Rurouni Kenshin (2023)

Seit mehr als 30 Jahren ist der Schwertkämpfer mit der Kreuznarbe auf der Wange aus den Medien nicht mehr wegzudenken. Zuletzt kämpfte sich der ehemalige Attentäter in Live Action-Filmen über die Bildschirme und das, nachdem er die Jahre zuvor in verschiedenen Anime-Umsetzungen nie Ruhe fand. Dabei fällt eines schnell ins Auge: Noch nie präsentierte sich die 28-bändige Manga-Vorlage von Nobuhiro Watsuki (Busou Renkin) als Ganzes in einem animierten Guss. Zusammen mit Studio LIDENFILMS (Tokyo Revengers) versuchte sich Regisseur Hideyo Yamamoto (Cells at Work! CODE BLACK!) an dem waghalsigen Projekt, genau das endlich zu verwirklichen. Im Dezember 2023 endete die erste Staffel Rurouni Kenshin (2023) auf Crunchyroll. Zeit für uns, einen genauen Blick darauf zu werfen, denn wir möchten wissen, ob die Schwertkunst des herrenlosen Samurais heute genauso ins Staunen versetzen kann.

       

Zehn Jahre verstrichen seit dem Umbruch und dem Beginn der friedlichen Meji-Ära. Der herrenlose Samurai (Ronin) Kenshin Himura reist durch das Land. Immer an seiner Hüfte: sein Schwert mit umgekehrter Klinge, mit dem er nicht mehr töten möchte. Durch Zufall lernt er eines Abends die junge Kendo-Lehrerin Kaoru Kamiya kennen, die den legendären Patrioten Hitokiri Battosai sucht. Dieser begeht im Namen ihrer Schule Gräueltaten. Kenshin hilft der jungen Dame sofort. Der Grund ist dafür einfach: Er selbst ist der berühmte Attentäter. Mit seiner Schwertkunst löst er den Fall und für eine Weile möchte er bei Kaoru bleiben. Schließlich vertritt diese in ihrer Schule das Motto, dass Schwerter zum Beschützen da sind und nicht zum Töten. Doch ein friedliches Leben bleibt Kenshin verwehrt, denn seine dunkle Vergangenheit holt ihn ein.

Geschichte trifft auf Fiktion

Originaltitel Rurouni Kenshin: Meiji Kenkaku Romantan
Jahr 2023
Episoden 24 (in Staffel 1)
Genre Action, Drama, Historie
Regie Hideyo Yamamoto
Studio LIDENFILMS
Veröffentlichung: 14. Dezember 2023 auf Crunchyroll

Ähnlich wie Vinland Saga vereint Rurouni Kenshin historische Fakten mit fiktiven Figuren und Abläufen. So bettet sich die komplette Handlung in die Unruhen während der Bakumatsu-Ära und die Anfangsprobleme der Regierungsbildung, die darauf folgten. Trotz der friedlichen Zeit brodelte es noch überall und genau in dieser angespannten Situation entführt uns Kenshin in die dunkleren Ecken. Geschichtlich sehr interessant, fehlen nur gerne einige Erklärungen, um geschichtlichen Neulingen einen kompletten Abriss der damaligen Epoche zu liefern. Dennoch bleibt alles verständlich und gerade die Motive der Figuren sind immer nachvollziehbar. So kämpft nicht nur unser Kreuz-Narben-Samurai mit seiner blutigen Vergangenheit! Rache, Trauer und Reue stehen in den Episoden oft im Vordergrund und genau diese Emotionen sind es, die auch heute noch die Herzen der Zuschauenden berühren und zum Nachdenken animieren.

Der Ex-Attentäter mit der Kreuznarbe ist zurück

Allen voran Kenshin selbst ist eine faszinierende, vielschichtige Figur. Nach außen hin ein friedlicher Geselle, der gerne Opfer humoristischer Einlagen wird, die er mit einem witzigen „Oro“ immer kommentiert. Nach innen allerdings verbirgt der 28-jährige Schwertkämpfer eine eiskalte Killermaschine, die vielen Menschen das Leben nahm. Diese zwei Seiten stehen im starken Kontrast, kämpfen gerne um die jeweilige Vorherrschaft und genau diesem kann sich Kenshin nicht entziehen. Einfach weil es seine Umgebung nicht zulässt. Die spannende Frage ist daher, ob es nicht doch einen Weg gibt, dass diese arme Seele ihren Frieden findet. Vielleicht ja in der Nähe der willensstarken jungen Frau Kaoru. Die Beziehung der beiden baut sich in der ersten Staffel angenehm auf, denn die Chemie stimmt. Schließlich weiß sich die Dame mit Pferdeschwanz ebenso zu wehren wie einmal Tacheles zu reden. Allerdings verbirgt sie ebenfalls ihre seelischen Narben.

Freund und Feind – nicht immer so eindeutig

Der Cast in Rurouni Kenshin erweitert sich sehr schnell. In Form des großen und zähen Raufboldes Sanosuke Sagara bekommt Kenshin einen Gefährten, der ihm zuerst ans Leder möchte. Doch nicht jeder Mensch steht auf der Seite des Bösen und so überrascht die Geschichte mit einigen dramatischen Momenten, in denen klar wird, dass Charaktere gerne auch eine gute Seite haben. Gerade bei Hajime Saitou, der sehr spät in der Serie seinen Auftritt hat, zeigt sich, dass immer auch ein zweiter Blick wichtig ist. Viele der Schicksale lassen nicht kalt. Allerdings vertuschte Regisseur Yamamoto den Zeitgeist der Vorlage nicht, denn es gibt natürlich auch die verdorbenen Eintagsfliegengegner. Diese machen nicht viel her. Deswegen braucht es gerade zu Beginn ein wenig Geduld, bis es zu den wirklich spannenden Kämpfen kommt.

Ein genauer Blick auf das Kreuzen der Klingen verrät, …

… dass die Animationsqualität von LIDENFILMS nicht mit der von Studio BONES, MAPPA oder Ufotable mithalten kann. Gerade ein Blick auf die Gefechte zeigt, dass alles schlichter aussieht. Speedlines sowie häufige Unterbrechungen von der Seitenlinie sorgen dafür, dass die Kampfszenen gut sind, aber eben nicht atemberaubend. Ein Kampf muss sich jedoch harte Kritik anhören: Es ist der letzte der Staffel, der vor allem in der 1996er Anime-Serie wirklich spektakulär animiert ist und auch heute zum Augenaufreißen einlädt – und genau dieses hohe Niveau erreicht der neue Streich nicht einmal ansatzweise. Im Gegenteil; zerstören die vielen Zuschauer am Rand und ihre ständigen Kommentare den Kampffluss sehr. Es liegen daher gerne mal Sprüche auf den Lippen, dass diese endlich ihren Mund halten sollen! Wirklich schade. Gerade auch, dass einer der traurigsten Momente durch den plötzlich einsetzenden Ending-Song seine Stimmung verliert.

Modernisierung eines Klassikers

Dem Charakter-Design der Manga-Vorlage blieb Terumi Nishii (A Town Where You Live) zum größten Teil treu, setzte aber moderne Akzente. An den Augen lässt sich dies am leichtesten erkennen. Kenshins Design folgt vor allem seinem Aussehen in den späteren Bänden, was sehr angenehm ist, da er gerade am Anfang sehr weiblich aussieht. Was bei Kaoru schnell auffällt, ist dass sie verschiedene Kimonos trägt, was visuell für viel Abwechslung sorgt. Im Bereich der Hintergründe muss sich die Produktion gar nicht verstecken, denn gerade diese sind immer sehr detailliert. Insgesamt bietet die Anime-Serie ein ansehnliches Bild der damaligen Zeit. Der stärker werdende westliche Einfluss fließt in Kleidung, Gebäude und das Verhalten der Charaktere. So bietet sich auch unter diesen Gesichtspunkten ein toller Ausflug in die Vergangenheit.

Die Klangwelt des einsamen Schwertkämpfers

Während die Story, die Figuren und die visuellen Parts starke Akzente setzen, bleibt der Soundtrack von Yuu Takami (Rainbow) hinter den Erwartungen zurück. Die Stücke bleiben kaum im Ohr, nerven allerdings zum Glück nicht. Trotzdem ist dies sehr schade, da gerade in den anderen früheren Produktionen wirklich klasse Stücke liefen, welche die Szenerien passender untermalten. Das erste Opening „Hiten“ von Ayase und R-Shitei vereint unterschiedliche Stilrichtungen, was unter Geschmackssache fällt. „Rurou no Katashiro“ fällt dank seines Trompeteneinsatzes gut auf, daher lässt sich sagen, dass die Kombi aus Sänger Masaki Suda und Tokoyo Ska Paradise Orchestra ein Erfolg ist. Reols flotter Ending-Song „Kissaki“ passt nicht so richtig zum Ton der Geschichte. Ist aber eine gelungene Abwechslung zu den sonst so ruhigen Liedern, die für den Abschluss einer Folge herhalten. Und auch Kid Phenomenons „Sonzai Shoumei“ klingt bei dem ersten Hören etwas zu fröhlich, passt aber mit seinem Hoffnungsschimmer zum Thema von Kenshins Reise.

Große Fußstapfen

Was genau den Ausschlag gab, alle Charaktere mit neuen Sprechenden zu versehen, ist nicht bekannt, allerdings stand die Neubesetzung vor sehr großen Herausforderungen. Schließlich verkörperte alleine Mayo Suzukaze in allen Umsetzungen bis 2011 den rothaarigen Schwertkämpfer, womit Souma Saitou (Tsurumaru in Katsugeki/Touken Ranbu) vor einem wahrlich großen Erbe stand. Dank seiner helleren Stimmfarbe passt er sehr gut. Gerade der sehr höfliche Dialekt, den Kenshin an den Tag legt, kommt passend herüber. Rie Takahashi (Ena in Laid-back Camp!) stand für Kaoru am Mikrofon, während Taku Yashiro (Tsugaru in Undead Murder Farce) für Sano sein Bestes gab. Für Saito stand die Stimmgröße Satoshi Hino (Momonga in Overlord) im Studio. Aus der Anime-Serie Shangri-La Frontier trafen sich hier Fan-Liebling Yuuma Uchida (Sunraku), hier dann als Aoshi, und Makoto Koichi (OiKatzo) als Yahiko, wieder, was witzig ist.

Fazit

Die hohen Erwartungen erfüllt die 2023 Serien-Umsetzung von Rurouni Kenshin nicht in allen Punkten. Zugutezuhalten ist der Produktion, dass der Geist der Geschichte erhalten bleibt. So ist Kenshin immer noch eine tragische Figur, deren Versuch, ihren Frieden zu finden, fesselt. Ebenfalls lassen die vielen Geschichten der anderen Akteure nicht kalt. Ob es der Ninja ist, der seinen Lebensweg verlor, oder der Attentäter, der schlicht nicht anders leben kann; viele abwechslungsreiche Schicksale warten auf einen. Dass Yamamoto den Humor der Vorlage etwas herunterschraubte, passt. Damit wirkt die Serie gleich etwas ernster und damit auch passender für das heutige Publikum. Die Kämpfe sind in Ordnung, sauer stößt mir nur auf, dass der Kampf von Saito so lasch animiert ist und vor allem bei einer der traurigsten Stelle das Endinglied stört!
Die Hintergründe sind sehr schön anzusehen und das Charakter Design ansprechend. Im Bereich der Klangwelt retten die Sprechenden die Staffel, denn der Soundtrack bleibt nicht in den Ohren.

© Crunchyroll

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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