Wunder
Die Autorin Raquel J. Palacio landete 2012 gleich mit ihrem ersten Roman Wunder einen absoluten Volltreffer. Und wie das mit allen Bestsellern ist, bieten sie früher oder später auch Vorlagen für filmische Umsetzungen. Umso überraschender, wenn dazwischen rund fünf Jahre liegen. Denn die in Wunder dominierenden Themen sind Mobbing auf dem Schulhof und die Familie als Auffangnetz. Mit emotionalem Plot, verkaufsstarkem Roman im Rücken sowie Owen Wilson (No Escape) und Julia Roberts (Eat Pray Love) in den Hauptrollen sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder?
August (Jacob Tremblay, Predator – Upgrade), genannt„Auggie“, ist zehn Jahre alt und lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester Via in New York. August ist schlagfertig, witzig und sensibel. Dennoch ist er nicht so wie andere Kinder in seinem Alter: Er kam mit mehreren Gendefekten gleichzeitig zur Welt, weshalb sein Gesicht entstellt ist. Durch die unzähligen Operationen, die er bereits hatte, konnte er nie eine öffentliche Schule besuchen und wurde zu Hause von seiner Mutter unterrichtet. Das soll sich nun ändern, denn er wird in die fünfte Klasse einer Bezirksschule gehen. August hat jedoch Angst, dass er ausgegrenzt und angestarrt wird. Zum Glück ist er ein starker Junge, der auch die fünfte Klasse meistern kann!
Sicher durch den Alltag im Astronautenhelm
Originaltitel | Wonder |
Jahr | 2017 |
Land | USA |
Genre | Drama |
Regisseur | Stephen Chbosky |
Cast | Isabel Pullman: Julia Roberts August Pullman: Jacob Tremblay Nate Pullman: Owen Wilson Via Pullman: Izabela Vidovic Justin: Nadji Jeter Jack Will: Noah Jupe Julian: Bryce Gheisar |
Laufzeit | 114 Minuten |
FSK |
Als Zuschauer findet man sich schnell in Auggies Leben zurecht. Immerhin ist er es, durch dessen Augen wir die Welt von Wunder erfahren. Da steht auf der einen Seite seine Faszination für den Weltraum und Astronauten und auf der anderen Seite die Realität, die sich für Auggie unbequem anfühlt. Der bekennende Star Wars-Fan holt also seine Welt in die Realität und läuft am liebsten mit einem Astronautenhelm herum, welcher ihn gleichzeitig vor den angewiderten und neugierigen Blicken auf der Straße schützt. Nur auf dem Schulhof funktioniert das nicht, weshalb es Auggie viel Kraft kostet, diesen Weg zu gehen. Dabei ist ihm seine Fantasie sehr hilfreich. Immerhin ist Chewbacca aus Star Wars auch eine beliebte Figur, obwohl er weit davon entfernt ist, wie ein Mensch auszusehen. Momente, in denen jedem Geek das Herz aufgeht. Immerhin besitzen alle, die sich als Fan einer Sache empfinden, Identifikationsfiguren. Und manch einem haben diese geholfen, den Alltag zu meistern. So also auch Auggie.
Eine Frage der Perspektive
Erst nachdem der Zuschauer Auggie kennenlernen durfte, kommen auch die anderen Familienmitglieder zu Wort. Interessant ist dabei, dass das nicht nur aus dem Blickwinkel der Eltern stattfindet. So liebt etwa Via (Izabela Vidovic, Homefront) ihren Bruder, leidet jedoch selbst darunter, dass sie zu kurz kommt. Das lässt sich einfach auf die Realität übertragen, etwa auf Familien, in denen eines der Kinder größere elterliche Zuwendung benötigt. Etwa bei einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Dabei geht die Perspektive der Geschwister, welche nicht minder elterliche Liebe verdienen, oftmals unter. Doch Wunder ist ein umsichtiger Film. So dürfen mit zunehmender Spielzeit auch andere Kinder das Wort übernehmen, die davon berichten, wie es ist, mit Auggie zu leben. Ebenso vorbildlich ist, wie Konflikte angegangen und aufgelöst werden. Insbesondere vor dem sensiblen Hintergrund des Andersseins sind offene Worte wichtig. Hier glänzt besonders Auggies Freund Jack (Noah Jupe, A Quiet Place), der unwissend ein Drama ins Rollen bringt.
Wohlfühlfilm
Wer nun denkt, dass die Produktion in die Gefahr eines Tearjerkers ohne Ende rennt, darf sich entspannen. Selbstverständlich findet sich jeder Zuschauer irgendwann in der Rolle des Außenseiters wieder. Immerhin ist Auggie nicht etwa durch sein Verhalten oder auf eigenen Wunsch anders. Er wurde anders geboren. Und jeder von uns kennt mindestens einen Menschen, den er als anders wahrnimmt, sofern man sich nicht selbst in irgendeinem Kontext so fühlt. Glücklicherweise bleibt der Spirit stets optimistisch und die Handlung zeigt Lösungswege anstatt Selbstmitleid und Melodrama auf. Diese positive Grundhaltung ist wichtig und gleichzeitig selbstredend der moralische Aspekt der Geschichte.
Letztlich sind die Pullmans nur eine von vielen Familien, in denen sich ein Kind durch seine Außergewöhnlichkeit auszeichnet. Damit ist Auggie Stellvertreter für viele Menschen, die schweren Herzens in den Alltag ziehen, weil sie Diskriminierung erleben. Überraschend stark sind am Ende aber die Menschen, die hinter einem stehen. Wenn man an dem Film etwas kritisieren möchte, dann am ehesten, dass Auggies Eltern unverbesserliche Gutmenschen sind, die sich aufopferungsvoll für ihr Kind einsetzen. Das ist in der Realität nicht immer gegeben und hier gehört Auggie eindeutig zu jenen Kindern, die sich in einer Vorzugsposition wägen dürfen. Wunder ist ein emotionaler und positiv aufgeladener Film, der ruhig ein paar mehr Ecken und Kanten vertragen hätte.