Homecoming (Staffel 1)
Amazon Prime Videos Homecoming ist eine Serie ihrer Zeit: eine webbasierte TV-Produktion, die auf einem Podcast beruht und einen Filmstar zur Hauptdarstellerin hat. Showrunner Sam Esmail (Mr. Robot) erzählt hier die Geschichte einer Psychotherapeutin, die in einem dubiosen Programm verwickelt ist, welches vorgibt, zurückgekehrte Soldaten wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Von Anfang an spürt man unterschwellige Hitchcock-Vibes, die aus Homecoming einen fesselnden, unorthodoxen Psychothriller machen. Mit dabei: Julia Roberts in ihrer ersten Serien-Rolle.
Die Geschichte von Homecoming ist chronologisch zweigeteilt. In der ersten Zeitlinie arbeitet Heidi Bergman (Julia Roberts, Erin Brockovich, Wunder) als Psychotherapeutin im Homecoming-Programm. Ihre Aufgabe ist es, zurückgekehrten Soldaten bei der Verarbeitung von Kriegstraumata zu helfen und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die fragile Beziehung zwischen ihr und dem Soldaten Walter Cruz (Stephan James, Zeit für Legenden) gelegt. Die stetigen Anrufe ihres Chefs Colin (wunderbar schmierig: Bobby Cannavale, Third Watch – Einsatz am Limit) lassen vermuten, dass das Programm trotz der offiziellen Leitlinien nicht die besten Intentionen hat. In der zweiten Zeitlinie untersucht Thomas Carrasco (Death Note), ein Gutachter des Verteidigungsministeriums, eine alte Beschwerde über das inzwischen nicht mehr existierende Homecoming-Programm. Carrasco spürt Heidi auf, die mittlerweile im Diner einer kleinen Stadt arbeitet und sich an nichts mehr erinnern kann. Im Verlauf von zehn Episoden wechselt Homecoming zwischen diesen Zeitlinien hin und her und enthüllt allmählich das dunkle Geheimnis, das sich hinter dem Programm verbirgt.
Heidi Bergman
Originaltitel | Homecoming |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 1 |
Genre | Psychothriller, Drama |
Cast | Heidi Bergman: Julia Roberts Walter Cruz: Stephan James Colin Belfast: Bobby Cannavale Thomas Carrasco: Shea Whighman Joseph Shrier: Jeremy Allen White |
Seit dem 22. Februar 2019 auf Amazon Prime Video verfügbar |
Homecoming beginnt mit der Einführung von Heidi in ihrem warm ausgeleuchteten Büro. Aus den Boxen tönt das romantische Thema aus Dressed to Kill (1980), während sie ihren ersten Patienten, Walter Cruz, in Empfang nimmt, und die beiden lockig-flockig scherzend die Sitzung beginnen. Die vollen Bücherregale und die üppigen Pflanzen erwecken den (falschen) Eindruck, dass Heidi hier schon seit Jahren arbeitet. Das und ihr Tick, alle Dinge stets akkurat auf dem Schreibtisch zu drapieren, vermitteln das Bild einer Frau, die alles unter Kontrolle hat. Allerdings sprechen die ständigen, schon fast missbräuchlichen Anrufe ihres Chefs Colin eine andere Sprache. Und auch sonst ist Heidi eine ziemlich fügsame Figur, als ob sie unter Sedativa stehen oder gerade aus einem langen Nickerchen erwachen würde. Seltsam passiv und nicht zu vergleichen mit Julia Roberts früheren, willensstarken Frauenrollen. Doch wenn diese Seite dann mal in seltenen Szenen durchbricht, ist es umso befriedigender („Hau ab und nimm deine scheiß Gabeln mit!“). Julia Roberts ist eine exzellente Besetzung für diese schwierige Rolle und selbst ihr berühmtes „Megawatt-Lächeln“ funktioniert in dieser Hitchcock’schen Umgebung.
Der Kniff mit dem Bildformat
Die Kamera verlässt das Büro, zeigt die palmenbesetzte Idylle außerhalb und bleibt schließlich an einem Pelikan hängen, der unpassend in die Musik reinkrächzt und den ersten abrupten Zeitwechsel ankündigt. Plötzlich sind die Farben gedämpft, die Atmosphäre ist diesig und wir sehen Heidi, wie sie als Kellnerin in einem fettigen Diner arbeitet. Das Besondere hierbei: das Bildformat. In Homecoming wird auch visuell zwischen den Zeitlinien unterschieden. Heidis Zeit als Therapeutin wird im gebräuchlichen 16:9 dargestellt, wohingegen die Seriengegenwart im nahezu quadratischen 4:3 gefilmt wurde. Das erleichtert dem Zuseher das zeitliche Zurechtfinden, kann aber auch einen tieferen Sinn verfolgen. Für den Zuseher bedeutet das 4:3-Format eine eingeschränkte Sicht, die Hand in Hand mit Heidis eingeschränkter Erinnerung geht. Dieses kameraperspektivische Konzept ist eine ziemlich effektive Art des Filmemachens und führt in Folge 8 zu einem eindrucksvollen „Aha!“-Moment (ein wirklich geil gemachter Klimax, Anm. d. Red.)
Fragmentierte Kreise
Das Homecoming-Programm erstreckt sich über sechs Wochen, in denen die Soldaten Gesprächsrunden, Rollenspiele und andere Dinge durchlaufen, die ihnen bei der Wiedereingliederung helfen sollen. Das Gebäude, in dem das alles stattfindet, erstrahlt dabei in feinster Retro-Architektur, irgendwo angesiedelt zwischen den 60ern und 80ern. Überall gibt es Ecken und schräge Winkel (Oktagone sind ok, aber bloß keine beruhigenden Kreise!). Das lässt die gesamte Inneneinrichtung irgendwie „daneben“ wirken und unterschwellig bedrohlich. Hier und da gibt es heimelige Wohnelemente wie Polster und bedruckte Vorhänge, damit es nicht ganz so institutionell ausschaut. Aber trotz jener warmen Elementen wissen wir doch, dass Homecoming kein Zuhause ist. Das Aufeinandertreffen von Gemütlichkeit und Kälte trägt mit bei zu diesem Gefühl der Spannung, das die ganze Serie durchzieht – irgendetwas stimmt nicht.
Carrasco, das Rad im Getriebe
Der, der diesen ganzen dubiosen Machenschaften auf die Spur kommt, ist Thomas Carrasco, ein Schreibtischhengst aus dem Verteidigungsministerium. Carrasco ist ein fleißiger, aber reservierter Typ, sozial (und körperlich) eher ungeschickt, und weiß um seine kleine Rolle im Firmengetriebe. Nichtsdestotrotz erledigt er seine Aufgabe nach besten Wissen und Gewissen, auch wenn man ihm mit Lügen oder schlichtem Unverständnis entgegen arbeitet. Sein Büroalltag wird häufig mit klassisch orchestrierter Suspense-Musik unterlegt, was das gesamte Büro samt die Menschen darin zum Spannungsfall werden lässt. Auf gleiche Weise werden auch die Bürogänge im Homecoming-Gebäude vertont. In Homecoming ist das Böse kein offensichtliches Monster, nicht einmal ein bestimmter Mensch. Das Böse ist das anonyme Firmengetriebe, das nur auf Profit ausgelegt ist und das so weit entfernt von den Menschen sitzt, die es betrifft.
Mach mal Shazam an
Viele Szenen von Homecoming werden von einer nervenaufreibenden, manchmal erschütternden Musikauswahl unterstützt. Für sich genommen erscheint die Szenerie nicht wirklich absonderlich, mit der Musik aber wird man geradezu paranoid. Interessanterweise ist der Score zu Homecoming komplett aus anderen Filmmusiken entlehnt. Die ausgewählten Stücke leihen Homecoming, einer Serie über das Vergessen der Vergangenheit, ihre eigene historische und emotionale Bedeutung. Oder aber – auch ein interessanter Gedanke – die Serie zwingt die geliehene Musik dazu, ihre eigene Historie zu vergessen und überlagert sie mit einer neuen Bedeutungsebene, jener von Homecoming. So oder so passt dieses Konzept perfekt auf die Serie. Denn man sitzt immer mit einem „Es liegt mir auf der Zunge!“-Ausdruck vor der Flimmerkiste, schafft es aber (meistens) nicht, sich zu erinnern. So wie Heidi Bergman.
Fazit
Homecoming ist eine perfekte Mysterybox mit ganz eigenem Stil. Das geht los bei den Titeleinblendungen, setzt sich fort über Kameraarbeit, Sounddesign, Filmmusik und endet bei den individuellen End Credits. Die Serie baut auf Militär- und Regierungspolitik auf, fokussiert sich aber vor allem auf das Quartett der Hauptdarsteller, die gemeinsam eine ausdrucksstarke, unerschütterliche Einheit bilden. Das ist die größte Stärke von Homecoming: Man sieht guten Schauspielern dabei zu, wie sie gute Arbeit verrichten. Dadurch erreicht der Psychothriller auch die nötige emotionale Tiefe. Nebenbei bringt Homecoming auch den Age Gap mit rein, und zwar die immer noch verpönte Variante mit „Ältere Frau, jüngerer Mann“. Hat man Julia Roberts mit im Boot, dann traut man sich alles – und es gelingt auch alles. Ach, und nicht zu vergessen, diese mittlerweile erschreckend fremdartige Episodenlänge von 25 Minuten. Erwartet man nicht bei einem Drama-Thriller dieser Größenordnung, gibt der Serie aber ein Tempo, bei dem sich das Mysterium wunderbar entfalten kann. Nicht zu kurz, nicht zu lang. Genau richtig. Volle Punktzahl von mir.
© Amazon Prime Video
Ich habs versucht, nach 6 Folgen dann aber das Handtuch geworfen. Die unaufgeregte Erzählweise fühlt sich ziemlich zäh an, trotz der vergleichsweise kurzen Episoden. Julia Roberts performt gut und ich hatte auch das Bedürfnis, mehr über dieses .. Mysterium zu erfahren. Dabei ist der Wechsel der beiden Geschichten durchaus ziemlich spannend.
Aber diese Erzählweise kostet nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch eine Menge Geduld.