Black Mirror (Staffel 5)
Die Netflix-Serie Black Mirror begeistert Science-Fiction-Nerds wie Technologiekritiker gleichermaßen und das bereits seit 2011, als sie noch auf dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender Channel 4 in England beheimatet war. Ab der dritten Staffel griff Netflix schließlich tief in die Geldbörse, um sich die Fortführung der Erfolgsserie zu sichern. Mit dem Film Bandersnatch beschritten die Showrunner Charlie Brooker und Annabel Jones neue Wege der Interaktivität, dafür ließ eine fünfte Staffel umso länger auf sich warten. Diese erschien schließlich am 5. Juni 2019 und überraschte nicht nur mit ihrer geringen Episodenanzahl, sondern hinterließ auch inhaltlich wenig Begeisterung bei den Fans. Die Folgen der fünften Staffel malen weiterhin besorgniserregende Zukunftsszenarien, schocken dabei allerdings weit weniger als gewohnt – trotz prominenter Unterstützung von US-Sängerin Miley Cyrus.
Originaltitel | Black Mirror (Season 5) |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 3 |
Genre | Science-Fiction, Drama |
Striking Vipers
Hinter Striking Vipers verbirgt sich eine Episode von Owen Harris, der bereits für die beliebten Episoden San Junipero und Be Right Back verantwortlich ist. Einmal mehr geht es um das menschliche Bewusstsein, Anziehungskräfte und gelebte wie unterdrückte Sexualität. Der Ausgangspunkt der Handlung ist die eingeschlafene Ehe des Familienvaters Danny (Anthony Mackie, Avengers: Endgame), der von seinem Kumpel Karl (Yahya Abdul-Mateen II, Aquaman) die Virtual Reality-Edition des Kampfspiels “Striking Vipers” geschenkt bekommt. In den Körper der vollbusigen Roxette (Pom Klementieff, Mantis in Avengers) bzw. des athletischen Lance (Ludi Lin, Power Rangers geschlüpft, erkennen beide Freunde den faszinierenden Realismusgrad des Spiels an. Dieser ist derart hoch, dass sich die Kämpfer auch sexuell näher kommen können. So kommt es immer häufiger vor, dass sich die Freunde in das Spiel einloggen und darin miteinander schlafen. Ein Kick, den Danny in seiner Ehe mit Theo (Nicole Beharie, Sleepy Hollow) nicht mehr wiederfinden kann, obwohl er noch immer in sie verliebt ist. Schnell werden Fragen aufgeworfen nach den Grenzen der Realität. Ist Sexualität etwas rein Körperliches? Mit Gender-Identität und fluiden Sexualitätsmodellen trifft die Episode den Zeitgeist. Damit gelingt ihr das, was Black Mirror auszeichnet: Die Serie lässt den Zuschauer nach dem Sehen so schnell nicht mehr los. Der Beat’em up-Look ist mitsamt Moveset der Kämpfer klasse getroffen und die Kampfschauplätze, die hier als Liebesnest genutzt werden, sind echte Augenweiden.
Smithereens
Mit Smithereens von Regisseur James Hawes, der auch Hated in the Nation inszenierte, geht es zurück nach Großbritannien. Das erinnert an die Anfänge der Serie (Der Wille des Volkes). In der düstersten Folge der Staffel steht Uber-Fahrer Chris (Andrew Scott, Sherlock) im Mittelpunkt. Seit Wochen lauert er vor einer Zweigstelle des fiktiven Technologie-Unternehmens Smithereen auf einen ranghohen Mitarbeiter, den er als Geisel nehmen kann um Lösegeld zu erpressen. Kaum ist der im Anzug gekleidete Jaden (Damson Idris, The Commuter) hinzugestiegen, bekommt dieser einen Sack über den Kopf und wird entführt. Dumm gelaufen für Chris: Nicht nur, dass sich Jaden als Praktikant entpuppt, auch die Polizei ist ihm schnell auf den Fersen. Diese Episode macht zu keiner Sekunde einen Hehl daraus, dass die Hauptfigur eine große Aversion gegenüber Smartphones hat. Warum das so ist, soll sich erst im Laufe der Episode erklären. Leider zahlt sich das Warten nicht aus: Die Auflösung lässt einen großen Twist vermissen und schlauer ist man danach nicht. Die Gesellschaftskritik bleibt auf der Strecke und Chris’ Geschichte ist schließlich doch ein trauriges Einzelschicksal. Der Zweck heiligt die Mittel nicht und so bleibt Smithereens ein Krimi ohne Besonderheit, der in dieser Form auch auf einem Privatsender hätte laufen können.
Rachel, Jack und Ashley Too
Die dritte Episode der Anthologie übt gleich auf mehreren Ebenen Kritik. Sie wurde von der Norwegerin Anne Sewitzky inszeniert und besitzt durch Miley Cyrus in der Hauptrolle eine besondere Strahlkraft. Leider geht die Geschichte in völliger Belanglosigkeit unter: Das graue Mäuschen Rachel (Angourie Rice, Letztendlich sind wir dem Universum egal) ist großer Fan der Sängerin Ashley O (Miley Cyrus). Damit Ashleys Fans sich ein Stück Ashley ins Haus holen können, wird der Mini-Roboter Ashley Too verkauft. Dieser kommuniziert mit seinen Käufern, gibt Plattitüden und Stylingtipps von sich. Die künstliche Intelligenz ist fortan Rachels engste Vertraute, kritisch beäugt von ihrer älteren rebellischen Schwester Jack (Madison Davenport, Sharp Objects). Die Episode kritisiert einerseits die Pop-Industrie, die nur noch nach Konzept funktioniert und immer bereits mit dem nächsten Absatz liebäugelt. Auf der anderen Seite werden künstliche Intelligenzen geprüft, die durch Teenager Idealisierung erfahren, sobald sie emotional vermarktet werden. Das sind wichtige Themen, die jedoch angesichts der sonstigen Grausamkeit digitaler Errungenschaften eher ein laues Lüftchen darstellen. Die Inszenierung gleicht einem US-Teeniefilm, insbesondere in der zweiten Hälfte, wenn ein halber Abenteuer-Trip aus der Geschichte wird. Diese Episode ist zwar absolut tauglich für das Programm von Super RTL am Nachmittag, will aber nicht ganz in das sonstige Black Mirror-Schema passen.
Fazit
Die fünfte Black Mirror-Staffel enttäuscht. Selbstverständlich muss Serien-Mastermind Charlie Brooker beim Schreiben bewusst gewesen sein, dass er sich in neues Terrain begibt. Dieses Risiko ist bei nur drei Folgen natürlich besonders hoch, während eine aus sechs Folgen bestehende Staffel mit drei Highlights gleich eine Trefferquote von 50% hat. Während Striking Vipers noch einen typischen Black Mirror-Spirit mitbringt und sogar zu den besten Geschichten der Serie zählt, flachen die anderen beiden Stories ab. In beiden dominiert zudem eine optimistische Grundeinstellung. Dabei war der Black Mirror-Tenor einst noch düster und erhob einen unsichtbaren moralischen Zeigefinger. Smithereens ist nicht beständig genug, um seine Botschaft nachhaltig zu platzieren. Rachel, Jack und Ashley Too ist ein (je nach Zuschauer) spaßiges Abenteuer, das irgendwo am Rande einen Digitalbezug besitzt, sonst aber eher Teenie-Abenteuer mit bekannten Klischees darstellt. Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau: Weiterhin gehört Black Mirror zu den besten Serien unserer Zeit. Großartig geschrieben und überdurchschnittlich stark besetzt und inszeniert.
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