Das große Netflixwichteln 2019

Am Abend einen gemütlichen Film zu streamen, das macht Freude. Doch eine Entscheidung bei so einer gewaltigen Auswahl wie auf Netflix zu treffen, kann anstrengend sein. Ganz abgesehen von all den Geheimtipps, bei denen man sich ziert oder die man erst gar nicht mal kennt. Wichteln macht auch Freude. Jemanden ein Überraschungsgeschenk auszusuchen und im Gegenzug von Anonymus ebenfalls ein wunderliches Präsent zu bekommen, das mal ein positiver Treffer, mal aber auch eine ziemliche Gurke sein kann, die einen immerhin noch kopfschüttelnd zum Lachen bringt. Kombiniert man diese beiden Freudenquellen, dann kommt das Netflixwichteln dabei heraus.

Es war einmal vor langer, langer Zeit – damals als es noch Filme aus dem Jahr 2018 gab – da saßen Lyxa, MadameMelli, Prinzessin Blaubeere und Totman Gehend an einem weihnachtlich schneeregnerischen Winterabend wieder zusammen und dachten „Ach … Netflixwichteln?“ und nach kurzem Überlegen nickten alle und sagten: „Netflixwichteln
„Was?“, fragte da Neuredakteurin Ivy neugierig und Lyxa erklärte: „Ach, wir schenken uns wie auch schon letztes Jahr – vor langer, langer Zeit – gegenseitig und anonym Filme auf Netflix. Aber immer zwei ganz verschiedenliche zur Auswahl, damit auch ein jeder nicht mit einem gänzlich grässlichen Film gestraft sei, sondern notfalls ein weniger grässlicher geguckt werden mag.“
„Aber ich habe doch schon ein Netflix-Abo und alle Filme darauf. Ist es dann denn noch ein Geschenk?“, fragte Ivy wissbegierig und die Senior-Redakteure schüttelten mit mütterlicher Güte die weisen Köpfe.
„Ach (!), und hast du nicht auch eigentlich Geld, um dir zu kaufen was du willst? An Weihnachten geht es darum, willentlich den freien Willen aufzugeben und andere schlechte Entscheidungen für einen treffen zu lassen.“
Das klang absolut richtig und erfüllt vom Geiste der Weihnacht warf denn auch Ivy ihren Namen in den Wichtelhut und rasch herumgereicht hatten sogleich auch alle schon ihre Geschenkpartner gezogen. Und? Haben den Redakteuren ihre Geschenke gefallen?

Mir wurden Die Braut des Prinzen und Emo the Musical zur Auswahl gestellt. Beide Filme kannte ich vorher nicht und beide scheinen interessant zu sein. Trotzdem habe ich mich für Die Braut des Prinzen entschieden, weil ein Fantasyfilm immer irgendwie meine Weihnachtsstimmung hebt. Der Film ist dabei schon fast ein Klassiker, denn er stammt aus dem Jahr 1987.

Die Braut des Prinzen ist unterteilt in eine Rahmenhandlung und die eigentliche Handlung. Es geht in der Rahmenhandlung um einen kranken Jungen, der von seinem Großvater das Märchen Die Brautprinzessin vorgelesen bekommt. Die Geschichte handelt von den Abenteuern des Stalljungen Westley und seiner Freundin Buttercup. Diese treffen auf ihrer Suche nach dem Glück auf den grausamen Piraten Roberts. Dieser tötet Westley, worauf Buttercup schwört, sich nie wieder zu verlieben. Doch Prinz Humperdinck verlobt sich mit ihr gegen ihren Willen. Kann Buttercup den Prinzen wieder los werden? Und wer ist der maskierte Mann, der sie vor drei Räubern rettet?

Schon in der Beschreibung klingt es an: Die Braut des Prinzen ist eigentlich ein modernes Märchen. Die Charaktere sind manchmal ein bisschen überzogen, aber das macht sie auch liebenswert. Die Dialoge haben mir den einen oder anderen Lacher entlockt und die Fechteinlagen würzten das Geschehen zusätzlich. Trotzdem wirken die Ereignisse ein bisschen übertrieben und scheinen sich immer wieder selbst zu parodieren. Besonders gut hat mir auch die Einbettung in die Rahmenhandlung mit dem Jungen und dem Opa gefallen. Das betont nochmals den märchenhaften Charakter des Films und ich hatte das Gefühl erst in den Film und dann in die vorgelesene Geschichte abzutauchen. Auch die Optik des Films hat für mich seinen Reiz, denn der Charme der 80er-Jahre lebt wieder auf. Das mag für manche antiquiert sein, aber ich finde gerade zu dem märchenhaften Inhalt passt die Gestaltung des Films sehr gut. Damit ist Die Braut des Prinzen für mich zum einen ein Metakommentar zu allen Märchen- und Fantasyfilmen, die nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren und zum anderen ist es ein unterhaltsamer Abenteuerfilm mit eigenem Charme. Ich hatte beim Schauen auf jeden Fall viel Freude.


Mir wurden die Netflix-Eigenproduktionen Bird Box und Dumplin’ unter den Lametta-behangenen Weihnachtbaum gelegt. Gesehen hatte ich noch keinen der beiden, wobei ich von Bird Box immerhin etwas gehört hatte, aber Dumplin‘ war mir gänzlich unbekannt. Ohne das Netflixwichteln hätte ich mir wahrscheinlich auch keinen der beiden angeschaut. Nachdem ich mir dann zu beiden die Trailer angesehen habe, wurde es Dumplin‘.

Worum es geht: Willowdean (Danielle Macdonald) ist die übergewichtige Tochter der ehemaligen Schönheitskönigin Rosie (Jennifer Anniston) und von dieser mit dem wenig vorteilhaften Spitznamen Dumplin‘ (Klößchen) versehen. Während Rosie nach wie vor in der Welt der Schönheitswettbewerbe unterwegs ist und auch die alljährliche Wahl zur Miss Teen Bluebonnet mitorganisiert, kann Will der ganzen gekünstelten Welt ihrer Mutter nur wenig abgewinnen und trauert zudem um ihre kürzlich verstorbenen Tante Lucy, die bis dahin mehr Mutter für sie gewesen ist als Rosie. Als Will entdeckt, dass ihre Tante selbst einmal beinahe an dem Bluebonnet-Wettbewerb teilgenommen hätte, entschließt sie kurzerhand sich zu bewerben und bleibt auch nicht die einzige im Wettbewerb, die in dieser kleinen Rebellion mit den traditionellen Schönheitsidealen bricht.
Nicht mein übliches Filmrevier, aber war okay. Der Trailer hat definitiv stärker den Eindruck einer Komödie vermittelt und diese ganze Schönheitswettbewerb-Manie in den USA hat bis dahin einen derart grotesken Eindruck auf mich gemacht, dass ich eher erwartet hätte, dass der Film sich über deren Überzogenheit lustig macht. Dumplin‘ geht hingegen damit ziemlich aufschlussreich und respektvoll um, was wiederum eigentlich ziemlich erwachsen und konsequent ist. Immerhin lässt sich schwer ein Appel zur Offenheit transportieren, wenn man zugleich selbst herabwertende Vorurteile ins Feld führt. Es gibt thematisch ziemlich (und vielleicht auch etwas zu) viel in dem Film: Eine problematische Mutter-Tochter-Beziehung, eine kleine Romanze, das Thema Freundschaft, etwas Coming-of-Age und wie man mit Verlust und Trauer umgeht. Die Hauptmessage, Mut zur Diversität zu haben und damit Einzug in eine konservative und ein recht veraltetes Frauen- und Schönheitsideal zelebrierende Bastion wie den Schönheitswettbewerb zu halten, fand ich gut und herzerwärmend inszeniert, wobei mir besonders gefallen hat, wie solidarisch die Wettbewerberinnen miteinander umgehen und dass es eigentlich mehr als ein Miteinander dargestellt wird, ohne dass diese ganzen grässlichen Meow-Meow-Catfight-Klischees aufgewärmt werden.


In mein Wichtelüberraschungssäckchen wurden mir Auslöschung und Der Junge und das Biest gelegt. Da ich Auslöschung bereits gesehen habe, aber schon länger keinen Anime mehr, wurde es Der Junge und das Biest. Der Film war für mich auch eine totale Neuentdeckung, denn ich hatte noch nie etwas von ihm gehört oder ihn bei Netflix auftauchen sehen.

Der Junge und das Biest ist eine vielschichtige Geschichte, die in zwei Welten spielt. Nach dem Tod seiner Mutter flieht Ren von Zuhause, denn er möchte nicht von seinen Verwandten aufgezogen werden. In ihm streiten viele negativen Gefühle, weshalb es ein wenig ironisch ist, dass ihm das Schicksal ausgerechnet mit einer Begegnung mit Kumatetsu segnet. Das Tierwesen ist auf der Suche nach einem Schüler, weil er unbedingt Großmeister in seiner Welt werden möchte und findet Gefallen an dem Jungen. Doch die beiden streiten sich ständig, merken aber bald, dass sie trotz aller Differenzen viel von- und aneinander lernen können. Einige Jahre später findet Ren durch Zufall zurück in die Menschenwelt und beginnt wieder zu Zweifeln, wo sein wahrer Platz ist und wie man als Mensch die Dunkelheit in einem (und anderen) besiegen kann.

Ich gebe zu, dass ich ohne Erwartungen an den Film herangegangen bin und der Einstieg fiel mir nach einem richtig starken Anfang (die Darstellung der Tierwesen als Flammengeschöpfe konnte mich sofort begeistern!) auch etwas schwer. Ich schiebe das aber auf den persönlichen Stresslevel, denn beim zweiten Anlauf konnte ich den Film extrem wertschätzen. Die Beziehung zwischen Ren (in der Tierwelt Kyuta genannt) und Kumatetsu ist erfrischend, der Humor immer präsent, aber nicht erschlagend und die Weisheiten, die im Laufe des Films vermittelt wurden, gefallen mir sehr gut. Zwischendrin war ich skeptisch, ob der Wechsel in die Menschenwelt wirklich nötig war, aber gerade diese zweite Ebene führte zu einem überraschenden Twist am Ende, der noch einmal viele Fäden aus den vorhergehenden Minuten aufgreift und in starke und wunderschöne Bilder verarbeitet. Letztendlich gefiel mir der Film richtig gut und ich möchte ihn noch einmal mit ein paar geliebten Menschen zusammen ansehen!


Zur Auswahl hatte ich Zwischen zwei Farnen: Der Film und Im hohen Gras. Schwierige Entscheidung. Ersterer hat mich überhaupt nicht angesprochen. Und das obwohl Benedict Cumberbatch und auch sonst echt coole Schauspieler am Start gewesen wären. Letzteren hatte ich nie vor zu schauen, nachdem mir der Trailer als der Film rauskam, gar nicht gefallen hat. Sah nach ziemlichen Trash aus. Da ich mich aber entscheiden musste, wagte ich mich dann doch an Im hohen Gras heran. Ich nahm es mal als ein Zeichen, dass er mir jetzt beim Wichteln zugelost wurde.

Im hohen Gras ist ein Horror-Thriller von Vincenzo Natali (Cube) aus dem Jahr 2019. Der Film basiert auf einer Novelle (In the Tall Grass) von Stephen King. Der Film dauert 90 Minuten. So weit, so gut. Stephen King kann entweder großartig sein, oder aber auch total schlecht.
Das Setting ist simpel gehalten. Der komplette Film spielt in einem Feld aus hohem Gras. Es gibt fünf Protagonisten, die in das Feld gelockt wurden und versuchen wieder daraus zu entkommen, was sich schwierig gestaltet, da das Gras ein Eigenleben zu haben und eine Zeitschleife zu schaffen scheint und auch nicht jeder der Protagonisten nur Gutes im Schilde führt.

Ich war darauf eingestellt, dass der Film schlecht sein würde. Vielleicht war ich zu voreingenommen, aber er ist auch einfach schlecht. Ich finde nicht einmal die Grundidee sonderlich spannend. Umso mehr hätte die Handlung mich dann überzeugen müssen. Für mich sind aber sowohl die Charaktere, als auch die ganze Story völlig platt geblieben. Ich finde den Film insgesamt verwirrend, völlig absurd und trashig. Ob alles am Ende Sinn macht? Irgendwie schon. Es wurde zwar nicht wirklich geklärt, was genau es überhaupt damit auf sich hat, bis auf ein paar vage Andeutungen und einen mysteriösen Stein in der Mitte des Feldes; aber es hat immerhin gereicht, um sich einigermaßen vorstellen zu können, was passiert ist. Was davon aber der eigentliche Zweck ist, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. Was will denn das verdammte Gras? Wahrscheinlich ist es auch gewollt, dass man nicht alles erfährt und das Feld ein Mysterium bleibt. Hatte mir danach noch eine Erklärung zum Film durchgelesen, die weitgehend Sinn macht, den Film dadurch aber nicht besser. Ich würde den Film definitiv nicht weiter empfehlen, da er nicht sonderlich spannend ist und ganz sicher zu den Filmen gehören wird, die ich vergessen werde. Wie gebärende Mütter ihre Totgeburten essen, würde ich ebenfalls sehr gerne wieder aus meinem Kopf bekommen.


Meine Wichtelfee hat mir Coco – Lebendiger als das Leben! und Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) zur Auswahl gegeben (Vorliebe für lange Titel?), und da der Día de los Muertos erst kürzlich stattgefunden hat und Coco demnach bereits geschaut wurde, mit alle den Süßigkeiten und Toten an meiner Seite, wurd’s Birdman.

Birdman handelt von dem verblassten Filmschauspieler Riggan Thomson (Michael Keaton), der seine einstige Paraderolle des Superhelden Birdman aufgegeben hat, um am Broadway endlich glaubwürdig zu werden. Dazu spielt er die Hauptrolle in einer selbst finanzierten Adaption eines Romans. Mit dabei: Sein Anwalt Jake (Zach Galifianakis), der hyperaktive Schauspieler Mike Shiner (Edward Norton) und seine drogensüchtige Tochter Sam (Emma Stone), die Riggan als persönliche Assistentin einstellt, um so seine väterlichen Versäumnisse von früher nachzuholen. Als die Premiere näher rückt, hört Riggan immer öfter die Granitstimme seines Alter Ego Birdman, der ihn dazu bringen will, das Theater zu vergessen und zu seinem wahren Talent zurückzukehren: Geld scheffeln mit Blockbustern.

Wenn man Birdman einmal angeschmissen hat, kann man nicht mehr so einfach aussteigen (eigentlich), denn der Film wurde in einem einzigen (Pseudo-)Single Shot gedreht. Heißt, es gibt keinen Schnitt und keine Verschnaufpause. Die Kamera klebt immer am Hintern von irgendwem und schleift den Zuseher durch das leicht abgewrackte, aber doch sehr charmante Theatergebäude. Nun, ich bin dann doch ausgestiegen, für zwei Tage sogar. War mir dann doch zu intensiv und anstrengend (oder ich hatte gerade keine Zeit mehr, weiß nicht mehr), aber egal: ‘ne faszinierende Erfahrung war und ist Birdman trotzdem, denn die Mischung ist ziemlich krude. Ein abgehalfteter Ex-Superheld, der nun einen auf intellektuellen Künstler macht, irgendwie über telekinetische Fähigkeiten verfügt und fliegen kann und von seinem imaginären Alter Ego Birdman heimgesucht wird, während er versucht, nicht abzusaufen – sowohl zwischenmenschlich als auch arbeitstechnisch (und vermutlich auch alkoholmäßig). Dazu diese dufte Kameraarbeit, diese duften Szenerien, dieser dufte Drumset-Score – es wirkt alles wie aus einem Guss, und das nicht nur wegen des Single Shots. Doch, ziemlich dufte alles. Ich danke der Wichtelfee für diese Auswahl.

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Aki
Aki
Redakteur
6. Dezember 2019 18:30

Versuche ich mal Im hohen Gras etwas zu vereidigen: Der Film basiert auf einer kurzen Novelle von King und seinem Sohn Joe Hill. Insgesamt würde die Geschichte gerade mal für 40 Minuten Film reichen, daher wurde hier wirklich sehr viel hinzugedichtet und gerade ab der Mitte wird es wirklich zäh, da sie echt zu lange im Gras herumlaufen. Die Originalgeschichte hat eine viel kompaktere Dichte. Daher würde ich hier nicht sagen das King schlecht ist, sondern das Skript vom Film, weil man auf komme was wolle es blutiger gestalten wollte. Ich sage nur Geburt! Ich fand das Gras an sich recht stimmig eingefangen, aber wie geschrieben es ist zu viel des Guten ab einem gewissen Punkt.