Peter Grant (Band 7): Die Glocke von Whitechapel

Der gesichtslose Magier ist endlich enttarnt! Nach mehreren schrecklichen Gräueltaten konnte unser Lieblingszauberlehrling aus London im sechsten Band Der Galgen von Tyburn seinen Feind direkt zu Gesicht bekommen. Dementsprechend geht es in Die Glocke von Whitechapel, dem siebten Abenteuer aus der Feder von Ben Aaronovitch, welches am 24. Mai 2019 erschienen ist, um die Jagd nach dem Feind. Dafür müssen alle Register gezogen werden, denn wie es scheint, plant der dunkle Magier etwas Großes. Was es mit einer Glocke, einem alten gestohlenen Schwert, einem Filmscript zweier Ermordeter und dem guten, toten Mister Punch zu tun hat, das lest ihr in der nachfolgenden Buchbesprechung. Wir warnen nur vor: Wer die vorangegangenen Bände noch nicht gelesen hat, sollte hier lieber abbrechen.

Martin Chorley, der gesichtslose Magier Nummer 2, stellt eine unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Sicherheit dar. Nach seinem Versuch, die Flussgöttin Tyburn aus dem Verkehr zu ziehen, ist er aktuell auf der Flucht. Daher hat die Londoner Metropolitan Police beschlossen, ihre Ressourcen zusammenzulegen. Für Constable und Zauberlehrling Peter Grant heißt das viel Arbeit, denn der Flüchtige ist alles andere als zaghaft. Wie es scheint, plant er die letzten Schritte für seine langjährig verdeckte Operation, welche London Schaden zufügen soll. Peters Ermittlungen führen ihn unter anderem nach Whitechapel in eine Glockengießerei, zu einer seltsamen musizierenden Glocke.

Operation Jennifer

Originaltitel Lies Sleeping
Ursprungsland Großbritannien
Jahr 2019
Typ Roman
Band 7 / ?
Genre Urban Fantasy, Krimi
Autor Ben Aaronovitch
Verlag dtv

Die Handlung von Die Glocke von Whitechapel dreht schnell auf. Schon auf den ersten Seiten muss Peter in die Vollen greifen, denn ein Verdächtiger, der wohl Verbindungen zu Chorley hat, wird bei der Befragung von Nightingale angegriffen. Es handelt sich um das Kindermädchen, das einfach so vom Dach springt und es locker mit zwei Polizisten aufnimmt. Für die Zauberer ist daher klar: Diese Nanny ist kein normaler Mensch. Doch zum Glück gibt es weitere Hinweise, denen die Ermittler nachgehen können. Unter anderem ein seltsames Filmskript über eine Handlung, die zu Zeiten der Römer angesiedelt ist. In weiterer gut erklärter, glaubhafter Polizeiarbeit folgt man den Spuren und so breitet sich vor uns der perfide Plan des Gegenspielers aus. Zum Glück hat die Polizei seit dem letzten Fall eingesehen, dass Martin Chorley eine aktive Gefahr darstellt. So wurde Operation Jennifer ins Leben gerufen, unter der alle vorangegangenen Fälle mit dem Gesichtslosen vereint werden. Das bedeutet für uns Leser, dass einige alte Fakten noch einmal erwähnt werden. Es ist daher sehr praktisch, wenn die früheren Abenteuer noch präsent sind, denn oft werden einfach nur Schlagwörter oder sehr kurze Zusammenfassungen gegeben. Die Graphic Novels sollten übrigens auch nicht vergessen werden, denn auf die gibt es ebenfalls einige Anspielungen.

Alles was Rang und Namen hat

Normalerweise gibt es in den Peter Grant-Abenteuern mehrere Handlungsstränge, die nicht immer zusammengehören. Doch diesmal ist das anders, denn alles konzentriert sich auf die Ergreifung von Chorley. Damit fühlt sich Die Glocke von Whitechapel ungewohnt, aber nicht schlecht an. Schließlich wird hier wirklich viel geboten in Sachen kriminalistischer Arbeit. Natürlich nutzt Peter dafür sein komplettes Repertoire, was nicht nur heißt, dass er ein paar Feuerbälle durch die Gegend fliegen lässt. Nein, er muss auch all seine Verbindungen nutzen. Im Klartext: Alles, was Rang und Namen hat und in diesem Universum irgendwann mal aufgetaucht ist. Ob nun Menschen, wie seine Verbindungsfrau beim FBI, andere magische Wesen oder gar Götter: in diesem Band tummeln sich die Charaktere. Selbst nicht mehr Lebende dürfen noch einmal auftauchen, wie Mister Punch. Diesen lernen wir endlich auch einmal näher kennen, bzw. die Geschichte seines brutalen Todes. Natürlich mischen die Flüsse auch wieder ordentlich mit und diesmal dürfen Peter und seine Freundin Beverley den alten Mann — Vater Themse — besuchen. Das gewährt uns den Einblick in ein weiteres Event der Götter, bei dem es auch mal ein paar ruhige Minuten für die Liebenden gibt.

Das Duell der Magier

Dass Peter nicht in der Liga eines Martin Chorley spielt, das wissen wir. Es wäre auch unglaubwürdig, denn dafür ist unser Polizist schließlich noch nicht lange genug im Unterricht von Nightingale. Das bedeutet, dass er sich vermehrt um die abtrünnige Lesley kümmert. Diese lässt in diesem Band auch endlich emotional tief blicken, denn es war nie klar, warum sie Martin Chorley selbst nachdem sie ihr Gesicht wieder hat weiterhin hilft. Trotz der neuen Informationen steckt Peter in einem argen Zwiespalt, den wir nachempfinden können. Schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt und vielleicht kommt seine Partnerin doch noch zur hellen Seite der Macht zurück? Dafür muss er aber erst einmal den ehemaligen Gesichtslosen besiegen, den er zum Glück seinem Meister überlassen kann. Für uns Leser heißt es endlich direkte Konfrontationen zweier Meistermagier. Spannung pur ist geboten, denn es geht nicht nur einiges zu Bruch, sondern auch Menschenleben sind in Gefahr. Trotz der Spannung wird der Humor nicht vergessen. Was wäre ein Peter Grant Abenteuer ohne die sarkastischen Kommentare des Zauberlehrlings, der gerade auf einem Fahrrad einen Transporter verfolgt, in dem der böse Bube hockt!

Zwei große Überraschungen

Während all der packenden Action kommt leider eine Sache zu kurz: Peter Grant als Charakter. Es gibt hier keine wirkliche Weiterentwicklung. Schließlich ist er alles andere als perfekt und auch seine Lehrlingsausbildung steht mehr oder minder auf der Stelle. Er lernt hier nichts Neues dazu und dass er seine letzte Polizeiprüfung geschafft hat, passierte noch vor dem Einsetzen der Handlung von Die Glocke von Whitechapel. Immerhin schön ist, dass er nun öffentlich dazu steht, in Beverley verliebt zu sein. Gerade zu diesem Thema gibt es eine große, schöne Überraschung am Ende des Bandes: Die Flussgöttin ist schwanger. Welche Veränderungen damit auch einhergehen, sie dürften das nächste Abenteuer charakterlich spannender machen. Doch noch mehr dürfte das Ende des Falls die Reihe in neue Richtungen drehen. Überraschenderweise erschießt nämlich Lesley Martin Chorley, nachdem der von Peter gefangen genommen wurde. Es bleibt daher spannend, wie es nun weitergehen wird, da der Hauptgegner von der Bildfläche verschwunden ist. Wird Lesley nun dessen Platz einnehmen?

Fazit

Nach den Ereignissen aus dem sechsten Band freut es mich, dass sich Die Glocke von Whitechapel zentral um die Ergreifung des ehemaligen Gesichtslosen dreht. Es ist einfach eine logische Schlussfolgerung, denn dieser Mann hat ein dunkles Netzwerk, das es zu zerstören gilt. Operation Jennifer ist wirklich spannend aufgebaut und mir gefällt, wie hier einzelne Elemente zusammenlaufen. Vom Filmskript über eine Glocke zu einem Schwert und zu anderen Hinweisen, die nicht immer das sind, was die Ermittler glauben. Dass dabei Peter als Figur etwas auf der Strecke bleibt, finde ich schade. Ich hoffe daher, dass er im nächsten Band wieder mehr reifen darf. Gerade in Sachen Lehrling sein, denn schließlich macht Abigail ordentlich Fortschritte und wenn Peter nicht aufpasst, hat sie ihn bald überholt! Allgemein bin ich sehr gespannt, wie es nun weitergehen wird. Ich kann es im Grunde immer noch nicht glauben, dass Lesley Chorley tötet. Nicht weil ich es ihr nicht zutraue, sondern eher, weil damit der Oberbösewicht wegfällt und nicht klar ist, wer nun als Gegenspieler agieren wird. Mit dieser Wendung hat mich der Autor wirklich kalt erwischt und das nach diesem genialen Finale, das wirklich Raum und Zeit durchbrochen hat. Die Vorstellung alleine, wie Peter mit dem alten Tyburn auf einem Streitwagen der Römer durch die feindliche Armee brettert, löst ein solch herrliches Kopfkino aus. Wirklich eine geniale Szenerie, die ihresgleichen sucht! Insgesamt ist Die Glocke von Whitechapel ein packendes Buch, das nur seinen Hauptcharakter besser hätte behandeln sollen.

© dtv

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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Sapamo
Redakteur
25. Juni 2019 15:35

Nachdem ich den vorherigen Band mit Peter Grant gelesen hatte habe ich mich unheimlich auf Teil sieben: Die Glocke von Whitechapel gefreut und richtig entgegen gefiebert. Aus irgendwelchen Gründen hab ich dann gar nicht mehr dran gedacht das das Buch in diesem Jahr erscheint. Umso größer war dann die Freude als ich es erfahren habe und dann der Besuch im Buchladen in der Mittagspause.
Den Einstieg ins Buch finde ich super und gerade die Haupthandlung rund um die Jagd nach dem ehemaligen Gesichtslosen gefällt mir sehr gut und ist vor allem mit Spannung erzählt. Peter geht als Hauptcharakter teilweise leider etwas unter, was ich schade finde da ich ihn sehr gern habe und er einfach sympathisch ist. Er merkt ja auch das Abigail als Lehrling große Fortschritte macht und deswegen würde ich mich freuen wenn Peters Ausbildung wieder in den Vordergrund rückt und wir miterleben dürfen was und wie er lernt. Vielleicht werden wir noch Zeuge von einem schönen Konkurrenzkampf wenn Abigail ihn jetzt schon beinahe übertrumpft hat.
Gerade gegen Ende der Geschichte kommen die ganzen Überraschungen, wobei mich die eine in Bezug auf Lesley richtig geschockt hat. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet und das werd ich auch so schnell nicht vergessen. Diese Überraschung und auch was Peter am Ende noch erfährt machen jetzt richtig Lust auf den achten Teil von Peter Grant. Hoffentlich müssen wir nicht so lange warten.
Rein von der Geschichte her hat mich Die Glocke von Whitechapel sehr mitgezogen mit witzigen Kommentaren, viel Action, packenden Szenen und Wendungen mit denen ich niemals gerechnet hätte.