Westworld (Folge 3×08)
Die dritte Staffel von Westworld ist vorbei. Folge 8 „Crisis Theory“ beschließt das alte Chaos und entlässt uns in ein neues, noch größeres. An Staffel 2 kann man berechtigterweise viel aussetzen, aber selbst im schlimmsten Fall war diese noch im Ansatz interessant. Staffel 3 jedoch ist es gelungen, Non-Stop-Action und eine weltumspannende soziale Katastrophe unfassbar langweilig zu gestalten. Dolores beendet die Reise mit ihrem Markenzeichen-Spruch: „I choose to see the beauty“. Guter Hinweis für die Westworld-Zuschauer, denn anders lässt sich Westworlds dritte Staffel auch nur schwer ertragen.
Folge 8 „Crisis Theory“ kurz umrissen: William befreit sich aus der „Gewalt“ von Bernard und Stubbs und macht sich auf, die „fucking world“ vor Dolores zu retten. Er spaziert in die Delos-Zentrale an der Tresendame vorbei, direkt ins geheime Superlabor („Einfach dort rechts die Treppe runter“), nur um dort von Hale abgemurkst zu werden. Mission failed. Bernard, der nun nichts mehr zu tun hat seit ihm William abgehauen ist, besucht mit dem halbtoten Stubbs seine gealterte Ehefrau für ein letztes Farewell-Gespräch. Stubbs krepiert währenddessen auf dem Rücksitz des Autos. Caleb, der in der letzten Folge zum neuen Rädelsführer der Revolution ernannt wurde, gelangt mit nur ganz wenig Glück in das Incite-Gebäude, um dort Rehoboam zu zerstören. Letztendlich nimmt ihm das dann doch wieder Dolores ab, dafür aber gibt sie ihr Leben. Serac erleidet derweil einen mentalen Zusammenbruch. Maeve wiederum wendet sich endlich gegen Serac und entscheidet sich für … eine andere Seite halt. Welche Seite genau, das weiß keiner. Zumindest hat sie sich mit Dolores ausgesprochen. Gemeinsam mit Caleb bestaunt Maeve die Skyline der alten Welt, die sich gerade selbst zerstört.
Stil über Realismus
Was mir mal wieder auffällt, ist, dass sich die Schönheit der Szenerie nur mäßig mit gesundem Realismus verträgt. Bei Westworld steht der Stil über allem – und das hat ja auch was. Es sieht toll aus, wenn Rehoboam in der gläsernen Lobby düster vor sich hin leuchtet. Aber ernsthaft: Wer setzt das wichtigste Gerät der Welt direkt vor die Eingangstür? Da muss nur ein Passant mal vorbei kommen und ‘ne leere Cola-Dose werfen und schon ist die ganze K.I. kaputt. Darüber hinaus scheint Rehoboam über keine Backups oder sonstiges zu verfügen. Er sitzt einfach nur da in der Lobby und präsentiert seine voll gedeckte Auslage. Dabei weiß doch jeder, dass die guten Süßkartoffeln ins hintere Lager gehören (der ist für dich, Arthur Spooner. Gott hab ihn selig). Des Weiteren: Caleb scheint easy-going überall hinein zu gelangen. Glück für ihn, dass er sich einfach nur in den Polizei-Helikopter setzen muss und der quasi von alleine losfliegt. Glück für ihn, dass Incite noch auf simple KeyCard-Technologie setzt (ohne Multifaktor-Authentifizierung, denn wer braucht das schon bei einer Weltherrscher-K.I.?) und auf SanDisk USBs. Aber für eine einfache Kontoüberweisung muss er das richtige Blut haben oder was? Ich bitte euch.
Maeve Snow
Ich mochte Maeve immer. In Staffel 1 war ich ganz begeistert darüber, dass aus ihr, der augenscheinlich simplen Puffmutter, so ein großer Fisch wird. Wenn sie sich in Staffel 2 zum Jedi-Meister mausert, ist das auch noch okay. Aber was ist ihre Daseinsberechtigung in Staffel 3? Sie scheint nur anwesend zu sein, um Dolores die Reise zu erschweren. Maeves Motivation ist ihre Tochter. Klar, technisch gesehen weiß ich, was ihre Motivation ist. Aber das Tochter-Ding wirkt wie ein fernes Echo aus Staffel 2, total verblasst. Maeve hat also eine Tochter. No way, sie hat eine Tochter? Sagt es uns doch noch einmal: „My Queeen Daughter!“ Jedenfalls: Es überzeugt mich nicht, dass Maeve für ihre Tochter einen Pakt mit dem Teufel Serac schließt und auf diese Weise ihre eigene Zunft, ja sogar die ganze Welt verrät. Die Showrunner haben Maeves gesamte bis dato erfolgte Reise auf einen groben Plot Device-Mechanismus herunter gebrochen. Und dann dieses Katana. Wieso ein Katana? Serac ist der reichste Mann der Welt, lass dir von ihm einen verdammten Raketenwerfer geben und das Problem ist in 0,3 Sekunden gelöst. Aber nein, es muss ein fancy Katana sein. Da haben wir es wieder: Stil über Effizienz.
Tschö, Dolores
Ich hatte die ganze Zeit über ziemliche Probleme ihre Motivationen zu verstehen (wie auch bei jedem anderen Charakter). Während der finalen Konfrontation foppt man uns kurz, indem man uns glauben lässt, Dolores habe den Tod der Menschheit im Sinn. Tatsächlich aber strebt sie eine Welt der Koexistenz an (klar, was immer du auch meinst, Westworld. In Folge 2×01 sah das übrigens noch ganz anders aus). Für dieses hehre Ziel gibt Dolores ihr Leben, und ich gehe davon aus, dass dieser Tod endgültig ist. Klar, diverse Kopien von ihr laufen noch herum, aber die originale Dolores ist weg. Und ich muss sagen, dass die Showrunner einen wirklich wunderschönen Abschied für diese Figur hinbekommen haben und ich der Szene tatsächlich auf den Leim gegangen bin (verdammich). Unsere Dolores, unsere blaugekleidete Farmerstochter, die von Anfang an am Start war und so hart gearbeitet hat, um das Zentrum des Labyrinths zu erreichen. Da liegt sie nun, im Zentrum der Welt, und wird ihrer Erinnerungen beraubt, Stück für Stück. Ihr Reise begann alleine stehend im Feld, das Gesicht gen Heimat gewandt, und sie endet auch so, mit einem Tränchen im Auge, während sie noch einmal ihren Entschluss festigt, nur das Schöne in der Welt zu sehen. Das ist eine würdige und emotionale Farewell-Szene. Ein finales Lebe wohl an die originale Dolores, wie wir sie kannten (Hoffentlich. Bitte kein unnötiges Leichenfleddern in Staffel 4).
Serac und Caleb
Die in Besprechung 3×03 erfolgte Spekulation, dass Serac eine Personifikation von Rehoboam sei, bewahrheitet sich also irgendwie. Er ist lediglich ein verlängerter Arm von Rehoboam, komplett indoktriniert. Sein kümmerlicher Abgang, nachdem Dolores Rehoboam geschrottet hat, ist irgendwie … nun ja, kümmerlich. Caleb wiederum hat die ganze Tour de Force überlebt. Er wird von allen Revoluzzern mit „Sir“ angesprochen und ist der Frontmann der Revolution, obwohl er eigentlich nichts großartiges geleistet hat außer von Dolores und Maeve Beistand zu erhalten. Nach getaner Arbeit guckt sich Caleb gemeinsam mit Maeve das Feuerwerk an (vermutlich von Dolores-Lawrence gezündet) und harrt der vierten Staffel, die da kommen mag in 2022.
Der ganze Rest vom Fest
Weiter geht’s mit William: Sein Erzählstrang gipfelt im schönen Nichts. Er wird abgemurkst, bevor er beweisen kann, dass er zum „good guy“ geworden ist. Seine Anwesenheit ist im Grunde ein simpler Gastaufritt, der uns viele unserer geliebten „fucks“ beschert hat, aber ohne Bedeutung ist. Und Bernard? Für ihn gilt dasselbe. Er besitzt quasi null Relevanz. Am Ende von Staffel 2 stellt sich Bernard noch die Frage, warum Dolores ihn am Leben gelassen hat. Vielleicht, weil er sie in Schach halten muss? Weil er der neue Messias ist? Weil er die dritte K.I. Finden muss, die uneheliche Schwester von Salomon und Rehoboam namens Tachpenes?! Mitnichten. Bernard besitzt einfach nur den Schlüssel für „das Große Tal“ (oder „Glory“ oder wie immer man auch diese virtuelle Welt nennen möchte, in der die Hosts in seliger Unwissenheit leben). Bernards Job war es also lediglich, gemeinsam mit Stubbs herumzulaufen, was ihren Auftritt zu einem der schlechtesten Cameos überhaupt macht. Und bei Stubbs gibt es nach dem Finale eigentlich nur eine relevante Frage: Steckt er immer noch in der Badewanne?!
Die Post Credit-Szene
Nachdem die Credits über den Bildschirm gerollt sind, begleitet von irgendeinem obligatorischen Popsong-Cover, kommt natürlich die erwartetete Post Credit-Szene zu einer unerwarteten vierten Staffel. Bernard, der keine Zeit fand, Stubbs medizinisch zu versorgen, hat immerhin die Zeit gefunden, 40 Jahre lang in irgendeiner virtuellen Realität zu hocken, nur um später in einer post-apokalyptischen Welt zu erwachen. Alles schaut diesig aus und ist mit einer Schicht aus Sand/Staub bedeckt (erinnert an die Post Credit-Szene der zweiten Staffel, wo sich William in einer ähnlich sandigen Welt wiederfindet. Die Szene wurde bis heute nicht geklärt.). Auch Hale hat hier ihren letzten Auftritt: Ihre wunderbare Figur wird platt gewalzt zum ultimativen Übel, das eine Host-Armee errichtet. Okay.
Fazit
Ach Leute. Ganz ehrlich, was ist hier passiert? Wofür haben denn jetzt alle in Westworld gekämpft? Für Roboterrechte? Für Menschenrechte? Für Wahlberechtigung? Oder für das ätherische Konzept der Freiheit? Ich muss mir die Folgen nochmal durch den Kopf gehen lassen, ehe ich meine abschließende Serien-Review raushaue. Staffel 3 schließt also mit dem Weltuntergang, okay. Das Witzige ist, dass dieser Weltuntergang laut Bernard so oder so eingetreten wäre, ganz gleich, was Serac, Dolores, Caleb etc. unternommen hätten. Heißt das also, lieber Bernard, dass die gesamte Handlung von Staffel 3 obsolet ist? So fühlt es sich auch an. Ich zweifel nicht mehr daran, dass der eigentliche Showrunner hinter dem ganzen Chaos in Wahrheit Lee Sizemore ist. Ford hätte sich im Grabe herum gedreht.