Vinland Saga (Staffel 2)

Ganze vier Jahre segelte Regisseur Shuuhei Yabuta (Kabaneri of the Iron Fortress) durch die offenen Arbeitsmeere, auf der Suche nach einem sicheren Hafen, um dort eine zweite Staffel Vinland Saga zu produzieren. Studio MAPPA (Jujutsu Kaisen) erhörte ihn und seine Mannschaft. So stach Vinland Saga im Januar 2023 ein zweites Mal in See und erreichte im Juni 2023 sein Staffelziel. Darin erleben wir nicht nur die Machtergreifung eines jungen Königs und das Schicksal eines in die Sklaverei gekommenen Engländers, sondern auch den Sinneswandel eines blutigen Kriegers. Ob der folgende Arc, den Fans der gleichnamigen Vorlage von Makoto Yukimura (Planets) gerne als „Farmland Saga“ betitelt, ebenfalls Zuschauende begeistert, verraten wir in unserem Review. Vor allem mit Blick auf den Studiowechsel und die zwei deutschen Sprachfassungen.

Nachdem Thorfinn den neuen König Knut angegriffen hatte, verbannte dieser ihn als Strafe in die Sklaverei. Dadurch landete der Isländer auf dem sehr großen Hof des Bauern Ketil. Seitdem zogen einige Jahre ins Land. Eines Tages bringt sein neuer Meister den Nordengländer Einar mit, der ihm helfen soll, ein Waldgebiet in fruchtbares Ackerland umzuwandeln. Mit dem Ertrag können sich die beiden freikaufen. Also ein lohnendes Ziel, was Einar sehr motiviert. Gemeinsam machen sie sich an die Arbeit. Dabei strengt nicht nur das Baumfällen an, sondern auch die Mobbing-Angriffe der Mitarbeiter, die ihnen das Leben zur Hölle machen. Währenddessen wiegt die Krone schwer auf Knuts Haupt. Denn obwohl der junge König Kriege hasst, muss er genau diese führen, um seinem Ziel – das Paradies auf Erden – näherzukommen. Wie das Schicksal so will, werden sich Knut und Thorfinn erneut wiedersehen. Jedoch auf einem Schlachtfeld.

Der Weg des wahren Kriegers

Originaltitel Vinland Saga
Jahr 2023
Episoden 24 (in Staffel 2)
Genre Action, Historie, Drama
Regie Shuuhei Yabuta
Studio MAPPA
Veröffentlichung: 19. Juni 2023 auf Netflix & Crunchyroll

Während die erste Staffel als Prolog gilt, geht es im zweiten großen Abschnitt ans Eingemachte, beziehungsweise jetzt so richtig an die Charakterentwicklung von Thorfinn. Immerhin muss sich aus einem von Rache getriebenen Jugendlichen ein Mann entwickeln, der nach Amerika segeln will. Da sollte schon einiges passieren! Genau diese bewegende Charakterstudie präsentiert der Abschnitt in all seiner Dramatik. Von Albträumen geplagt und dem Leben entsagt, zeigt sich uns ein junger gebrochener Mann, der unter dissoziativer Amnesie leidet. Und hier kommt der braunhaarige Einar ins Spiel. Durch die Wikinger verlor er seine Familie und steht damit auf der Seite des Lebens, die Thorfinn viel zu oft selbst zerstörte. Wie gerade diese beiden so unterschiedlichen Figuren aneinandergeraten, sich zusammenraufen und sogar Freunde werden, lädt zu einer ergreifenden Reise ein, welche mit vielen Gänsehautmomenten aufwartet.

Von den Herren und Sklaven

Doch nicht nur diese beiden ergreifenden Schicksale erzählt Vinland Saga. Der Ketilhof ist ein Ort verschiedener tragischer Ereignisse. Angefangen bei der schönen Sklavin Arnheid, die stellvertretend für die Frauen der damaligen Zeit steht. Als Spielball in einer Welt der Männer verlor auch sie alles und doch ist da dieser eine Funken Hoffnung, der allerdings in einem emotionalen Trauerspiel erlischt. Da sich die Handlung für alle Figuren viel Zeit nimmt, wachsen diese einem sehr ans Herz. Vor allem, weil Drehbuchautor Hiroshi Seko (Chainsaw Man) viele passende Ergänzungen einfügt, wodurch Figuren noch mehr Tiefe gewinnen. Gerade deswegen treffen die dramatischen Momente so richtig ins Schwarze und sorgen dafür, dass auch vor dem Bildschirm Tränen fließen. Selten gab es solch ein auf den Punkt gebrachtes erwachsenes Drama in seiner höchsten Form innerhalb einer Anime-Serie. Diese Staffel darf sich dieses Prädikat allerdings ins Schwert eingravieren.

Eine kleine Geschichtsstunde

Das zweite große Handlungsschiff segelt mit König Knut durch die interessanten geschichtlichen Ereignisse dieser Zeit. Der englische Adel gibt noch nicht klein bei, außerdem wären da noch Knuts Bruder Harald, ebenfalls König, und die Krieger, die keinem Schwachen folgen. Viele spannende Konfliktpunkte, die allesamt einer Lösung bedürfen. Dabei wandelt sich unser ehemaliges „Prinzesschen“ zu einem fazinierenden, knallharten Strategen und Intriganten. Mord steht dabei an der Tagesordnung! Dass dieser Charakter trotz allem nie seine Sympathien verliert, ist ein Tanz auf Messers Schneide, der glückt. Schließlich leidet Knut unter seinen Taten und tut alles auch nur für eine bessere Zukunft. Interessant ist dabei der starke Kontrast zu Thorfinn, der zur gleichen Erkenntnis kommt, aber einen ganz anderen, oft überraschenden Weg einschlägt. Das Zusammentreffen dieser beiden fließt in einem genialen Höhepunkt zusammen.

Und wo ist die Action geblieben?

Der von den Manga-Fans oft liebevoll genutzte alternative Titel „Farmland-Saga“ kommt vorwiegend daher, dass Kämpfe eher eine Seltenheit darstellen. Das bedeutet nicht, dass es gar keine gibt, aber, dass im Gegensatz zum Prolog Klingen eher weniger zum Einsatz kommen. Wenn dann diese ihre Scheiden verlassen, folgte gerne ein Fest für die Augen. Schließlich ist und bleibt Thorfinns Kampfstil flink und sorgt für tolle Kamerafahrten. Ohne zu spoilern: Unser Held trifft auf einen Krieger, der es wirklich sehr gut mit ihm aufnehmen kann und das gerade in seinem Spezialfeld. Sehenswert. Außerdem baut sich zum Finale eine große dramatische Schlacht auf. Vinland Saga verherrlicht den Kampf aber nicht, sondern zeigt ihn in seiner vollen Härte und mit den damit verbundenen Konsequenzen. Allgemein lassen uns die Bilder in die damalige Zeit abtauchen. Ob es nun das „friedliche“ Bauernleben oder die Härte des Krieges sind – das Leben war damals nicht einfach.

Das Farbspiel des Lichts

Der Studiowechsel von Wit Studio zu Studio MAPPA macht sich in keiner Weise bemerkbar. Das liegt vor allem daran, dass fast die komplette Crew die Umsiedelung mitmachte. Kein Wunder, denn viele der Mitarbeitenden sind Fans der Vorlage, und so entwarf Takahiko Abiru erneut das originalgetreue Charakter-Design, bei dem gerade Thorfinns Haare eine eigene Geschichte erzählen. Ein besonderes Lob geht an das Team der Farbgestaltung. Ob Sonnenauf- und -untergänge, Nachtszenen mit Fackelschein oder dämmrige Morgenszenen – die unterschiedlichen Ausleuchtungen geben eine extra Portion Gefühl dazu. Alleine der rötliche Sonnenuntergang bei einer Verhandlungsszene könnte passender nicht sein. Ansonsten sind die Hintergründe sehr detailliert und fast schon greifbar und die Kampfszenen extrem spektakulär animiert. Visuell bleiben einfach keine Wünsche offen.

Wenn Walküren singen

Erneut verantwortlich für den Soundtrack ist Yutaka Yamada (Great Pretender), der wieder einmal ein Händchen für die verschiedenen Stimmungslagen beweist. Viele seiner Stücke sorgen schon für Gänsehautmomente. In Sachen Opening stimmt zuerst Anonymouz mit „River“ die Anime-Serie ein und gibt den Staffelstab dann an Survive Said The Prophet ab, die mit „Paradox”, einen erstklassigen Rocksong abliefern, welcher sich übrigens mit einer sehr tollen Bildsprache voller Symbolen präsentiert. Gefühlvoll beendet „Without Love” von LMYK zum ersten und haju:harmonics mit “Ember” zum zweiten sehr episch die hintere Hälfte der Staffel.

Gleich zwei deutsche Sprachfassungen

Der zweite Streich von Vinland Saga lief diesmal gleichzeitig auf Netflix und Crunchyroll. Beide Anbieter boten recht schnell auch eine deutsche Synchro an, wobei für beide René Dawn-Claude das Dialogbuch schrieb, aber nur für den ersten Anbieter auch die Regie übernahm. Große Unterschiede machen sich bei den Sprechenden bemerkbar. Viele bekannte Namen gingen ans Mikrofon und für viele ist es jetzt eine reine Sache des Geschmacks, welche Stimme für welchen Charakter besser passt. Schön ist jedoch, dass Nico Sablik Thorfinn wieder in der Netflix-Version sprechen durfte und es so keine Umstellung in Hinblick auf Staffel 1 für uns gibt. Bei Crunchyroll hören wir Tommy Morgenstern. Ein klasse Sprecher, ohne Frage, aber zu 100 Prozent will er nicht so gut passen wie Sablik. Wobei gerade sein japanischer Sprecher Yuuto Uemura nicht in Vergessenheit geraten darf, denn der liefert ebenfalls eine erstklassige Stimmshow ab. Insgesamt punktet die etwas später gestartete Netflix-Synchronisation mehr in Sachen Klang und Qualität.

Fazit

Die zweite Staffel von Vinland Saga reißt uns mit einem emotionalen Strudel in die Tiefe. Dabei ist kein Entkommen möglich. Das Schicksal der verschiedenen Figuren lässt einen nämlich einfach nicht kalt. Angefangen bei Thorfinn, der für seine Taten zu sühnen beginnt, oder Knut, dem sein moralischer Kompass durchdreht, über Arnheid, die das Schicksal schwer trifft. Viele Nebenfiguren vertieft die Geschichte so sehr, dass wir auch bei ihnen mitfiebern und sehr mitleiden, denn eines steht hier auf dem Programm: Drama deluxe und in Perfektion. Allgemein passt das Wort “perfekt” in allen Belangen. Die Story bietet eine Vielzahl toller Wendungen, sympathische und vor allem lebendige Figuren tauchen in einer visuell atemberaubend gestalteten Welt auf, die sich musikalisch mit harmonischen Klängen präsentiert. Gerade das Optische und Hörbare heben die Geschichte auf ein noch höheres Level, das die Serie dank den vielen passenden Storyerweiterungen zu einer erstklassigen Umsetzung macht.

© Crunchyroll, Netflix

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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