Amulet – Es wird dich finden
Romola Garai ist als Schauspielerin in mehr als 30 Filmen zu sehen (etwa in Abbitte). Für Amulet – Es wird dich finden ging sie den Weg, den viele Schauspieler früher oder später gehen, und nahm auf dem Regiestuhl Platz. Doch noch viel mehr, sie selbst schrieb auch das Drehbuch für den Mystery-Horrorfilm, der seine Premiere auf dem Sundance Filmfestival feierte und im Sommer 2020 einen limierten US-Kinostart feierte. Deutsche Zuschauer dürfen den Film erstmalig auf dem Fantasy Filmfest 2020 erleben.
Tomas (Alec Secăreanu, God’s Own Country) ist ein Tagelöhner, der noch immer auf der Flucht vor seiner Vergangenheit als Soldat ist. Immer wieder holen ihn die unangenehmen Erinnerungen ein. Ein Zufluchtsort tut sich auf, als er von Schwester Claire (Imelda Staunton, Harry Potter) das Angebot erhält, einer jungen Frau im Haushalt auszuhelfen. Kurz darauf darf Thomas bei der jungen Magda (Carla Juri, Blade Runner 2049) einziehen, die mit ihrer auf dem Dachboden untergekommenen sterbenskranken Mutter zusammenlebt. Doch das Zusammenleben ist bei Weitem nicht so angenehm wie erhofft: Das Haus befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Nicht nur, dass es vollkommen dreckig ist und sich der Schimmel breit macht. Die Toilette wird von einem seltsamen Wesen verstopft. Etwas scheint hier ganz und gar nicht zu stimmen …
Ein Ex-Soldat, eine Frau und ein Monster in der Toilette
Originaltitel | Amulet |
Jahr | 2020 |
Land | Großbritannien |
Genre | Horror, Drama |
Regie | Romola Garai |
Cast | Magda: Carla Juri Tomas: Alec Secăreanu Miriam: Angeliki Papoulia Schwester Claire: Imelda Staunton Mutter: Anah Ruddin |
Laufzeit | 99 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 23. Oktober 2020 |
Neben Relic – Das Vermächtnis ist Amulet – Es wird dich finden der zweite Genre-Film auf dem Sundance Filmfestival 2020, bei dem eine Frau Regie führte. Noch immer sind Filme dieser Art in der Unterzahl, weshalb es sich umso stärker lohnt, einen genauen Blick auf den Titel zu werfen. Für ihren Debütfilm verwebte sie folklorische Mythen mit den Grausamkeiten des Krieges. Doch erst einmal geht es um die Beziehung zwischen dem traumatisierten Tomas und der kindlich-unbefangenen Magda. Sie nimmt ihn bei sich auf, nach anfänglicher Zurückhaltung entsteht Sympathie und die beiden Wohngenossen kommen einander näher. Dies geschieht in einer Gemütlichkeit, die den Eindruck entstehen lassen könnte, dass das Drehbuch nicht mehr viel anderes in petto hätte. Wären da nicht die merkwürdigen Vorfälle, denen die Story zwar Beachtung schenkt, sie aber selten größer aufpumpt als nötig. Selbst als Tomas einen merkwürdigen Fund in der Toilette macht, fährt die Geschichte anschließend wie gehabt fort.
Gemächlich schreitet die Geschichte voran
Dass das nicht ewig so bleiben wird, kündigt sich auf leisen Sohlen an. Schließlich haust Magdas Mutter nicht umsonst auf dem Dachboden und die gute Schwester Claire ist einfach ZU gutmütig. Ganz zu schweigen von dem Haus, dessen Tapeten überall abblättern. Das unangenehme Gefühl entsteht nicht nur durch die Umgebung, sondern auch durch die Bilder. Wenn Tomas am Tisch eine Mahlzeit verschlingt, dann findet das aus einem einzigen Grund besonders unapettitlich statt: Kamerafrau Laura Bellingham kennt keine Zurückhaltung, sondern kommt (gewollt) viel zu nahe. Wenn Amulet dann auf sein Finale zuschreitet, hat es bereits einige Zuschauer verloren. Die unaufgeregte Erzählweise ist in mancher Hinsicht eine Herausforderung und die Figuren entwickeln sich zu langsam, um mit großen Augen dranzubleiben. Das ist schade, denn mit Tomas’ Vergangenheitstrauma und Magdas durch ihre Mutter unterdrücktem Leben sind interessante Bedingungen gegeben.
Die Überraschung kommt erst zum Schluss
Dass der Film schließlich doch noch die Kurve kriegt, ist ein kleines Kunststück und hängt im Besonderen damit zusammen, dass Zuschauer bei all dem gemütlichen Erzähltempo nicht mehr mit viel rechnen. Doch gerade dann, wenn man meint, Amulet schon eingeordnet zu haben, dreht Romola Garai so richtig auf. Und zwar erschreckend wenig subtil, was das Gefälle zwischen Erwartung und Realität umso gravierender gestaltet. Der finale Twist wertet das Konzept in der Tat nochmals auf, ohne zur Brechstange greifen zu müssen.
Fazit
Auch Amulet ist ein Film, der dem Zeitgeist folgt und Horror mit Arthouse verschmilzt. Des einen Freud ist des anderen Leid: Die langsame Erzählstruktur erfordert Sitzfleisch. Wer einen klassischen Horrorfilm sucht, wird mit diesem Titel nicht glücklich werden. Dafür reichen die letzten fünf Minuten alleine nicht aus. Viel mehr verbirgt sich der Horror in der vergifteten Atmosphäre, die von Beginn an herrscht. Aber das bleibt wie so vieles im Film wenig greifbar. Das beginnt bereits mit der Geschichte selbst, die sich nur schwer in einen Kontext bringen lässt und wie aus der Zeit gefallen wirkt.
Ab 23. Oktober 2020 im Handel erhältlich: