Der Dunkle Turm (Band 2): Drei
Was machen ein verletzter Cowboy, ein drogenschmuggelnder Junkie und eine Farbige im Rollstuhl mit multipler Persönlichkeit in einem Abenteuer? Wer eine Antwort darauf möchte, muss zu Drei, dem zweiten Band der Der Dunkle Turm-Saga von Bestsellerautor Stephen King (Mind Control), greifen. Denn dort müssen diese drei Figuren zusammenfinden, wofür sie viele Probleme aus dem Weg räumen müssen: Verschiedene Dimensionen auf unterschiedlichen Zeitachsen, eine Mafiafamilie, Killer-Monster-Hummer und Gefahr aus den eigenen Reihen. Erst fünf Jahre nach der Vollendung von Schwarz folgte der nächste Band, der dafür doppelt so dick daher kam. Noch heute zählt er unter den Lesern zum besten Teil der Saga.
Nach seinem langen Palaver mit dem Mann in Schwarz erreicht Roland das Meer. Vor Erschöpfung bricht er regelrecht zusammen und erwacht erst, als ihn ein riesiger Monsterhummer Finger von der rechten Hand abschneidet. Gerade so kommt der Revolvermann mit seinem Leben davon, doch es breitet sich langsam aber stetig eine Infektion in seinem Körper aus. Unbeirrt zieht er am Strand entlang. Die Prophezeiung, die er mit auf den Weg bekommen hat, erwähnt Türen, durch die er gehen muss, um seine Gefährten zu finden. Ohne sie wird er den Dunklen Turm niemals erreichen. Roland beißt die Zähne zusammen und findet die erste Tür mit der eingravierten Inschrift: Der Gefangene. Er weiß nicht was ihn auf der anderen Seite erwartet wird, doch ihm bleibt nicht viel Zeit, denn sein Leben hängt an einem dünnen Faden. Schwach wie er ist, öffnet er die Tür und befindet sich über den Wolken.
Der Gefangene
Keine Abenteuergeschichte darf ohne Gefährten auskommen. Da Roland im ersten Band Schwarz den Jungen Jack aufgeben musste, reist er das letzte Stück alleine. Durch das Dämonenorakel weiß der Revolvermann, dass er sein Ziel nicht ohne Hilfe erreichen kann. Allerdings ist die Prophezeiung sehr kryptisch ausgefallen, weswegen er und der Leser gespannt sind, was passieren wird. King wartet nicht lange und erlöst den Leser von seiner Neugier: So findet Roland am Strand des westlichen Meeres nach nur wenigen Seiten die erste Tür. Es wirkt zuerst abstrus, denn es handelt sich wirklich um eine schlichte Holztür, die in der Luft zu hängen scheint und die große Erwartungen weckt. Was verbirgt sich dahinter? Und vor allem: Wen wird Roland auf der anderen Seite finden? Roland hat angesichts seines Zustandes keine andere Wahl als nachzusehen, daher öffnet er das Portal und landet im Kopf seines ersten Zielobjektes.
Willkommen in New York
Ja, richtig gelesen. Nur seine Seele ist auf der anderen Seite gelandet und noch dazu in einem fremden Körper. Wer hier nicht nur passiv mitliest, sondern sich den weiteren Ablauf vorzustellen versucht, wird hier vor eine Vielzahl von möglichen Handlungsverläufen gestellt. Rolands Körper liegt schutzlos am Strand, der nachts von gefährlichen Hummerwesen überrannt wird. Das knappe Zeitfenster zwingt zum schnellen Handeln. Auch Eddie, in dessen Kopf sich Roland wiederfindet, kämpft mit seinen Problemen. Er hockt gerade in einem Flugzeug und hat mehrere Kilo Kokain an seinem Körper befestigt. Ein Mafiaboss wartet sehnsüchtig auf seine Lieferung ohne deren Übergabe einige Köpfe rollen würden. Da ist der von Eddies Bruder Henry in der Rechnung eingeschlossen. Eine einfach Lösung à la “Roland zieht Eddie durch die Tür, welche weiterhin für ihn sichtbar hinter ihm liegt “, geht also nicht. Gekonnt sind die beiden Schicksale der Charaktere miteinander verwickelt, was den Leser regelrecht dazu zwingt, Drei nicht mehr aus der Hand zu legen.
Welten prallen aufeinander
Originaltitel | The Dark Tower: The Drawing Of The Three |
Ursprungsland | USA |
Jahr | 1987 |
Typ | Roman |
Bände | 2 / 8 |
Genre | Western, Fantasy |
Autor | Stephen King |
Verlag | Heyne |
Bewundernswert ist es, wie der Autor es trotz der umfangreichen Handlung noch schafft, der neuen Figur Farbe zu geben. Ein Teil davon kommt daher, dass der Blickwinkel ab sofort hin und her springt. Die Wechsel zwischen Roland und Eddie werden schnell normal, es bleibt aber nicht nur bei den beiden. Durch die Perspektiven von anderen Figuren entsteht gerne einmal eine gewisse ironische Situation, bei der der Leser dank besserer Übersicht seinen Spaß hat. Ein kleines, harmloses Beispiel: Die Flugbegleiterin denkt, dass Eddie ein Terrorist ist, weil er sich komisch verhält. Ohne das Eindringen Rolands würde unser Junkie nicht in dieser Klemme stecken, ohne den Revolvermann wird es ihm jedoch nicht gelingen, an der Zollkontrolle vorbeizukommen.
Partner wider Willen
Trotz der angespannten Situation darf der Leser sich auf Humor freuen. Für Roland ist es ein regelrechter Kulturschock, den er hier erlebt und so kommt es zu verzwickten Situationen, wenn er Wörter nicht kennt oder seine eigenen benutzt. Was für viel Unterhaltungswert sorgt, sind die zwei komplett verschiedenen Charaktere, die sich hier einen Körper teilen müssen. Eddie ist eine Quasselstrippe, Kind der 80er mit all seinen Filmen (es folgen einige Zitate!) und noch dazu Junkie auf Entzug. Einfach gesagt: eine eher ungewöhnliche Figur für ein Fantasyepos. Doch weiß der Leser seit dem ersten Band, dass hier nie etwas klassisch erzählt wird. Die Chemie zwischen den Charakteren stimmt von der ersten Zeile an und es stellt sich kaum die Frage, warum der Revolvermann so einen Mann als Gefährten bekommen soll.
Die Herrin der Schatten
Nach dem Finale von Eddies Abschnitt — das jedem Mafiafan Freudentränen in die Augen treiben wird — geht es spannend weiter. Tür Zwei rückt schnell nach. Doch wer denkt, dass hier ein ähnlicher Ablauf wie bei unserem Lieblings-Junkie kommen wird, den überrascht King ordentlich: Wir verweilen nur kurz im New York der 60er, einer Zeit des Rassismus, und lernen Odetta kennen, die auch nicht dem klassischen Bild einer Fantatasyeposfigur entspricht. Abwärts ihrer Knie fehlen ihr die Beine und ihre gespaltene Persönlichkeit ist ihr nicht bewusst — jedoch merkt Roland diese Krankheit schnell, denn was da noch in seiner neuen Freundin steckt ist rassistisch, mordlüstern und extrem gewieft. Als wenn es nicht schon genug Probleme gäbe! Die Zeit drängt weiterhin, daher müssen Notlösungen her, bei denen klar ist, dass sie nicht ausreichen. Richtige Lösungen werden erst im Finale präsentiert, für das sich Stephen King einiges hat einfallen lassen: Es kommt zu einem Wiedersehen, Zeitreisethematik, Seelenrettung und dem Besuch eines Revolvermanns in einem New Yorker Waffenladen. Klingt komisch? Ist es auch! Aber es ist ein bunter Mix, wie es ihn kaum ein zweites Mal zu lesen gibt. Kreativität kennt wirklich keine Grenzen und das beweist der zweite Band der Dunklen Turm-Saga auf grandiose Art.
Die Verknüpfungen
Ab diesem Band baut Stephen King eine seiner Vorlieben ein: Er verknüpft, dass sich die (Turm-)Balken biegen! Das Buch Die Augen des Drachen, welches kurz vor Drei erschienen ist, besitzt bereits eine Verbindung zum Dunklen Turm. Diese wird hier vertieft, da sich Roland an ein Geschöpf namens Randall Flagg erinnert (diesen Namen trägt ebenfalls eine Figur aus The Stand – Das letzte Gefecht). Eddie, der ein Filmgeek ist, haut an einer Stelle raus, dass diese Situation ihn an Shining erinnert. Und auch Atlantis wird mit einem kleinen Lied gedacht, das von zwei Figuren gesungen wird. Zum Verständnis der Handlung sind diese Verknüpfungen nicht relevant. Sie sind jedoch ein Fanservice.
Die Fortsetzung mit ihrer steinigen Entstehungsgeschichte
1982 erschien Schwarz und schon damals hatte Stephen King die ersten 40 Seiten der Fortsetzung fertig, die noch unter dem Namen „Roland wählt Drei“ lief. Leider sind diese Seiten spurlos verschwunden. Sie einfach neu zu schreiben ging auch nicht, da King selbst noch nicht wusste, wie es wirklich weiter gehen sollte. Er hatte im ersten Band so viele Dinge erwähnt, für die er noch keine Lösung kannte (zum Beispiel, wie Rolands Freunde umgekommen sind oder wer oder was Susan ist). Durch den Verlust der Seiten ging zwar nicht alles verloren, aber das Projekt ruhte erst einmal. Mit der höheren Auflage von Schwarz nahmen die Leserbriefe immer mehr zu, sodass King sich irgendwann gezwungen sah, sich wieder mehr mit dem Dunklen Turm zu befassen. Deswegen nahm er das Schreiben an seinem Epos wieder auf und verfasste den Band, der bis heute am meisten von den Fans geliebt wird. Bei einem Interview musste der Autor sogar lachen, denn er gestand, dass seine Kinder Drei auch am besten finden. Neben der spannenden Handlung und den interessanten Figuren kehrt er zu seinem gewohnten Schreibstil zurück. Dadurch liest sich die Geschichte wesentlich flüssiger. Rolands „Hohe Sprache“ ist trotzdem weiterhin vorhanden, da sie einem das Gefühl gibt, in einer anderen Welt zu sein.
Fazit
Auch für mich ist Drei mein Lieblingsband der Reihe, weil hier meiner Meinung nach einfach alles stimmt. Wenige Verschnaufpausen und selbst die Aufbauphasen sind interessant gestaltet, sodass nie das Gefühl entsteht, dass sich die Geschichte zieht. Es rutscht einfach alles so sehr, dass ich mich sogar erschrecke, wenn ich nach nur einer kurzen Lesephase schon wieder 100 Seiten weiter bin. Rolands Reisen in die anderen Welten bieten unendlich viel Spaß. Außerdem tauchen hier keine 08/15 Figuren auf, sondern ausgefeilte Charaktere, die abseits der Norm zu finden sind. Alleine die Idee, solche Personen für dieses Abenteuer zu wählen, zeugt in meinen Augen von schreibtechnischem Mut. Eddie habe ich von der ersten Minute an ins Herz geschlossen. Ich liebe seine Kommentare und wie er vor allem nicht einfach so klein beigibt und selbst Roland die Stirn bietet.
© Heyne Verlag
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