Ghostbusters: Legacy
Die allerwenigsten Filme können von sich behaupten, gleichzeitig Filmgeschichte geschrieben und popkulturelles Stück geworden zu sein. Eine Produktion, die das ohne mit der Wimper zu zucken von sich behaupten kann, ist Ivan Reitmans Ghostbusters – Die Geisterjäger aus dem Jahr 1984, welches fünf Jahre später mit Ghostbusters II fortgeführt wurde. Es ist faszinierend: In fast jeder Generation kann man das markante Logo zuordnen. 1989 mussten die Fans der Geisterjäger allerdings Abschied nehmen, denn der zweite Teil, der sich wie das Ende einer Trilogie ohne Mittelstück anfühlte, war der letzte. Bis heute aber gehören die Ghostbusters zur Popkultur und angesichts vieler Neuauflagen, Fortführungen und Retro-Wellen ist ein inhaltlich dritter Teil nach so langer Zeit ebenso überraschend wie auf der anderen Seite auch wieder nicht. Ghostbusters: Legacy setzt nämlich nach zeitlichem Abstand dort an, wo 32 Jahre zuvor aufgehört wurde. Mit Ivan Reitman (Juno) blieb die Regie in der Familie und der Kinostart im November 2021 versprach groß zu werden, doch insbesondere das Kritiker-Echo meinte es mit dem Threequel alles andere als gut. Ist das wirklich die knallhart berechnete Retro-Rechnung nach der es aussieht? Der Heimkinostart am 10. Februar 2022 gibt Antworten.
Callie Spengler (Carrie Coon, The Leftovers) und ihre Kinder Trevor (Finn Wolfhard, Stranger Things) und Phoebe (McKenna Grace, Captain Marvel) müssen notgedrungen aus finanziellen Gründen nach Oklahoma aufs Land umziehen. Summerville heißt die verschlafene Ödnis, wo Callies Vater Egon ihr ein Haus vererbt hat. Die neue Bleibe ist allerdings eine einzige Bruchbude voller okkultem Kram. Die gerissene Phoebe findet schon bald heraus, dass sie einen berühmten Großvater hatte. Kurz darauf stellt sie unheimliche Ereignisse in ihrer Umgebung fest und vertraut sich ihrem Mitschüler, dem schrägen Podcast (Logan Kim) an. Ein Berg in der Nähe des Städtchens erweckt den Eindruck, eine böse Macht anzuziehen. Nachdem die Kinder die Ausrüstung ihres Großvaters entdecken und wieder reparieren, wähnen sie sich bereit, dem Spuk in Summerville ein Ende zu setzen. Doch das Jagen und Einfangen von Geistern ist nicht so einfach, wie Phoebe, Podcast und Trevor sich das vorgestellt haben …
Ein Franchise im ewigen Schatten der 80er
Originaltitel | Ghostbusters: Afterlife |
Jahr | 2021 |
Land | USA |
Genre | Fantasy, Komödie |
Regie | Jason Reitman |
Cast | Callie Spengler: Carrie Coon Trevor Spengler: Finn Wolfhard Phoebe Spengler: Mckenna Grace Gary Grooberson: Paul Rudd Lucky Domingo: Celeste O’Connor Podcast: Logan Kim Sheriff Domingo: Bokeem Woodbine |
Laufzeit | 125 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 10. Februar 2022 |
Manchmal ist Popularität Segen und Fluch zugleich. Nach zwei erfolgreichen Filmen schien es, als sei der Erfolg von Ghostbusters nicht mehr zu toppen. Alles nach dem ersten Film stand im Schatten des Originals, dessen Sequel bereits nicht mehr so erfolgreich wie der Vorgänger Fuß fassen konnte. Peter Venkman-Hauptdarsteller Bill Murray sah auch schlicht keinen Sinn dahinter, die Reihe fortzuführen und war bereits von der Qualität des zweiten Teils nicht überzeugt, auf den heute eher wohlwollend zurückgeblickt wird, als dass dieser wirklich herausragend ist. Dadurch, dass er sich einem weiteren Film verschloss, fanden die Ghostbusters fortan nur noch außerhalb des Kinosaals statt. Auch der Zeichentrickserie The Real Ghostbusters (inklusive des Spin-offs Slimer!) ging die Puste Anfang der 90er aus. Mit einer weiteren Zeichentrickserie und einer Neubesetzung der Geisterjäger in Extreme Ghostbusters sollte noch einmal eine Wiederbelebung für ein junges TV-Publikum folgen, doch dann war es lange still im Geisterzirkus. Zwar waren die Ghostbusters nie wirklich weg und existierten immer irgendwo als Spielzeuglinie oder in Videospiel-Form, aber eine Vergleichbarkeit zu ihrer Leinwand-Präsenz konnte nicht hergestellt werden damit. Bis 2016, als mit Ghostbusters von Paul Feig eines der größten finanziellen Desaster Hollywoods erschien. Sein Film mit weiblichem Geisterjäger-Ensemble generierte einen horrenden Verlust von 70 Mio. US-Dollar. Absoluter Schiffbruch! Schon in Vorfeld zeichnete sich ab, dass die Akzeptanz der Fans nicht vorhanden war. Die Qualität des Films stellte einen kreativen Bankrott dar und rechtfertigte sicherlich viele negative Stimmen – nicht aber die misogynen Hass-Kommentare in sozialen Medien. Der Misserfolg erweckte den Eindruck, als sei ein weitere Teil unmöglich. 2016 war eben ein schweres Jahr: Trump, Brexit und nun auch die Ghostbusters.
Kein Kritikerliebling
Gras gewachsen ist über Ghostbusters von 2016 bis heute nicht, denn mit der überraschenden Ankündigung einer Fortführung des zweiten Teils, der in der Gegenwart spielt, sahen viele erzürnte Fans nun den Tag der Abrechnung gekommen. Mit viel Zuspruch in den Reichweiten des Internets, die sich aber nicht unbedingt in den Ticket-Verkäufen widerspiegelten, startete Ghostbusters im November 2021 in den durch die Pandemie heftig in Mitleidenschaft gezogenen Kinos dieser Welt, begleitet von einem negativen Kritikerspiegel. Hauptschmerzpunkt: Die Ghostbusters seien ein Kind ihrer Zeit, das Gefühl von einst ließe sich heute nicht reproduzieren und das Franchise lebe von Nostalgie, anstatt die Mythologie weiterzuspinnen. Zumindest an einem Punkt ist etwas dran: 1984 war der richtige Zeitpunkt und es gab die richtigen Begleitumstände, die dazu führten, dass die Marke zu einer Erfolgsgeschichte wurde. Das lässt sich nicht planen, kopieren, wiederholen oder gar erzwingen. Alles andere: diskussionswürdig.
Wieviel Retro ist erlaubt?
Sollte Ghostbusters: Legacy tatsächlich der Startschuss für Folgefilme sein, tut sich der Film mit Sicherheit keinen Gefallen darin, die Nostalgie-Flagge derart hoch zu halten. Denn es stimmt schon: Es dominieren überwiegend bekannte Elemente, die einfach recycelt werden. Den Marshmallow-Man beispielsweise gibt es nun einfach nur als vielfache Kleinversion, Muncher ist nur eine dickere Version von Slimer, nur die Effekte sind teurer und schöner anzusehen, da zeitgemäßer, und der Schauplatz wurde von New York aufs Land verlegt. Ob aus Kostengründen oder inhaltlichen Gründen, darüber kann man sicherlich spekulieren. Die Umgebung jedenfalls wirkt wie in einem Stephen King-Film und Summerville lechzt ein wenig nach Stand By Me. Stilistisch ist alles an jene nicht totzukriegende Sehnsucht nach den 80ern angelehnt, von der auch Stranger Things zehrt. Nicht unwichtig war aus Marketingsicht im Vorfeld die Bestätigung, dass einige Namen von damals mit an Bord sein würden: Bill Murray, Dan Akroyd und Ernie Hudson als Geisterjäger, Sigourney Weaver als Dana Barrett und Annie Potts als Janine.
Echtes Erzählkino
Für einen Blockbuster nimmt sich Ghostbusters: Legacy viel Zeit, um seine Figuren zu etablieren. Neben Familie Spengler und Podcast gibt es eine Handvoll weiterer Figuren wie den coolen Lehrer Mr. Grooberson (Paul Rudd, Ant-Man) oder Trevors neuen Schwarm Lucky (Celeste O’Connor, Freaky), für die das Drehbuch genügend Zeit findet. Es dauert vergleichsweise lange, bis die Handlung ins Rollen kommt. Genau das ist die denkbar beste Entscheidung, denn die größte Stärke des Films sind seine Charaktere. Die erfolgreiche Einführung der vielen neuen Figuren erfolgt behutsam und wird von viel Fanservice in Form von Easter-Eggs und Anspielungen auf die alten Filme begleitet. Jeder noch so kleine Blick auf eine Geisterfalle oder natürlich den Ecto-1 wird gnadenlos von der Kamera aufgesogen. Jason Reitman war als Sohn des Original-Regisseurs Ivan Reitman bereits damals am Set der ersten beiden Filme. Er kennt die Gefühle der Fans ganz genau und weiß auch, was diese brauchen. Durch die Bank weg sind alle Figuren sympathisch. Egal wie nervig sie bei ihrer Einführung auch erscheinen mögen: Jeder ist liebenswert. Die Geister werden völlig zur Nebensache, da die Figureninteraktionen große Freude machen. Das ist echtes Erzählkino, denn die Figuren bestimmen die Handlung und nicht wie üblich umgekehrt.
Ein Cast auf Stand By Me-Niveau
Aus der Darsteller-Riege sticht vor allem McKenna Grace hervor, die schon viele Jahre Schauspielerfahrung mitbringt. Die Darstellung ihrer Phoebe fällt äußerst nuanciert aus. Man hält sie für besserwisserisch und begriffsstutzig, aber so simpel ist die Figur nicht gestrickt. Grace bekommt genau diesen Spagat hin, der ihre Figur zu einer natürlichen Person werden lässt. Phoebe ist weder ein Sonderling noch eine ätzende Besserwisserin. Und vor allem: sie nervt nicht. Damit ist sie auf Anhieb der Star des Films. Auch Paul Rudd kommt in seiner Rolle als Lehrer gut weg, was auch für den Rest des Casts gilt. Nur Phoebes Bruder Trevor kann drehbuchbedingt kaum einen Eindruck hinterlassen. Zwar ist er immer mit dabei, aber nie so präsent wie seine Schwester. Dass er von Finn Wolfhard dargestellt wird, ist natürlich ein Gruß an alle Fans von Stranger Things, die wohl auch die Zielgruppe darstellen neben jenen, die die 80er und 90er aktiv miterlebt haben. Das Besondere ist: Der Cast gestaltet seine Figuren so lebendig, dass diese auch ganz ohne den Ghostbusters-Rahmen funktionieren würden. Ein Volltreffer!
Gemächliche Geisterjagd
Wenn alle Handlungstragenden dann mal alle etabliert und der Unterbau der Vorgängerfilme als Kanon akzeptiert sind, geht es ans Eingemacht. Im Mittelteil kann die Geschichte keinen Blumentopf gewinnen, denn dafür ist die Handlung beinahe zu baugleich zum ersten Film. Wirklich neue Geister oder Ideen, die in Erinnerung bleiben, sind nicht mit dabei. Es ist weniger die Gesamthandlung, die sich positiv absetzt, als viel eher die einzelnen kleinen Szenen, die für den Zauber sorgen. Erstaunlich angenehm schreiten die Entwicklungen voran. In einer gemächlichen Tour, die im Jahr 2021 selten geworden ist. Mit viel Ruhe, wenig Hektik und nach Spielzeit durchkalkulierten Action-Frequenz. Nur das überladene Finale besitzt Spalt-Potenzial:
Ist das nun das Gefühl von damals oder nicht?
Ghostbusters von 1984 wird einem Humor beherrscht, der Grenzen ausreizt und oftmals auch mehr Anspruch besitzt als die junge Zuschauerschaft, die davor saß. Ein bisschen Erwachsenen-Guilty Pleasure. Vielleicht ist das neben der charmanten Präsentation auch der Grund dafür, dass die Komödie bei Kindern und Jugendlichen einen Kultstatus erlangte. Ghostbusters: Legacy kann dieses Gefühl de facto gar nicht erzeugen. Was Zuschauer:innen empfinden, ist das warme Gefühl von damals aus Sicht eines heutigen Erwachsenen, wenn man an Filme der 80er zurückdenkt. Also eine zum Film gewordene Liebeserklärung an das Original, die ein Gefühl transportiert, es aber nicht darstellt. Kann man das dem Film nun zum Vorwurf machen? Mit Sicherheit nicht. Und welche Fortsetzung, die fast 40 Jahre später erscheint, atmet schon noch denselben Geist? Dafür birgt dieser Teil Warmherzigkeit, Wunder und nahbare Figuren. Kritikstimmen, die sich ernsthaft echauffieren, dass der Film sich zu sehr auf das Damals verlasse, sollten nicht vergessen, dass der Film die Elemente von einst natürlich aufgreifen muss, um auch innerhalb des Ghostbusters-Universums seinen Platz zu finden. Als respektvolle Fortsetzung und nicht als softes Reboot, das sich wie ein knallhart durchkalkuliertes Wirtschaftsprojekt anfühlt.
Fazit
Ghostbusters: Legacy ist ein Retro-Blast, wie er im Buche steht. Vollgepackt mit viel Charme und zahlreichen Easter-Eggs haben Zuschauer kaum eine andere Möglichkeit, als den Film nicht ins Herz zu schließen. Wo ältere Zuschauer:innen beim Wiedererkennen Spaß haben, kriege gerade jüngere einen beinahe altmodisch langsam erzählten Film zu sehen, dem seine Dramaturgie wichtiger ist als Nonstop-Action. Trotz des intensiven Nostalgie-Flashs kann der Film zumindest ein bisschen eine eigene Duftmarke setzen. Zwar nicht so stark, wie man sich das wohl wünschen würde, aber so bleibt es gleichzeitig auch eine würdevolle Fortführung. Wäre nur jede Fortsetzung derart respektvoll und authentisch, wäre die Welt ein bisschen schöner.
© Sony Pictures
Veröffentlichung: 10. Februar 2022
Ganz viel Liebe für diese Fortsetzung. Ich habe dieses Jahr keine einziges Mal so sehr gelacht, wie in diesem Film. Dabei waren meine Erwartungen an den Ghostbusters-Ableger nur mittelmäßig. Ghostbusters 2016 ist schlicht so ein Reinfall für mich gewesen, daher lieber vorsichtig sein mit den Erwartungen.Jedoch wurde ich sehr überrascht, was den passenden Humor, die Story (nicht ganz so überraschend aber egal) und die Figuren angeht. Gerade Phoebe habe ich schnell ins Herz geschlossen, denn ihre eher verschlossene, ungelenke Art, gepaart mit ihrem Drang Dingen auf den Grund zu gehen, machen sie für mich einfach liebenswert lebendig. Gepaart mit Potcast bildet sie ein sympathisches Duo, das mich mehr als einmal zum Lachen bringt. Und dann noch unser cooler Lehrer, der einfach mal ein paar Autos dazu benutz eine Falle zu öffnen! Warum nicht!
Die Handlung ist zwar hier und da sehr vorhersehbar, aber das störte mich gar nicht so sehr, denn dank der eher langsamen Erzählweise, fühlte ich mich einfach so wohl in Summerville, dass ich einfach mit auf Geisterjagd gehen wollte. Vor allem einmal in der Mall den Marshmallow-Männchen weiterzuschauen. Wie geil sind denn bitte diese kleinen Dinger!!! XD Da habe ich echt Tränen gelacht und werde nie wieder Marshmallows zwischen Keks und Schokolade legen können, ohne ein bestimmtes Bild vor Augen zu haben.
Witzig finde ich ja, dass Finn Wolfhard in einem Interview sagt, dass seine Rolle in Stranger Things, bzw. dass er dort für Halloween als Ghostbuster herumlief, ihm die Rolle wohl einbrachte. XD Mir soll es recht sein, denn Trever ist ebenso eine sympathische Figur, wie sogar seine Mutter.
Ich bin auf jeden Fall sehr begeistert aus dem Kinosaal heraus und werde mir den Film noch auf Blu-Ray zulegen. Kann mir nur eine*r erklären, warum im deutsche Titel einfach ein englischen Wort gegen ein anderes ausgetauschte wurde? Dabei ist Afterlife so viel passender! *augenroll*