und wieder verschwinden unschuldige Kinder in der kleinen Stadt Derry. Für den ansässigen Bibliothekar Mike Hanlon (Isaiah Mustafa) ist klar: Pennywise (Bill Skarsgård, Castle Rock) ist zurück. Wie durch den Schwur festgelegt, ruft er seine alten Freunde an und informiert sie, dass das Grauen erneut beginnt. Daher müssen sie in ihre alte Heimat zurückkommen. Am nächsten Tag trifft sich der ehemalige Verliererclub in einem asiatischen Lokal in Derry, nur um festzustellen, dass einer in ihrer Mitte fehlt. Für Stanley Uris (Andy Bean) war alles zu viel und er nahm sich in der Badewanne das Leben. Die anderen können das nicht glauben und wollen die Stadt so schnell wie möglich wieder verlassen. Gerade so schafft es Mike, ihren ehemaligen Anführer Bill Denbrough (James McAvoy) zu überreden zu bleiben, denn es gibt eine Möglichkeit, den Clown zu besiegen und seinem roten Ballon endgültig die Luft herauszulassen.

Der ältere Club der Verlierer

Originaltitel IT Chapter 2
Jahr 2019
Land USA
Genre Horror, Drama
Regisseur Andy Muschietti
Cast Bill Denbrough: James McAvoy
Pennywise: Bill Skarsgård
Beverly Marsh: Jessica Chastain
Ben Hanscom: Jay Ryan
Richie Tozier: Bill Hader
Eddie Kaspbrak: James Ransone
Stanley Uris: Andy Bean
Mike Hanlon: Isaiah Mustafa
Henry Bowers: Teach Grant
Laufzeit 170 Minuten
FSK

Für Andy Muschietti und sein Team war es gar nicht so einfach, die erwachsenen Clubmitglieder zu besetzen. Schließlich überzeugen die Jungdarsteller auf ganzer Linie und sorgten mit ihrer herausragenden Leistungen dafür, dass der erste Teil eine glaubhafte Story aufweist. Doch nach einigen Änderungen schien der Cast perfekt zu sein. Nach dem Ansehen des Films ist klar, dass hier wirklich ein gutes Casting-Händchen bewiesen wurde. Neben den großen optischen Ähnlichkeiten sind es vor allem die kleinen mimischen Nuancen, die das Sehvergnügen abrunden. Der nun schlanke Ben (Jay Ryan, Beauty and the Beast) wirft zum Beispiel immer noch seiner Angebeteten Beverly (Jessica Chastain) schmachtende schüchterne Blicke zu und der Aufenthalt in Derry löst bei Bill erneut das Stottern aus. Da die Handlung später auch die jüngeren Versionen wieder auf die Leinwand bringt, können wir sogar direkt vergleichen. Um nämlich den Clown zu besiegen, müssen die Figuren zu den Ereignissen des Sommers 1989 zurückkehren. Zwar mussten die jüngeren Darsteller digital bearbeitet werden, damit optisch alles perfekt ist, doch das fällt im fertigen Film zum Glück nicht auf.

Zurück in die Vergangenheit

Mit einem bunten Jahrmarkt startet der zweite Teil in seine 170-minütige (!) Laufzeit. Da fragt sich der Zuschauer nicht ohne Grund, was uns die kleine Stadt in Amerika so präsentieren will. Die Antwort der Skriptschreiber Gary Dauberman (Annabelle 3) und Jeffrey Jurgensen ist, dass die Figuren für ein bestimmtes Ritual Gegenstände aus ihrer Vergangenheit suchen müssen. Eine recht kreative Idee wie sich schnell herausstellt, denn so trennen sich die Figuren, um sich erneut ihrem früheren Selbst zu stellen. Einige der Szenen überzeugen vor allem deswegen, weil es nicht nur Pennywise ist, der einem eine Gänsehaut einjagen kann. So treffen wir zum Beispiel Beverlys Vater wieder, den Stephen Bogaert (X-Men: Apocalypse) erneut psychopatisch verkörpert. Unglücklicherweise verliert sich die Story etwas in einem sehr gleichbleibenden Erzählrhythmus. So wechselt der Darsteller von alt auf jung, trifft dabei auf eine Version des Grauens, um dann auch als Erwachsener angegriffen zu werden. Wie von den Figuren selbst besprochen, ist das Trennen in solchen Situationen nie eine gute Idee.

Wer auf Jumpscares steht ….

Dank des Rituals wissen die Figuren, was sie zu machen haben, weshalb die Handlung geradewegs auf den direkten ausgiebigen Kampf zusteuert. Dadurch gibt es in Es Kapitel 2 kein Stocken der Handlung oder zu langatmige Szenen. Doch essenziell für das Horrorgenre sind dessen Gruselszenen. Schon im ersten Teil fiel das subtile Grauen der Vorlage teilweise unter den Tisch, während die Fortsetzung diesen fast komplett aus dem Raum kickt. Viel eher setzt der Film auf Jumpscares, die sich jedoch mit der Zeit sehr abnutzen und vorhersehbar werden. Einige Stellen verlaufen sogar ins unfreiwillig Komische, denn wenn der erwachsene Eddie gegen das Monster aus seiner Kindheit kämpft, ist das einfach etwas anderes. Ab und an sind es auch die Kommentare der Figuren, die nicht unbedingt hätten sein müssen, da sie unpassend wirken. Es bleibt daher zu sagen, dass Pennywise weniger herausragende Auftritte absolviert als noch im ersten Teil. Der durchgedrehte Henry Bowers (Teach Grant) fügt sich passend ein, doch hätten die Schreiberlinge aus seiner Figur auch mehr herausholen können, gerade im Hinblick auf die literarische Vorlage.

Der Kampf gegen das Böse

Da sich nun Erwachsene dem Monster stellen, fährt die Handlung das Ekel-Level hoch. Fans des Films Das Ding aus einer anderen Welt dürfen sich auf eine nette Anspielung freuen, ebenso wie Kenner von Shining. Psychologisch holt das Team auch alles aus den Figuren heraus, wenn sie sich bestimmten Ängsten stellen müssen. Bill, der sich klar macht, dass nicht er Georgie in den Tod schickte. Ben, der endlich zu seiner Liebe stehen muss und diese dann laut ausspricht. Genauso Richie, der offen legt, dass er homosexuell ist. Der letzte Kampf gegen den Clown besticht durch die Weiterführung des Themas des ersten Teils: Glauben. So ist es nicht das Ritual, das Pennywise in die Knie zwingt, sondern die Worte und der Sinn dahinter, mit dem die Charaktere das Monster bombardieren. Ein passender Abschluss, der jedoch mit einem traurigen Ende für eine Figur aufwartet.

Das Vermissen einiger Dinge

Wer Stephen Kings Roman ES kennt, wird bei diesem Teil der Umsetzung besonders gespannt sein. Schließlich zogen die Skriptschreiber die Erzählebenen — jung und alt— auseinander, wodurch es offen blieb, was sie nun erzählen würden. Die übergreifende Handlung ist beim zweiten Teil gelungen, doch sind es einige Elemente, die Leser sehr vermissen, da sie zum psychologischen Terror des Buchs dazugehören, wie eben unser grinsender Clown. Besonders Beverlys brutaler Ehemann zieht sich als ein Strang durch die Buchhandlung und sorgt immer wieder für packende Momente. Auch der Film führt die Geschichte ein, verfolgt sie jedoch nicht intensiver, was wirklich schade ist. Bills Ehefrau, die ein Ebenbild seiner alten Flamme sein könnte, spielt ebenso keine große Rolle. Im Film kommt schlicht nicht rüber, dass die ehemaligen Loser erfolgreich sind, aber psychisch immer noch ihre Probleme haben. Vor allem geht unter, dass trotz des Erfolges keiner von ihnen Kinder hat. Und Henry Bowers? Abgestempelt zum skrupellosen Irren, fristet er eine kleine Nebenrolle, die weder Bedenken noch Ängste kennt. Wie auch nicht anders zu erwarten, wurde das Finale aus dem Buch abgeändert, doch das wundert nicht, ist dieses doch bei weitem sehr abgedreht. Damit geht die direkte Verknüpfung zu Kings Mammutwerk Dunkler Turm verloren, jedoch finden wir in einer Szene eine Schildkröte. Zufall? Der Cameoauftritt Stephen Kings selbst dürfte einige Fans positiv überraschen.

Fazit

Es ist der Film, auf den ich am meisten dieses Jahr gespannt war. Hoch waren meine Erwartungen und leider muss ich sagen, dass Es Kapitel 2 diese nicht erfüllt. Nach einem wirklich passenden Einstieg mit dem Mord an der Brücke, sind es für mich die gruseligen Stellen, die gewisse Abnutzungserscheinungen besitzen. Das soll nicht heißen, dass Pennywise mich nicht überzeugt, doch ich wünschte mir mehr des subtilen Horrors der Vorlage. Wirklich herausragend sind für mich nämlich nur noch zwei Auftritte des Clowns. Als er das kleine Mädchen unter der Tribüne überredet zu bleiben und als er von der Statue auf Richie zufliegt und diesen mit seiner größten Angst konfrontiert. Einige andere Stellen sind in Ordnung, doch musste ich sogar bei einigen Szenen lachen, anstatt aufzuschreien wie die Dame neben mir. Während dieser Teil nicht so viel punkten konnte, muss ich ein Lob für die Schauspieler loswerden. Vor allem Jay Ryans leicht traurigen einsamen Blicke sind perfekt und verkörpern das Problem des älteren Bens ideal. Ich bin übrigens sehr froh, dass er und Beverly am Ende zusammenkommen, wie es schon im Buch der Fall ist. Auch die anderen Schauspieler füllen ihre Figuren mit Leben; Bill Skarsgård natürlich nicht zu vergessen. Die neu erdachte Handlung gefällt mir, denn so dürfen wir erneut zu den jüngeren Versionen unserer Helden zurückkehren. Etwas mehr Variation wäre nur wünschenswert gewesen, denn fünf mal fast den gleichen Ablauf zu bekommen, muss nicht sein. Sehr schade finde ich, dass Bills Frau und vor allem Beverlys brutaler Ehemann keine Rolle spielen, denn insbesondere diese beiden Figuren nehmen im Buch besondere Plätze ein. Dafür gefällt, dass Stanley den kompletten Film über nicht vergessen wird. Ich bin immer noch sprachlos, dass er sich selbst das Leben nahm, um seine Freunde zu vereinen. Eine gekonnte Überraschung, die perfekt zu seinem Charakter passt. Optisch präsentiert sich der Film mit einem schönen breiten Spektrum an Farben, was unter anderem an den zwei Jahrmärkten liegt und daran, dass es nicht immer dunkel sein muss, um gruselig zu sein. Insgesamt sind meine Erwartungen zwar nicht erfüllt, jedoch empfinde ich den Film als gut und werde ihn mir später auf Disk für meine Sammlung zulegen. Hoffentlich bekommt die Steelbook-Edition ein schickes Cover. Ich finde ja gerade dieses weiße Plakat mit Pennywises Augen sehr stylisch oder die Promobilder mit den Ballons.

© Warner Bros. Pictures

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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Misato
Redakteur
9. September 2019 23:33

Vielleicht waren meine Erwartungen sehr viel geringer oder gingen einfach in eine andere Richtung, denn ich hatte beim Beginn des Abspanns eher das Bedürfnis zufrieden zu klatschen. Grade das Ende gefällt mir sehr gut und ich finde es schön, dass die inhaltlichen Änderungen allesamt darauf abzielen, die Figuren besser in Szene zu setzen.

Ich habe auch drauf gewartet, dass Audra und Tom sich mal melden, aber irgendwann bemerkte ich, dass sie mir gar nicht fehlen. Man müsste ja sonst entweder noch mal 20min drauf legen (was mich nicht stören würde) oder irgendwo die Zeit abknappsen (wobei ich grade nicht auf viel deuten könnte, was ich gänzlich entfernen wollte, der Endkampf könnte straffer sein). Und bevor sie dann so kurz und knapp wie Bowers zur Nebensache werden, verzichte ich lieber ganz auf sie.

Spoiler
Okay, Audra hätte ich vielleicht gern noch bei Bill am Schluss gesehen. Das wäre sicherlich möglich. Aber mit der einen Szene kamen sie mir wenigstens wie ein glücklich verheiratetes Paar vor, grade bei einer kleinen Meinungsverschiedenheit.
Da Beverlys Vater weiterhin so effektiv genutzt wird, fehlt mir ein prügelnder Ehemann nicht besonders. Froh bin ich aber, dass man beim Make-Up dran dachte die blauen Flecke am Arm beizubehalten.

Der sich wiederholende Aufbau ist wirklich keine Glanzleistung, aber ich musste ein wenig schmunzeln, dass selbst dabei Mike noch immer kürzer kommt als die anderen. Da ich die Geschichte aus Kindersicht aber schon immer interessanter fand, eine wirklich tolle Art, um die Zeiten zu vermischen. Was mir am Roman wirklich wichtig ist, bleibt erhalten und vor allem funktioniert es audiovisuell super gut. Es ist auch wirklich erfreulich, wie gut die Schauspieler miteinander gearbeitet haben. Jung und erwachsen passen super gut zueinander und man sieht Entwicklungen und dann die Regression auf Grund all der unterdrückten Traumata.

Bonuspunkte dafür McAvoy und Chastain so kurz nach Dark Phoenix wieder zusammen zu sehen. Ich mag beide als Schauspieler gern.

Es gibt manches, das ich gern aus dem Roman mal auf Leinwand gesehen hätte, bin aber auch froh, dass so manches ausgespart wurde. Als filmische Umsetzung insgesamt ist ein tolles charakter-fokussiertes Gruselmärchen draus geworden.