Game of Thrones (Folge 8×01)

Sieben dicke Bücher, davon zwei bisher ungeschrieben. Sieben Staffeln. Acht Jahre. 67 Folgen. Ein riesiges, weltweites Fandom. Das ist Game of Thrones bisher. Und nun der Endspurt. Der Erwartungsdruck ist riesig für diese kurze achte Staffel. In gerade mal sechs Folgen sollen alle Geheimnisse gelüftet, alle Handlungsverknotungen eines riesigen Erzähluniversums aufgelöst, alle Figuren bis zum Schlusspunkt ihrer Entwicklung gebracht werden. Und eine epische Schlacht dräut am Horizont: Eiszombie-Armeen gegen den Rest der Welt. Mit Drachen auf beiden Seiten. Da hat HBO ja eine Menge vor.

Folge 1 der achten Staffel, also Folge 68 insgesamt, schließt einen sehr weiten Kreis. Wie einst in Folge 1 der ersten Staffel rennt und klettert ein neugieriges Kind, um ein Blick auf den langen Zug von Besuchern zu werfen, für die sich die Tore von Winterfell öffnen. Jon Schnee (Kit Harington, Pompei) ist zurück und hat als Verstärkung gegen die Armeen des Nachtkönigs Daenerys Targaryen (Emilia Clarke, Solo. A Star Wars Story) mit ihren Drachen, Dothraki-Reiterhorden und Ex-Sklaven-Bataillonen mitgebracht. Wieder einmal bringen ihm seine gut gemeinten, aber politisch unbedarften Aktionen wenig Dank ein: die Bewohner des Nordens nehmen ihm übel, dass er einer fremden Herrscherin Gefolgschaft gelobt hat. Dass ausgerechnet Tyrion Lannister (Peter Dinklage, Avengers: Infinity War) ihn verteidigt und eine Lannister-Armee als Unterstützung ankündigt, macht die Dinge auch nicht besser. Immerhin darf Jon endlich einmal auf einem Drachen reiten und mit Daenerys romantische Momente im Schnee verbringen. In Königsmund denkt Cersei Lannister (Lena Headey, Stolz und Vorurteil und Zombies) gar nicht daran, den Kampf im Norden zu unterstützen. Sie hat dank Euron Graufreud (Pilou Asbaek, Ghost in the Shell) und seiner Flotte eine Söldnerarmee nach Königsmund geholt und plant den Mord an ihren Brüdern Jaime und Tyrion. Während Euron es endlich in Cerseis Schlafgemach schafft, befreit Theon Graufreud (Alfie Allen, John Wick 2) seine Schwester Asha (Gemma Wheelan, Emma) und bricht nach Winterfell auf, während Asha die Eiseninseln zurückerobern will. Nördlich von Winterfell haben Beric Dondarrion (Richard Dormer, Rellik) und Tormund Riesentod (Kristofer Hivju, Fast & Furious 8) den Fall der Mauer überlebt und stoßen auf grausige Hinterlassenschaften des Nachtkönigs. Sam Tarly (John Bradley-West, Merlin – Die neuen Abenteuer) muss verarbeiten, dass Daenerys seinen Vater und Bruder hingerichtet hat und außerdem Jon das Geheimnis seiner Herkunft enthüllen: Jon ist nicht Ned Starks uneheliches Kind, sondern der Sohn von Lyanna Stark und Rhaegar Targaryen, somit der Erbe des Throns von ganz Westeros und in der Thronfolge weiter vorn als Daenerys, die sich nun als seine Tante herausstellt.

Warmlaufen vor dem Endspurt

Originaltitel Game of Thrones (Season 8)
Jahr 2019
Land USA
Episoden 1 / 6
Genre Fantasy
Cast Jon Snow: Kit Harington
Daenerys Targaryen: Emilia Clarke
Cersei Lannister: Lena Headey
Tyrion Lannister: Peter Dinklage
Jaime Lannister: Nikolaj Coster-Waldau
Sansa Stark: Sophie Turner
Arya Stark: Maisie Williams
Varys: Conleth Hill
Sam Tarly: John Bradley
Euron Graufreud: Pilou Asbaek

Teil 1 von 6 dieser Staffel hat die undankbare Aufgabe, alles wieder in Gang zu bringen und jeder Figur ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Das grenzt an die Aufgabe, das Telefonbuch von Westeros möglichst unterhaltsam auf den Bildschirm zu bringen. Erstaunlicherweise funktioniert es. Schön eingebaut: das Zitat aus der ersten Folge. Damals zogen jede Menge Figuren durchs Tor, die man alle noch nicht kannte, die aber in den kommenden Folgen alle Profil entwickeln konnten. Jetzt ziehen wieder jede Menge Figuren durchs Tor und man kennt sie alle. Das Ganze passiert fast wortlos, nur Blicke verraten, wer wen wiedererkennt und wie wer zu wem steht. Die ersten Dialogzeilen sind ein Eunuchenwitz von Tyrion. Varys is not amused. Dann sind alle angekommen und wie in Staffel sieben werden Begegnungen durchgespielt, um Charaktermomente herauszukitzeln: Jon trifft Bran, Sansa trifft Daenerys, Gendry trifft den Bluthund, der Bluthund trifft Arya, Arya trifft Jon, Sam trifft Daenerys, Bran trifft Jaime Lannister. Obwohl einige sich seit Jahren nicht gesehen haben und einander enorm viel zu erzählen hätten, sind die Dialoge umso sparsamer, je besser man die Figuren kennt und je mehr man einen knappen Satz mit dem Vorwissen aus sieben Staffeln ergänzen kann. Ob Arya denn ihr Schwert Needle schon einmal benutzt hätte, fragt Jon. Ein, zwei Mal, antwortete Arya, die Rächerin und ausgebildete Meuchelmörderin. So etwas macht Freude.

Richtig viel Screentime bekommen nur die Figuren, die man noch nicht gut kennt, Euron Greyjoy zum Beispiel, die Nervensäge. Der darf Piraten-Machismo versprühen und obwohl Cersei ihm eine königliche Abfuhr erteilt, lässt sie ihn dann doch in ihr Bett. Warum nur? Er ist nicht langweilig. Recht hat sie: in Königsmund ist es einsam geworden, alle interessanten Figuren sind im Norden.
Screentime bekommen auch die Drachen: Jon darf jetzt auf Rhaegal reiten. Die Drachenflugszene ist lang und wie für das IMAX gemacht. Am besten mit wackelnden Sitzen und Kunstschneegestöber aus dem Ventilator. Pferde machen jetzt einfach keinen Spaß mehr, kommentiert Jon das Erlebnis. WoW-Spieler kennen das Gefühl. Die folgende Kuss-Szene vor Schnee und Wasserfall-Kulisse sollte misstrauisch stimmen. Game of Thrones hat einfach keine glücklichen Liebesgeschichten. Oder das ist auch einer von den Richtungswechseln, die passiert sind, seit die Serie andere Wege einschlägt als die Bücher?

Auf der Zielgeraden

Game of Thrones hatte seine besten Momente, als noch viele Handlungsstränge sich unübersichtlich miteinander verknoteten, Verrat, Intrigen und Geheimnisse blühten und man nie wusste, wie es weitergeht und welcher Sympathieträger als nächstes unerwartet stirbt. Seit die Serie die Bücher überholt hat, ist das anders geworden, seitdem spürt man deutlich, dass es nicht mehr weiter in alle Richtungen wuchert, sondern gezielt auf eine Auflösung hinsteuert. Das ist sinnvoll, macht aber längst nicht so viel Spaß. Man merkt die Eile, mit der die Figuren alle an ihren Platz geschubst werden. Theons Befreiungsaktion etwa geht so schnell und mühelos wie beim Indianerspielen, das stuft die Gefährlichkeit der Situation ziemlich herunter. Und schwupps ist er auf dem Weg nach Winterfell und sie auf die Eiseninseln… ob das ihr Abgang aus der Handlung ist, oder ob ihr Plan, einen Zufluchtsort für Daenerys zu schaffen, noch Wichtigkeit bekommen wird, das kann man nicht absehen.
Und warum nur muss der Endgegner eine Armee aus Untoten sein? Das hatte George R. R. Martin vom ersten Kapitel an so konzipiert, aber eine richtig gute Idee ist es dennoch nicht. Game of Thrones war am fiesesten und wirkungsvollsten, wenn menschliche Grausamkeit, Egozentrik und Machtgier triumphierten. Ein Zombie-König will nichts außer morden, er hat keine Persönlichkeit und keine Schwächen, keine Eitelkeit, keine Kindheitskomplexe, keine Rachegelüste, keine Loyalitätskonflikte, kurz gesagt, er ist nicht viel mehr als ein Kastenteufelchen. Folge 1 reißt mehrere Themen an, die über viele Folgen hinweg spannendes Game of Thrones-Futter sein könnten: Die Enttäuschung des Nordens, dass der neu gewählte König seinen Titel so schnell für eine schöne, fremde Herrscherin aufgibt so etwas endet bei Game of Thrones eigentlich tödlich. Die Tatsache, dass Jon jetzt in der Thronfolge vor Daenerys steht, hat Daenerys auf dem Weg zum Thron jemals vor einem Hindernis Halt gemacht? Schade um all die Möglichkeiten, die haben jetzt nur noch fünf kurze Folgen Zeit, sich zu entfalten und dabei auch noch Platz für episches Schlachtengetümmel zu lassen.

Meinung

Gefühlt passiert in der Folge nicht viel. Ein Eindruck, der täuscht. Es passiert sehr viel. Viele Leute sprechen mit vielen anderen Leuten. Es gibt sogar ein bisschen Sex, Action und Drachenfliegen. Nichts davon ist wirklich spannend. Oder erzeugt das typische Game of Thrones-Gefühl von permanenter Unsicherheit und Bedrohung. Dafür ist es ein gelungenes Klassentreffen: Alle sind wieder da, alle ein bisschen älter, aber immer noch so, wie man sie in Erinnerung hat. Selbst die Untoten haben dazugelernt: sie basteln jetzt kunstvollere Muster aus Leichenteilen als vor sieben Staffeln. Dann kann es in den nächsten Folgen ja richtig losgehen.

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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