Child’s Play

Wer im Zeitraum Juli/August ins Kino geht, um diesen einen Film da mit dem lebenden Spielzeug zu schauen, sollte genau aufpassen. Sowohl Annabelle 3 als auch Toy Story 4 und Child’s Play können unter diese sehr vage Beschreibung fallen. Welch ein wunderbarer Hollywood-Trend. Aber Horrorfans wissen, dass sich hinter dem harmlos klingenden Titel Child’s Play (dem Kinderspiel), die mordende Ikone Chucky verbirgt. Oder eher verborgen hat, denn hier liegt sowas wie ein Neustart vor. Reboot? Remake? Etikettenschwindel?

Smart Homes sind in und die Kaslan Corporation steht an vorderster Front auf dem Markt der innovativen Technologie. Reißenden Absatz findet da auch ihre High-Tech-Puppe “Buddi”. Die kleinen Roboter sind lernfähig und sollen Kindern ein lebenslanger Freund sein. Ein besonderes Feature ist, dass sie sich mit weiteren Kaslan-Produkten verbinden können und so den Haushalt bequemer machen. Modell 2.0 steht kurz vor der Einführung, weshalb der Hype um die Puppen neu entfacht ist. Nur ein Arbeiter am Fließband in Vietnam ist nicht begeistert. Schon gar nicht, als sein Boss ihn feuert. Aus Rache schaltet er einfach alle Sicherheitsprotokolle bei der Puppe aus, die grade vor ihm liegt. Diese landet in den USA bei dem dreizehnjährigen Andy (Gabriel Bateman). Seine Mutter Karen (Aubrey Plaza, Legion) konnte den Buddi bei der Arbeit im Laden als Rückgabe abstauben. Sie will ihrem Sohn damit den grade geschafften Umzug erleichtern, ahnt aber nicht, dass sie sich ein Monster ins Haus geholt hat.

Nicht mein Chucky

Originaltitel Child’s Play
Jahr 2019
Land USA
Genre Horror
Regisseur Lars Klevberg
Cast Andy Barclay: Gabriel Bateman
Karen Barclay: Aubrey Plaza
Henry Kaslan: Tim Matheson
Mike Norris: Brian Tyree Henry
Shane: David Lewis
Chucky: Mark Hamill (Stimme)
Laufzeit 90 Minuten
FSK

Als der erste Trailer zu Child’s Play veröffentlicht wurde, twitterte Schauspielerin Jennifer Tilly den Hashtag #notmychucky. Eine emotionale Reaktion, die einmal mehr die Frage aufwirft, ob das Internet nicht etwas zu vorschnell die Meinungskeule schwingt. Aber nach dem Ansehen des Films, kann man nur achselzuckend zustimmen. Mit dem bekannten Chucky hat das nichts zu tun. Der Junge Andy bekommt eine rothaarige Puppe namens Chucky, die dann Leute umbringt. Da hören die Gemeinsamkeiten auf. In Child’s Play von 1988, der in Deutschland als Chucky – Die Mörderpuppe bekannt ist, geht es um den Mörder Charles Lee Ray, der seine Seele per magischem Ritual in ein Spielzeug transferiert. Ein Serienkiller im Kleinformat geht um. Und das zuletzt 2017 im siebten Film der Reihe, Cult of Chucky. Doch Regisseur Lars Klevberg (Polaroid) und Drehbuchautor Tyler Burton Smith (Quantum Break) werfen den Mythos komplett über Bord und erzählen die Geschichte einer Künstlichen Intelligenz, die befreit ist von Moral. Dabei ist sogar der Name Chucky reiner Zufall und wird von der Puppe ohne den Hauch eines Grundes selbst gewählt.

Zeitgemäße Story

Die gute Nachricht ist, dass die Idee prinzipiell perfekt in unsere Zeit passt. Immer mehr Menschen machen sich von technischen Assistenten abhängig. Vernetzte Systeme bieten Komfort und schaffen gleichzeitig neue Probleme. Black Mirror strickt darum genügend Schreckensszenarios. Dass also ein lernfähiges Spielzeug mit Zugriff auf sensible Daten, etwa durch Apps oder Alltagsroutinen, zu einem gefährlichen Gegenstand wird, ist eine gute Prämisse. Aber wenn die Technik in den Fokus rückt, muss sie einer genauen Betrachtung standhalten. Und Andy ist zunächst nicht begeistert, meint sogar, er sei zu alt für einen Buddi. Außerdem muss man sich fragen, wie gut die Idee ist, einem Kind ein Spielzeug an die Hand zu geben, mit dem es Zugriff auf eine von Kaslan erbaute Alarmanlage haben könnte. Kindersicherungen zu umgehen ist ein Hobby für sich. Dieser Mix aus Furby und Alexa scheint nicht marktfähig, weil er im Grunde zu viel kann.

Kinderprotagonisten, nicht für kindliche Zuschauer geeignet

Wenn Chucky seinen glühenden Finger erhebt, um seine Verbindung zu Kaslan-Geräten zu nutzen, erinnert es fast an E.T., nur in böse. Der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Andy Schützenhilfe von einigen Gleichaltrigen aus seinem Wohnblock bekommt. Die Kinder müssen sich dem Grauen stellen, weil Erwachsene ihnen doch niemals glauben würden, was da grade passiert. Kindliche Identifikationsfiguren in einem grusligen Abenteuer sind nichts neues. Das gibt es auch bei ES oder Stranger Things. Aber etwas fehlt in Child’s Play, nicht zuletzt, da es kaum wirkt, als seien die Kinder selbst in Gefahr. Abgesehen von der Steigerung im Finale. Die Opfer sind Erwachsene und dann spritzt auch mal das Blut in allerfeinster Slasher-Manier. Wie so ein gewalttätiger gut inszeniert wird, lernt Chucky aus Horrorfilmen, über die die Kinder beim Ansehen lachen. Sollte dahinter eine Form von Kommentar stecken, geht dieser unter, was wiederum verschenktes Potenzial ist.

Als eigenständiger Film wäre mehr drin

Es wird schnell deutlich, dass hier die Marke Chucky Zuschauer anlocken soll. Doch ein anderes Aussehen und ein Namenswechsel könnten aus dem Drehbuch etwas komplett Eigenständiges machen. Und genau das, was die Geldmacherei erleichtern soll, schränkt den Film unnötig ein. Wie viel kreativer könnten die Tode ausfallen, wenn dieser Chucky ganze Häuser gegen seine Bewohner richten würde. (Das haben die Simpsons in der alljährlichen Halloween-Episode von Staffel 13 bereits durchlebt.) Als Buddi ist er darauf getrimmt für Andy da zu sein und ihm zu helfen. Es ist gelungen eingefangen, wie Chucky nebensächliche Kommentare des Jungen als Anlass nimmt, Probleme dauerhaft zu beseitigen. Dieser Chucky beginnt das Töten nicht aus Spaß an der Freude. Das könnte ein nahezu melancholischer Ansatz sein. Aber Child’s Play muss das selbst auferlegte Image als Slasher bewahren. Wenigstens sind diese brutalen Szenen dann entsprechend eingefangen und tun beim Ansehen richtig weh.

Fazit

Mich schrecken Reboots oder Remakes nicht per se ab. Ich gebe neuen Versionen gern eine Chance. Aber bei Child’s Play ist dieser Zwang, unbedingt eine “realistische” Erklärung für eine Mörderpuppe zu finden, ein Sargnagel. Das ist in etwa so, als würde jemand einen Film namens Nightmare on Elm Street veröffentlichen, bei dem ein Killer Leute im Schlaf ermordet. Aber nicht in ihren Träumen, sondern einfach direkt im Bett. Außerdem finde ich es schade, wie unterfordert Aubrey Plaza als Mutter wirkt. Die Schauspieler geben ihr Bestes, aber das Skript bietet ihnen nicht viel. Ein Lichtblick verbirgt sich dafür im O-Ton. Dort spricht niemand geringeres als Mark Hamill den Chucky. Den meisten als Luke Skywalker bekannt, ist Hamill schon lange im Synchronbereich tätig. Der beste animierte Joker, den es gibt. Wenn Chucky dann an verschiedenen Stellen den Buddi-Song singt, um Andy seine Freundschaft und Loyalität zu zeigen, nimmt das immer grusligere Züge an. Immerhin etwas. Die letzten Filme der Chucky-Reihe sind zwar billiger und trashiger als Child’s Play, aber auch sehr viel amüsanter.

© Capelight Pictures

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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Ayres
Redakteur
17. November 2019 16:12

Gesehen und als Zeitverschwendung erachtet. Finde viel interessanter ja, was da für Meinungen zum Teil grassieren. Stephen King bezeichnete den Film als idealen Halloween-Film 2019, was ich auch nur angesichts der Technologie unterschreiben würde (so riesig ist der Unterschied zu Alexa dann tatsächlich doch nicht mehr). Andernorts wird das als perfekte “Black Mirror”-Folge bezeichnet. Dabei macht die Ashley O.-Folge aus meiner Sicht sogar den besseren Job. Anyway: Ich habe mich die meiste Zeit gelangweilt. Das “Chucky”-Label hätte der Film nicht einmal unbedingt benötigt.