Vinland Saga
Fast 250 Jahre plünderten, versklavten und brandschatzten sie: Die Wikinger. Doch trotz des Schreckens, welchen sie verbreiteten, verdanken wir ihnen auch viele neue Handelsrouten und Entdeckungen neuer Inseln oder gar Kontinente, denn sie waren unerschrockene Seefahrer. Makoto Yukimuras (Planetes) Manga Vinland Saga erzählt die verwegene Lebensgeschichte eines Mannes, der in solchen Zeiten aufbrechen möchte, um ein neues Paradies zu finden. Viele Jahre lang wünschten sich Fans eine Animeumsetzung. Ihr Flehen wurde 2019 endlich von Studio Wit (Attack on Titan) erhört, das sich nicht scheute, die detaillierte Vorlage zu animieren. Dabei erzählt die erste gleichnamige Anime-Staffel wie ein kleiner Junge in ein viel zu großes, brutales Abenteuer gerät. Setzten wir also ebenso die Segel und brechen gemeinsam mit ihm nach England auf. Seit dem 7. April 2022 liegt dank Kazé Anime das erste Volume nämlich mit deutscher Tonspur bei uns im Schiff.
Im Jahr 1002 herrscht ein harter Winter auf Island. Für den Jungen Thorfinn besteht der Tag daher aus vielen Arbeiten, damit er und seine Familie über den Winter kommen. Doch eines Abends erzählt der erfahrene Seemann Leif Erikson von dem weit entfernten fruchtbaren Ort Vinland, den der Junge nie wieder vergisst. Eines Tages ankert ein Wikingerschiff im kleinen Hafen und der Kommandant an Bord Floki, spricht mit seinem Vater Thors. Wie sich herausstellt, war dieser einst ein gefeierter Held der Jormswikinger, doch Thors desertierte. Da aber der dänische König bald Krieg gegen England führen möchte, setzt sein ehemaliger Anführer seine Strafe aus, wenn er sich daran beteiligt. Thors bricht wenig begeistert einige Tage später mit einem Schiff und ein paar jungen Männern auf. Mit an Bord: sein Sohn Thorfinn, der sich in einem Fass versteckte. Floki beauftragt indessen die Söldnergruppe rund um den schlauen Askeladd dazu, Thors umzubringen, was diese durch eine Falle auch hinbekommen. Geschockt schwört daraufhin Thorfinn Rache an Askeladd, nichts ahnend, welche Reise er damit anfängt.
Fiktion trifft Realität
Originaltitel | Vinland Saga |
Jahr | 2019 |
Episoden | 24 (in Staffel 1) |
Genre | Action, Historie, Drama |
Regie | Shuuhei Yabuta |
Studio | Studio Wit |
Veröffentlichung: 7. April 2022 |
Nach einer fulminanten Eröffnungsschlacht erzählt Vinland Saga vom harten Leben in Island. Dabei gehört der ständige Kampf gegen die Witterungen genauso dazu, wie die häufige Sorge über einfallende Feinde. Der damalige Sklavenhandel macht uns klar, dass damals ein Menschenleben nicht viel wert war. Gerade deswegen klingt der Ort Vinland wie ein unglaubwürdiges Paradies, beachten wir die damaligen Verhältnisse. Doch genau das sorgt dafür, dass wir das Strahlen in den Augen des Jungen nachvollziehen können. Die komplette Bedeutung eines solchen Platzes auf Erden versteht Thorfinn aber noch nicht, denn er kennt nur die kleine Insel und fragt sich deswegen auch gerne einmal durch. Das sorgt dafür, dass sich für uns schnell ein stimmiges Gesamtbild über diese Epoche ergibt. Im Laufe der Handlung erfahren wir, welche geschichtlich wichtigen Ereignisse den Lauf der Zeit damals beeinflussten, da Mangaka Makoto Yukimura seine fiktive Geschichte mit realen Ereignissen vermischte. So lernen wir unter anderem Personen kennen, die zu der Zeit existierten, wie Leif Erikson oder das dänische Königshaus.
Es ist noch nicht seine Geschichte
Thorfinn selbst ist einem Seefahrer nachempfunden, der wirklich lebte, doch da Vinland Saga bei seinen Kindertagen anfängt, liegt eine Reise nach Vinland noch in weiter Ferne. Viel eher gerät der Junge in eine viel zu große Geschichte hinein, in der er selbst nur eine kleine Figur darstellt. Verblendet vom Hass und immer wieder erschüttert vom Verlust, lernt der kleine Isländer erst einmal in der rauen Welt der Wikinger zu überleben. Das bedeutet nicht nur zu kämpfen, sondern auch die Werte seines Vaters zu vergessen. Dieser schätzte das Leben anderer und weigerte sich, weitere Menschen umzubringen. Für uns stellt es auf der einen Seite eine verständliche Entwicklung dar, aber eine, die wir nicht gutheißen, denn auf seinem Weg zum Ziel geht Thorfinn über Leichen. Trotzdem verliert das Drehbuch von Hiroshi Seko (Ajin) nie aus den Augen, sympathische Szenen zu zeigen. Vor allem in Momenten, in denen sich der Junge einsam zurückzieht, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen, möchten wir ihn am liebsten eine tröstende Hand reichen.
Mit Schwert, Charme und Schläue
Um seine Rache zu bekommen, möchte Thorfinn ein anerkanntes Duell gegen Askeladd. Dieses gewährt ihm der erfahrene Söldner aber nur, wenn er sich als nützlicher Krieger in seiner Gruppe bewährt. Infolgedessen kommt es nicht ständig zu Konfrontationen, wenn doch, dann gestalten sich diese aber als besonders sehenswert. Viel eher nutzt er den Jungen aus, zeigt aber immer wieder eine Art weiche Seite, denn er könnte den Isländer immer wieder töten, was er aber nicht tut. Die manipulative Beziehung, die Askeladd zu Thorfinn hat, zeigt sich im Laufe als viel komplexer. So setzt der blonde Mann immer wieder auf die wachsenden Fähigkeiten des Jungen, vor allem als dieser zum Teenager heranwächst. Wir entdecken im Laufe eine Vielzahl an Charaktereigenschaften bei diesem Schlitzohr. So ist er ein abgeklärter, schlauer, ehrgeiziger Mann mit vielen Geheimnissen und obwohl das Drehbuch ihn als Antagonisten in die Geschichte schrieb, fällt es uns schwer, seinem Charme nicht zu verfallen.
Der Krieg um England
Als Söldnergruppe kommt Askeladds Truppe viel herum. Vinland Saga nutzt diesen Zustand, um sehr realitätsnah zu erklären, wie Thorfinn zum Krieger heranwächst und seine ersten Lorbeeren einheimst, aber auch das ein oder andere Mal dem Tod von der Schippe springt. Unter anderem dürfen wir dabei sein, wie die Gruppe auf gewiefte, spaßige Art in der Normandie zu einer goldenen Nase kommt. Ganz langsam schleicht sich dabei ein viel größerer Handlungsbogen hinein, denn der Krieg um England nimmt packende Züge an. Schlachten stehen daher langsam an der Tagesordnung, was bedeutet, dass Actionherzen höher schlagen werden. Gerade Thorfinns schneller, wendiger Kampfstil gegen viel größere Gegner sorgt für regelrechte Wow-Momente. Zu einem reinen Gemetzel verkommt der Titel dabei nicht, denn neben dem Kampf führen die Krieger auch tiefsinnigere Gespräche. Unter anderem ist das Christentum auf dem Vormarsch, welches komplett andere Werte vermittelt. Das bringt dann selbst den größten Krieger zum Nachdenken. Selbst Thorfinn denkt hin und wieder über die Werte seines Vaters nach, von denen er sich fast gänzlich abwendete.
Ihn möchten Männer nicht als Gegner haben!
Mit einem neuen Handlungsabschnitt führt Vinland Saga natürlich neue Figuren ein. Deswegen lernen wir zum Beispiel den Hünen von einem Mann, Thorkell, kennen. Dieser einnehmende Charakter trägt seine Emotionen nach außen hin und bleibt seinen Werten immer treu. So liebt er die Schlachten, möchte diese aber fair gewinnen. Unter anderem stellt er sich zum Beispiel auf die Seite der Engländer, um so gegen die starken Dänen kämpfen zu können, was ihn natürlich bei seinem ehemaligen Chef König Sven nicht sehr beliebt macht. Wer glaubt, dass der Riese nur aus Muskeln besteht, wird von der Story im Laufe der Folgen eines Besseren belehrt. So fällt Thorkell nicht auf den Mund und erst recht nicht auf den Kopf. Dass ihm seine Männer unerschrocken folgen, versteht sich daher ebenso fast von selbst wie, dass schlaue Leute wie Askeladd ihm Respekt zollen. Als übertrieben lassen sich seine gewaltigen Angriffe zählen, denn da spießt er mit einem Speer einmal locker drei Leute auf!
Königliches Roulette
In eine ganz andere Kerbe schlägt der dänische Prinz und Thronanwärter Knut. Schweigsam, schüchtern und ängstlich präsentiert er sich und noch dazu mit einem Aussehen, bei dem Frauen neidisch werden. Jedoch durchläuft der ebenso blonde Jugendliche eine der interessantesten sowie unerwarteten Charakterentwicklungen.
Emotionales Farbenspiel
Studio Wit leistete eine wunderbare Arbeit auf optischer Ebene. Nicht nur die extrem detaillierten Zeichnungen des Mangakas wurden vom Produktionsteam eins zu eins übernommen. Nein, denn durch ein Farbspiel, das die Stimmungen der einzelnen Szenen noch Intensivierte, schuf das kreative Team ein wunderbares Sehvergnügen. Da wird ein dunkler, winterlicher Sonnenuntergang genutzt, um Askeladds Härte zu verdeutlichen oder aber ein Schneefall begleitet die Einsamkeit eines traurigen Jungen. Noch dazu laden die gemäldeartigen Hintergründe zum Verweilen ein. Da verzeihen wir es, dass das Meer und seine tosenden Wellen oft am Computer entstanden. Die ausgefeilten, oft sehr flüssig animierten Kämpfe sind ein Highlight, jedoch konnte das Studio den hohen Qualitätsanspruch nicht komplett durchhalten, daher gibt es unglücklicherweise in einigen Folgen ein paar nicht ganz so hervorragend gezeichnete Szenen. Wirkliche Animationsunglücke (ganz komische Bewegungen oder sehr unsaubere Gesichtszüge) bleiben uns aber erspart.
Die Liebe zum Detail
Wer sich mit der damaligen Zeit auskennt, wird mit diesem Anime seine Freude haben. Nicht nur wegen der real existierenden Figuren, sondern wegen der vielen optischen Kleinigkeiten. So trägt jeder von Askeladds Männern seine eigene Kleidung und dass Knut von königlichem Blut abstammt, erkennen wir anhand seines prächtigen Mantels sowie an dem langen Kettenhemd. Gerade Letzteres konnten sich nur Leute mit mehr Geld leisten. Muster in den Schiffen, unterschiedliche Frisuren und ein authentisches Waffendesign runden die hochwertigen Bilder perfekt ab. Zusammen mit der Japan Viking Association tauchte das Produktionsteam rund um Regisseur Shuuhei Yabuta (Inuyashiki: Last Hero) zur Vorbereitung in die Wikingerzeit ein, was wir in jeder Folgen spüren. Daher passt auch das Verhalten der Figuren aus dieser turbulenten Zeit, wenn zum Beispiel Krieger von Walhalla schwärmen oder zu ihren nordischen Göttern beten.
Vom Dudelsack und Walkürengesang
Was wäre ein Anime ohne seinen Soundtrack? Es würde definitiv etwas fehlen und Vinland Saga kann sich glücklich schätzen, einen abwechslungsreichen komponiert bekommen zu haben. Yutaka Yamada, der für seine Tokyo Ghoul-Soundtracks bekannt wurde, zeigt hier erneut sein Können, denn gewaltige Schlachtklänge treffen auf sanfte Klavierstücke. Eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente kam zum Einsatz, sodass die damalige Zeit auch klangtechnisch wiedererweckt wird. Dieser emotional mitreißende Soundtrack braucht insgesamt den Vergleich mit Hollywood-Soundtracks à la Gladiator oder Braveheard nicht zu scheuen. Ebenso passend sind die zwei rockigen Openings: Survive Said The Prophet mit „MUKANJYO“, sowie „Dark Crow“ von MAN WITH A MISSION mit Dudelsack-Intro. Das erste sanfte Ending stammt aus der Feder von Aimer, deren Song „Torches” selbst den stärksten Krieger berührt. Nicht ganz mithalten kann milets Stück “Drown”, da es vor allem optisch eher langweilig daher kommt.
Von alten und jungen Männern
Abgerundet wird die Klangwelt durch eine ausnahmslos gut besetzte Sprecher-Riege, im Japanischen wie im Deutschen. Richtig viel Spaß hatte Naoya Uchida (Nobunaga in Drifters) als schlitzohriger Söldnerchef Askeladd, doch auch Torsten Michaelis (deutsche Stammstimme von Sean Bean) geht in dieser Rolle auf. Genauso viel Vergnügen hatte wohl auch Akio Ootsuka (Grübchen in Mob Psycho 100) als Hüne Thorkell, mit dessen unterschiedlichen Stimmlagen. Als sein deutschen Gegenstück ging Johannes Berenz (Makio Inoue in Gipfel der Götter) ans Mikrofon. Für den jugendlichen Thorfinn dürfen sich Yuuto Uemura (Atsushi in Bungou Stray Dogs) und Nico Sablik (deutsche Stammstimme von Chris Pine) vor Wut mehrfach die Seele aus dem Leib brüllen. Kenichirou Matsuda (Batou in Ghost in the Shell: Arise) erklingt als Thorfinns Vater Thors, bzw. Matti Klemm (All Might in My Hero Academia), und Kensho Onos (Tetsuya Kuroko in Kuroko’s Basketball alias Patrick Baehr (Chifuyu Matsuno in Tokyo Revengers) dürfen im Gegenzug der Wandlung des Charakters Knut den letzten Schliff geben. Selbst kleinere Nebenrollen sind liebevoll vertont und auch das Dialogbuch von René Dawn-Claude verdient ein Lob.
Fazit
Bei Vinland Saga werden nicht nur Fans historischer Settings fündig, sondern auch Zuschauende, die eine ruhig erzählte, ausführliche Geschichte mögen. So verstecken sich hinter dem anfänglichen Racheplot ein Ränkespiel der Macht und eine Handlung über das Sein eines Kriegers, welches so nicht erwartet wird. Das Drehbuch von Hiroshi Seko geht dabei auf viele Dinge ein und entführt uns damit regelrecht in eine andere Zeit. Dabei überraschen nicht nur Handlungswendungen, sondern vor allem die Figuren. Gerade Söldner Askerladd entpuppt sich schnell als interessanter Schlaufuchs mit vielen Facetten. Die fulminanten Kampfszenen laden hingegen zum Staunen ein. Studio Wit setzte dabei die Vorlage so originalgetreu um, dass keine Wünsche mehr offen bleiben. Detaillierte Hintergründe, viele kleine Details beim Charakter-Design und ein epischer Soundtrack runden die Sache einfach perfekt ab. Vor den japanischen wie vor den deutschen Sprechenden ziehe ich meinen Helm, wodurch sich diese Staffel zu Recht Lorbeeren erbeutet.
© Kazé Anime
Veröffentlichung: 7. April 2022
Nachdem mich der Manga bereits begeistert hatte, habe ich natürlich kräftig die Daumen für eine Animeumsetzung gedrückt. Dann war es endlich soweit. Ich schaue in die erste Folge rein und war hin und weg. Es passt einfach alles. Von den Stimmen über die Landschaft/Hintergründe bis hin zur Grafik. Hier wurde so viel Liebe ins Detail gesteckt und die Panels teilweise eins zu eins übernommen. Dazu noch das Opening, das mir sofort Gänsehaut bescherte und als Ausgleich das angenehm ruhige Ending mit den tollen Bildern. Nachdem die Serie wöchentlich lief, habe ich immer auf den Sonntag hingefiebert. Am nächsten Tag wurde dann die Folge bis ins kleinste Detail besprochen und analysiert. Ich hoffe daher, dass die Serie fortgesetzt wird. Und bis es soweit ist halte ich mich mit den Mangas und dem erneuten Anschauen über Wasser.