Goldene Zeiten
Nach einem dystopischen Märchen und einer Steampunk-Novelle erschien mit Goldene Zeiten 2015 A.-G. Piels erster Steampunk-Roman im Verlag Edition Roter Drache. Dabei überzeugt der Autor mit einer gelungenen Mischung aus vielschichtigen Charakteren, Humor, Detektivarbeit und allerlei skurrilen Erlebnissen, die es denjenigen Lesern, die einen Einstieg in das Steampunk-Genre suchen, leicht macht, Gefallen an der Sache zu finden. Denn wer wird nicht neugierig, wenn die Prämisse des Buches darin besteht, dass Gold Maschinen menschliche Züge verleihen kann?
Als Prinzessin von Wales und Cumbernick hat Edwina Tudful kein leichtes Leben: Ständig muss sie die Missgeschicke ihres tollpatschigen und gutmütigen Bruders, welcher der König von Wales ist, ausbaden. Die Unabhängigkeit des kleinen Zipfels am unteren Rand der britischen Inseln ist sowieso stets in Gefahr, und als ihr Bruder versehentlich (während ihrer Hochzeit!) eine Kriegserklärung aus dem Kaukasus beschwört, muss Edwina alles unternehmen, um einen Kampf mit den Vapormunculi (im Volksmund “Dampfköpfe” genannt) zu vermeiden – vor allem, weil die walisische Armee gerade einmal aus einer Person in zitronengelber Uniform besteht.
Wales, London, Russland … Mars?
Dabei erlebt Edwina Tudful in Goldene Zeiten alles andere als solche. Es beginnt eine wilde Hetzjagd nach dem ersehnten Frieden für Wales, in der sie zeigt, dass sie gleichzeitig Diplomatin, Spionin und Frau ist. Dabei riskiert sie nicht nur, den Mann, den sie liebt, zu verlieren, sondern auch ihre Heimat. Denn militärisch komplett unterrepräsentiert (ignoriert man einmal die inoffizielle Streitmacht in Form einer Piratenflotte) hätte Wales keine Chance und müsste sich dem verhassten England anschließen. Also unternimmt unsere Heldin alles, um herauszufinden, wieso die Dampfköpfe plötzlich Interesse an kriegerischen Akten haben, wurden sie doch nur als hilfreiche Arbeitsmaschinen konstruiert.
Träumen Maschinen von Freiheit?
Originaltitel | Goldene Zeiten |
Ursprungsland | Deutschland |
Jahr | 2015 |
Typ | Roman |
Bände | 1 |
Genre | Steampunk, Agententhriller, Abenteuer |
Autor | A.-G. Piel |
Verlag | Edition Roter Drache |
Doch schnell erkennt die Diplomatin, dass aus vielen der einstigen Hilfsmaschinen denkende Maschinen geworden sind, die immer menschlicher werden, je höher ihr Goldanteil ist. So lernt sie in Russland Dimitri Ein-Sechstel kennen, und Edwinas Umdenken den Vapormunculi gegenüber liest sich sehr angenehm, erkennt sie selbst voller Staunen, dass sie ihr Gegenüber eher als Mann denn als Maschine betrachtet. Auch der Leser schließt den ein oder anderen Dampfkopf schnell ins Herz und hofft bis zum Schluss, dass sie ihre Wünsche umsetzen können (nur eben bitte ohne Krieg!).
Charaktere treiben die Handlung voran
Bekommt man als Leser oft den Eindruck, dass die Handlung selbst nur die Kulisse für die Charaktere ist, so wird man beim Lesen von Goldene Zeiten positiv überrascht. Komplex ausgearbeitete Persönlichkeiten zeigen, dass sie clevere Figuren in der Geschichte sind und sich ihren Weg zum gewünschten Ziel selbst aussuchen. Von Anfang an muss man Edwinas forsche Art lieben, die durch ihre weichen Seiten wie Mitgefühl und Empathie nur verstärkt wird. Doch auch Anastasia, eine junge Frau in Russland, die Edwina als Übersetzerin bereitgestellt wird, kann man nur mögen. Ihre leicht naive Art, die mit einem gefestigten Charakter voller Überzeugungen ist, bringt einen nicht selten zum Schmunzeln, eckt sie mit den anderen Figuren gerne einmal an. Jeder Charakter hat seine Daseinsberechtigung, und obwohl es auch Möglichkeiten gäbe, romantische Umwege zu gehen, driftet die Geschichte glücklicherweise nie in Kitsch ab.
Volldampf voraus
Mit den Vapormunculi ist bereits ein gutes Grundthema des Steampunk bedient. Gebaute Maschinen und andere Erfindungen wie modifizierte Luftschiffe und Waffen geben dem Drang der Bewegung, moderne Aspekte in vergangene Ästhetik zu hüllen, nach. Die viktorianische Ära wird auch mit dem meist vornehmen Gebaren der Charaktere bedient – bis es Edwina reicht und sie auf den Tisch hauen muss. Doch vorher schöpft sie alle Wege des Anstands aus. Als gelungen eingebaut kann man auch den Wunsch nach einer besseren Gesellschaft ansehen, was gerade durch die Gleichstellung von Mann und Frau in der Geschichte hervorgehoben wird. Abenteuer mit Agenten, Basteleien und viel Metall runden die Sache ab.
Goldene Zeiten zeigt von Anfang an seine eigene Dynamik, die sich stark an Agentenromanen orientiert. Man lernt jeden der Charaktere von der ersten Sekunde an zu lieben – selbst den König von Wales, der gern einmal in seiner kindlich plumpen Art ins Fettnäppchen tritt. Doch darin ist A.-G. Piel ein Meister: Die Figuren leben und es macht Spaß, ihren Weg zu verfolgen. Der Humor ist auf natürliche Art in das Geschehen eingebettet (nichts geht über Situationshumor, der kein Stück erzwungen ist!) und keiner verliert seine Ziele aus den Augen, was die Handlung in einem angenehmen Tempo vorantreibt. Alles in allem hatte ich sehr viel Vergnügen beim Lesen des Buches, obwohl ich beim Wechsel vom ersten zum zweiten Teil die Befürchtung hatte, dass dem nicht so sein könnte. Denn es findet ein größerer zeitlicher Sprung statt und ich habe in meinem Leseleben gemerkt, dass mir episodenhafte Romane nicht zusagen. Zum Glück verwuchs sich das zu den nächsten Teilen hin und ich konnte ein sehr gutes Steampunk-Buch lieben lernen!
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