Rot
13 Jahre alt zu sein, ist gar nicht so einfach. Schließlich fängt man wahrscheinlich gerade an, die Kindheit langsam hinter sich zu lassen und als Teenager langsam erwachsen zu werden. Der erste Schwarm, peinliche Eltern und körperliche Veränderungen sind es wohl, an was die meisten zurückdenken. Doch die junge Meilin Lee hat ein besonderes Problem, das ganz bestimmt nicht unter das fällt, was man sich vorstellt: Denn eines Tages verwandelt sie sich urplötzlich in einen riesigen Roten Panda! Kaum überwältigen sie ihre Emotionen wird sie vom Menschen zum Tier. In Disney-Pixars Animationsfilm Rot können wir Meilins Umgang mit dieser einzigartigen Fähigkeit ihrer Familie folgen und sehen, wie sie gerade daran wächst. Die fantasievolle Komödie von Domee Shi (oscarprämiert für den Kurzfilm Bao) erschien am 11. März 2022 exklusiv auf Disney+.
Toronto, 2002: Die 13-jährige Meilin “Mei” Lee ist eine ganz normale Schülerin, die sich mit den typischen Problemen eines Teenagers herumschlägt. Sie verbringt am liebsten Zeit mit ihren Freundinnen, schwärmt für die coolen Jungs und schmachtet die beliebte Boyband “4*TOWN” an. Zumindest bis sie plötzlich als ein riesiger Roter Panda aufwacht! Jedes Mal, wenn sie starke Emotionen verspürt – und somit fast immer – verwandelt sie sich in das Flauschmonster, das alles um sich herum plattwalzt. Mei erfährt, dass ihre Urahnin einst die Fähigkeit erhielt, sich in einen Roten Panda zu verwandeln, um ihre Heimat zu schützen. Diese Fähigkeit wurde stets von Mutter zu Tochter weitergegeben, doch einst als Gabe betrachtet, gilt sie nun als Bürde. Mutter Ming Li eröffnet Mei, dass der Rote Panda mittels eines Rituals in der Nacht des Roten Mondes versiegelt werden kann. Doch bis dahin vergehen noch einige Wochen, in denen sich Mei möglichst unauffällig verhalten soll. Ob es ihr gelingt, den Roten Panda bis zum Ritual im Zaum zu halten? Und möchte sie das überhaupt?
Back to 2002
Originaltitel | Turning Red |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Genre | Komödie, Coming of Age |
Regie | Domee Shi |
Cast | Meilin “Mei” Lee: Rosalie Chiang Ming Lee: Sandra Oh Miriam: Ava Morse Priya: Maitreyi Ramakrishnan Abby: Hyein Park Jin Lee: Orion Lee Wu Lee: Wai Ching Ho Tyler: Tristan Allerick Chen Mr. Gao: James Hong |
Laufzeit | 100 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 11. März 2022 auf Disney+ /12. Mai 2022 (Disc) |
Rot versetzt die Handlung in die 00er-Jahre und das gehört auch fest zum Geist des Filmes. Mei trägt ein Tamagotchi (= elektronisches Spielzeug, bei dem man sich um ein digitales Haustier kümmert) bei sich und die Figuren besitzen höchstens ein Tastenhandy. Es handelt sich also um einen Film, der vor dem Siegeszug sozialer Medien spielt. Wer die 2000er aktiv miterlebt hat und vielleicht sogar etwa in Meis Alter war, wird sich also in dem Setting pudelwohl fühlen und vielleicht auch etwas nostalgisch werden. Protagonistin Mei selbst ist dabei ein ganz typischer Teenager, der nach Unabhängigkeit strebt und dabei mit den Vorstellungen ihrer Mutter kollidiert. Denn während sie eigentlich auch mal chaotisch und wild sein kann, spielt sie vor ihrer Familie die brave Musterschülerin. Sie selbst ist sympathisch, aber auch sehr quirlig und aufgedreht. Zu ihren Freundinnen gehören mit Miriam, Priya und Abby drei ganz verschiedene Mädchen, die aber ebenfalls schnell sympathisch sind und vor allem ihre individuellen Charaktereigenschaften besitzen. Zudem verbindet die vier Schülerinnen eine wirklich schöne Freundschaft. Ohnehin ist die Handlung des Filmes eher einfach gehalten und auch Mei hat ihren Roten Panda überraschend fix recht gut unter Kontrolle, was aber sicher auch der begrenzten Laufzeit geschuldet ist. Meis Emotionen werden dabei stets fantasievoll und manchmal auch etwas überzogen dargestellt, was diese besonders greifbar macht. Auch an witzigen Situationen wird nicht gespart, sodass einige Lacher und Schmunzler garantiert sind.
Eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung
Die Beziehung zwischen Mei und ihrer Mutter Ming ist das Kernelement des Filmes. Während Mei sich als Teenager ausprobiert und weiterentwickelt, sieht Ming in ihr noch immer nur ihr kleines perfektes Mädchen “Meimei”. Diese Boyband, die so viele Kids verehren? Verbrecher und ganz sicher nichts für die kleine Meimei! Interesse an Jungen? Bloß nicht, dafür ist Mei doch noch viel zu jung! Rebellion? Nicht ihre Meimei, die ist doch so ein braves Mädchen! Ming verschließt die Augen vor dem Älterwerden und den Veränderungen ihrer Tochter. Noch dazu hat Ming keinerlei Bewusstsein, wo eine Grenze gezogen werden sollte und schafft es dadurch, auf einer Peinlichkeitsskala für ihre Tochter eine glatte 11 von 10 zu sein. Natürlich liebt Ming ihre Tochter, doch es fällt ihr schwer, zu sehen, wie Mei sich von einem Kind zu einem Teenager entwickelt und dabei eben eigene Wege geht. Die Komplexität dieser schwierigen Bindung und Dynamik von Mutter und Tochter wird überzeugend dargestellt. Dieses Thema wird auch weiter vertieft, indem etwa Meis Großmutter Wu und ihre Tanten auftauchen, die ebenfalls allesamt eine Meinung zu Meis flauschigem Alter Ego haben. Zwischen Wu und Ming herrscht nämlich ebenfalls ein nicht ganz einfaches Verhältnis und womöglich war Ming ihrer Tochter Mei in der Jugend doch ähnlicher, als sie zugeben möchte. Am Ende sind es auch die Momente zwischen den Familienmitgliedern und von Mei, die es schafft, zu sich selbst zu stehen, diejenigen, die besonders berührend sind.
Inspiriert von Studio Ghibli
Dass Rot Themen wie Pubertät (wenn auch eher durch die Metapher des Roten Pandas), die Emanzipation von den Eltern und den Mut zum Einschlagen des eigenen Weges behandelt, dürfte wenig überraschen. Auch das Ende des Filmes ist recht vorhersehbar, was aber dem Unterhaltungswert keinen Abbruch tut. Die Umsetzung der Geschichte um ein junges Mädchen, das mit 13 Jahren auf einmal mit einer großen Veränderung kämpfen muss, ist unfassbar liebevoll und herzlich umgesetzt. Natürlich ist ihr Roter Panda nämlich unglaublich süß, selbst die Szenen, in denen er furchteinflößend und zerstörerisch wirken soll, rufen eher ein “Aww” hervor. Damit ist die Disney-Pixar-Produktion einmal mehr ein schöner Familienfilm, der sowohl ältere als auch jüngere Zuschauer:innen unterhalten kann. Regisseurin Domee Shi gibt selbst an, dass sie sich in ihrem Erzählstil vor allem von Produktionen des japanischen Anime-Studios Ghibli, speziell Meine Nachbarn die Yamadas und Chihiros Reise ins Zauberland, beeinflussen ließ. Tatsächlich ist es einfach, zwischen Shis Rot und dem Ghibli-Klassiker Mein Nachbar Totoro eine auffallend große Parallele zu finden: eine Figur, die als flauschiges, großes Wesen auftritt (auch wenn es sich bei Totoro um einen Waldgeist handelt). Ebenfalls eine große Inspiration sind für Shi ihre eigenen Erfahrungen als chinesischstämmige Kanadierin, gerade mit ihrer eigenen Familie. Dieses Motiv wird besonders in Rot deutlich, schließlich ist auch Meilin eine in Kanadas Hauptstadt Toronto lebende Chinesin. Aber auch ihr oscarprämierter Kurzfilm Bao (2018) handelt von einer komplexen Mutter-Kind-Beziehung, in der die einengende Liebe einer Mutter fast das Verhältnis zu ihrem erwachsenen Sohn zerstört.
Meisterlich schön animiert
Die Animationen des Filmes können sich absolut sehen lassen, denn sie wirken einfach nur fantastisch. Insbesondere der Rote Panda ist derart detailreich und strahlend schön inszeniert, dass man sich kaum an ihm satt sehen kann. Bei diesem flauschig wirkenden Fell kann man gut nachvollziehen, warum sich Abby immer wünscht, ihre Freundin Mei solle sich doch in den Roten Panda verwandeln. Das Charakterdesign und der Stil innerhalb des Filmes selbst stieß hingegen schon vor Release auf ein geteiltes Echo. Während die einen den charmanten, comichaften und einzigartigen Stil lobten, empfanden andere ihn als kindisch und plump. Letzten Endes ist der Stil sicher Geschmackssache, aber er ist in jedem Falle passend und sehr niedlich. Gerade die zahlreichen witzigen Szenen werden durch Elemente wie strahlende Kulleraugen untermauert, was sie umso lustiger macht. Ein wenig erinnert der Stil auch an das Aussehen der (wenigen) Menschen in Findet Nemo. Interessanterweise bestehen zwischen Rot und dem Unterwasser-Abenteuer auch inhaltliche Parallelen. Denn in beiden Filmen liegt der Fokus auf einer Eltern-Kind-Beziehung und dem Loslassen des eigenen Kindes. Musikalisch bietet Rot vor allem Pop-Songs, die allesamt von Ludwig Göransson (The Mandalorian) geschrieben wurden. Zu den Interpreten gehören hingegen Stars wie Billie Eilish und Finneas O’Connell, die insgesamt drei der Songs vertont haben. Diese werden im Film von der fiktiven Boyband 4*TOWN gesungen.
Fazit
Rot ist ein herzerwärmender Film um den Mut, einen eigenen Weg einzuschlagen und die Turbulenzen als Teenager, fantasievoll untermauert durch die Verwandlung in einen Roten Panda. Die Geschichte ist schön erzählt und bleibt (bis zum Finale) in einem eher kleinen Rahmen, was angenehm ist. Besonders das Finale weiß dann auch zu berühren und vermittelt eine ermutigende Botschaft, denn irgendwie haben wir doch alle einen wilden Roten Panda im Herzen. Dem Film gelingt hierbei der Spagat aus witzigem Klamauk und Ernsthaftigkeit, sodass sich das Ergebnis ausgesprochen rund anfühlt. Der Rote Panda ist einfach unglaublich niedlich und Meis teils etwas übertrieben dargestellte Emotionen sind sowohl nachvollziehbar (insbesondere, als ihre Mutter sie zu Beginn des Filmes mehrfach blamiert) als auch passend für ein Mädchen ihres Alters. Wer Disney-Pixar-Produktionen mag, hat Rot ohnehin schon als Must-See vermerkt, aber auch wer Lust auf eine unterhaltsame Geschichte um Teenager und ihre Eltern hat, ist hier an der richtigen Adresse. Nicht zu vergessen, dass Rot einen flauschigen Roten Panda in den Mittelpunkt rückt. Bei all dieser Niedlichkeit kann man sich dem Film kaum entziehen.
© Disney
Veröffentlichung: 12. Mai 2022
Ich war gespannt, was Rot so bieten würde. Pixar-Filme empfange ich immer mit offenen Armen, weil sie sich auf angenehme Weise vom Animationsallerlei abheben. Zudem finde ich hier die Tatsache umarmenswert, dass die Handlung in den frühen Jahrtausendern spielt. Das bedeutet also schon einmal, dass man nicht permanent mit Smartphones zugeballert wird und einige kommunikative Herausforderungen noch durch miteinander sprechen gelöst werden müssen.
Über die Aufmachung kann man sicherlich streiten: Mir ist es zu bunt, zu zuckerig, zu viel Kitsch. Und eben auch überraschend nischig, die Zielgruppe ist hier klar auf junge Mädchen gesteckt. Anders als bei vielen anderen Pixar-Titeln eben. Dann trat auch das ein, was ich befürchtet habe: Teenagertauglicher Kitsch mit niedlichen Figuren und viel Musik. Auf Handlungsebene passiert da vieles, was an sich eher wenig spektakulär ist, wofür aber ein großes Fass aufgemacht wird. Der Generationenkonflikt ist dabei an sich nicht einmal halb so interessant, wie er gemacht wird und das ganze Drama um das Konzert ist … uhm, relativ gering von seiner Fallhöhe her. Ja, Teenagerprobleme sind andere, ich weiß. Trotzdem hat mit Rot nicht erreicht. Auch wenn die Metapher, sich als heranwachsende Frau für die Menstruation nicht schämen zu müssen, sondern natürlich damit umzugehen und das innere Monster klein zu halten, löblich und pädagogisch mit Sicherheit wertvoll sind.