Zwischenfazit: Star Trek: Discovery
Schwarzer Alarm wird erst einmal wieder aufgehoben, denn die Mannschaft der Discovery geht nach den ersten neun Folgen bis zum 7. Januar 2018 in die wohlverdiente Winterpause, bevor dann die letzten Folgen der ersten Staffel ausgestrahlt werden. Während Zuschauer nun also mit scharrenden Hufen das neue Jahr herbeisehnen, wünscht sich wohl mancher Trekkie, dass Star Trek: Discovery am besten gar nicht erst wieder anläuft. So oder so eine Gelegenheit für ein Zwischenfazit.
Michael Burnham hat alles verloren. Nachdem sie in der Schlacht bei den Doppelsternen ungewollt den Klingonen beim Anzetteln eines Krieges geholfen hat, als erste Föderationsoffizierin überhaupt Meuterei begangen hat sowie mitansehen musste, wie ihre Freundin und Vorgesetzte Captain Georgiou vor ihren Augen vom klingonischen Messias T’Kuvma umgebracht wurde, soll Michael eigentlich den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen. Obwohl Burnham diese Strafe gerne auf sich nimmt, hat Captain Lorca von der U.S.S. Discovery andere Pläne und versucht die meistgehasste Person in der Föderation kurzerhand für seine Mannschaft zu verpflichten. Unter der Projektleitung von Lieutenant Stamets wird auf der Discovery mit dem Spore Drive ein neuartiges Antriebssystem entwickelt, welches dem Schiff erlauben würde, augenblicklich von einem Punkt in der Galaxie zum anderen zu reisen. Damit ließe sich im Krieg mit den Klingonen die Oberhand gewinnen, wenn der Spore Drive den funktionieren würde. Überzeugt davon, dass im Krieg alle Mittel rechtens sind, hat Lorca auch wenig Probleme damit, die verurteilte Burnham bei der Lösung des Antriebsproblems einzusetzen. Diese ergreift wiederum die Gelegenheit ihren Fehler wiedergutzumachen und dabei zu helfen, den Krieg zu beenden. Damit sind nicht alle auf Lorcas Schiff einverstanden, besonders seinem ersten Offizier Commander Saru, Burnhams ehemaliger Konkurrent auf der Shenzhou, stellen sich die Fühler zu Berge beim Gedanken, eine Gefahr wie Burnham an Bord zu haben. Doch findet sie auch neue Freunde an Bord, wie ihre lebhaft dahinquasselnde Zimmergenossin Kadettin Tilly oder den aus klingonischer Gefangenschaft befreiten Sicherheitsoffizier Lieutenant Ash Tyler, für den sich Burnham sogar ein paar – für ihre vulkanische Erziehung so untypische – Gefühle erlaubt.
Kein Picknick auf Risa mehr: die neue Härte
Star Trek-Serien ist Gewalt eigentlich nicht fremd. Seit Captain Kirk wird sich geprügelt, herrscht oder herrschte Krieg und sterben Crewmitglieder. Deren Namen musste man sich aber meist nicht länger als ein paar Minuten merken, während die Stammbesatzung relativ sicher war, solange deren Schauspieler bei den Produzenten nicht in Ungnade fielen. Die Gewalt war bisher meist ziemlich entschärft. Mit Handballen und Gebetsfäusten schlägt man aufeinander ein, gelegentlich wird mal jemand vaporisiert und selbst wenn Bat’leths oder Messer hervorgeholt werden, ging es meist mit minimalen Bluteinsatz zur Sache. Star Trek: Discovery legt da eine bedeutend härtere Gangart ein und zeigt schon mit der ersten Folge nach dem Piloten ein Geisterschiff, das eher den Eindruck macht, als hätte Ridley Scotts Alien dort sein Unwesen getrieben. Star Trek wurde jetzt zwar nicht gerade zu einem Space-Splatter umfunktioniert, aber es werden auch durchaus mal derbere Anblicke ins Bild geschoben. Dazu gehören deformierte Leichen, sogar mal Gedärme und auch Folter in Discovery geht über den bisher üblichen Ohrwurm hinaus. Auch hat man das Gefühl, dass (abgesehen von Burnham) alle Crewmitglieder auf ähnlich wackeligen Beinen stehen wie eine Game of Thrones-Figur. Diese härtere Tonart kommt – neben der aufgefrischten Optik – nicht bei allen Trekkies gut an, die einen leichteren Umgang gewohnt sind. Auch das Argument, dass Roddenberrys ursprüngliche Vision einer besseren Menschheit mit einem derart düsteren Setting verraten wird, kann man durchaus geltend machen. Dem kann jedoch auch entgegenhalten werden, dass diese Vision stärker wirken kann, wenn ihr Gewalt und Schrecken entgegengestellt werden, die nicht auf USK 12 hinunter verharmlost werden. Dies mag Serienromantiker vergraulen, aber bereits der Kinoreboot hat gezeigt, dass dem alten Franchise eine Frischekur durchaus guttun kann. Trotz dessen wird aber auch traditionellen Star Trek-Elementen Tribut gezollt und zwischen den Erzählsträngen rund um Burnham und den Krieg ließ sich bisher auch jeweils eine Folge mit einer Außenmission und einem Time Loop einbauen.
Die Mannschaft der Discovery meldet sich zum Dienst
Da sich die Mannschaft der Discovery im Gegensatz zu bisherigen Star Trek-Serien erst im Laufe mehrerer Folgen finden muss und nicht fertig zusammengesetzt startet, entwickeln sich Dynamiken zwischen ihnen erst noch. Während man also auch eine ganze Reihe von Gesichtern regelmäßig sieht, konnte man nur eine Handvoll von ihnen bisher wirklich kennen lernen. Mit Kadettin Tilly und ihren Zahlreichen Macken bekommt man in der sonst eher düster gehaltenen Serie den dringend nötigen Comic Relief und sie harmoniert mit der ernsten Burnham genauso gut wie mit dem sehr von sich selbst überzeugten Stamets, der wiederum seine gefühlvolle Seite in seiner Beziehung zu Dr. Culber zeigt. Ash Tyler wirkt trotz seiner Gefangenschaft mit seiner aalglatten Unerschütterlichkeit zunächst fast schon wie die einzige Figur, die auch in jeder anderen Star Trek-Mannschaft einen Platz finden könnte, zeigt dann aber im Zwischenfinale ebenfalls, dass in dieser Figur einiges an labilen Potential steckt. Mit Gabriel Lorca bekommen Zuschauer in jedem Fall eine sehr kontroverse aber auch interessante Figur als Captain. In erster Linie möchte dieser nämlich nur eins: den Krieg gewinnen, um jeden Preis. Zwar zeigen sich auch in ihm positive Werte wie Fürsorge um seine Mannschaft, Idealität oder Entdeckergeist, doch trifft er auch problemlos Entscheidungen am Rande und weit jenseits von moralischen Linien, an der andere Kapitäne inspirierende Reden darüber halten, wie das Nicht-Überschreiten dieser Linie die Föderation ausmacht. Da es bei einer Niederlage im Krieg aber keine Föderation mehr geben würde, werden Regeln von Lorca gebogen und gebrochen, um weiterzukämpfen und zu gewinnen. Im Zentrum der Handlung steht natürlich weiterhin Burnham. Es ist vor allem ihre Geschichte rund um ihre Vergangenheit, die Folgen der Entscheidung die sie getroffen hat (was ihr im ballastreichen Umgang mit Commander Saru immer wieder ins Gedächtnis gerufen wird) und ihre Zukunft, denn sobald der Krieg beendet ist, wartet wieder die Gefängniszelle auf sie.
Neben Discovery schaue ich mir aktuell auch noch einmal sieben Staffeln Deep Space Nine an und obwohl beide Serien einen Krieg behandeln, fühlen sie sich doch grundverschieden an. Die alten Serien hatten einen leichteren Grundton. Man konnte oft lachen und man sieht ihnen auch ein eher begrenztes Budget an, dass manchen Folgen mehr den trashigen Charakter einer Daily Soap, aber auch einen ganz besonderen Charme gibt. Für mich kann ich es soweit auf den Punkt bringen, dass die alten Star Treks Wohlfühlserien sind und Discovery ist das eben nicht. Die Produktionskosten sind höher, Figuren und Handlung sind von Anfang an zielgerichteter und sie nimmt sich auch bedeutend ernster. Um es für mich erneut auf den Punkt zu bringen: Sie ist halt eine moderne Dramaserie. Darüber hinaus ist sie für mich auch eine ziemlich gute Serie und noch etwas weiter darüber hinaus ist sie sogar eine erfolgreiche Serie, da Staffel 2 schon nach ein paar Folgen verkündet wurde. Ich muss zugeben, als Star Trek-Fan musste ich mich ab und zu auch mal schütteln, aber wenn man als Trekkie in sich die föderative Offenheit für Neues entdeckt, stellt man fest, dass es sehr spannend ist, was Discovery mit dem Franchise macht und dass dabei ein sehr gutes Ergebnis herauskommt.
Wie ist das eigentlich mit diesem schwulen Paar (?). Sind die organisch (also glaubhaft) in die Geschichte integriert oder ist das eine Mischung aus Political Correctness und Fanservice?
Noch schwer zu sagen, da Stamets und Culber bisher eher wenig Paar-Screentime hatten. Also reiner Fanservice (wie in Spartacus oder so) ist es nicht. Auf mich wirkt es auch nicht erzwungen, eher so, dass beide total verliebt ineinander sind und an einer Stelle erzählt Stamets auch die Geschichte, wie sich beide kennengelernt haben, die ich auch sehr schön fand und die gut in die Handlung passt.
Insgesamt ist es halt echt schade, dass es bei aller Star Trek-Utopie so viele Jahre, Serien und Filme gebraucht hat, bis überhaupt mal eine Liebeseziehung zwischen zwei Männern einen festen Platz bekommen hat. Dementsprechend hat man schon das Gefühl, dass jetzt (zu spät) auch etwas nachgeholt wird, das lange überfällig war.
Homosexualität kommt schon vor.
In Star Trek Deep Space Nine hat Jadzia eine lesbische Beziehung.
Im Spiegeluniversum macht sich Kira auch mal an Frauen ran.
Und Riker hatte mal so etwas wie eine Beziehung zu einem – sagen wir mal – transgender Alien.
Insgesamt etwas wenig. Aber vermutlich wollte man die Zuschauer nicht überfordern. Gleichberechtigung bei Rassen und Geschlechtern stand da mehr im Fokus. Dennoch war es stets der Anspruch von Star Trek alle Formen von Diskriminierung zum Thema zu machen.
Es ist also nichts Neues.
Na dann ja umso erfreulicher, wenn das schon seit längerem Tradition ist. Aber den Zuschauer wird man wohl auch auf lange Sicht nicht überfordern wollen.
Die Glaubwürdigkeit für das Paar als solches ist absolut da. Man lernt beide kennen, sie haben einen festen Platz auf der Discovery (Ingenieur und Arzt) und sind jeder für sich darüber bereits charakterisiert. Ein sehr wichtiger Punkt. Sie sind halt zusammen und das wird genauso behandelt wie eine heterosexuelle Ehe gezeigt worden wäre. Im weiteren Verlauf
Ansonsten muss man sagen, dass Homosexualität sehr kurz kommt. Auch die von Goldjunge angesprochenen Beispiele sind sehr zweischneidig. Spiegeluniversums Kira ist zwar eindeutig bisexuell (ein Wort, das in Film und Fernsehen ein riesiges rotes Tuch ist), dafür ist sie aber auch ein Bösewicht und bedient ein bestehendes hypersexuelles Klischee.
Die Beziehung von Jadzia Dax und Lenara Kahn ist dagegen eine vorzeigbare very-special Episode. Für den TV Zuschauer ist das (damalige Fernseh)Tabu der Kuss zwischen zwei Frauen. Innerhalb der Welt von DS9 spricht die Sozialstruktur der Alienrasse Trill dagegen. So konnten die Autoren sich retten, dass es in der aufgeklärten Föderationswelt gar kein homosexuelles Problem war.
(Die Trill wurden zuerst in TNG eingeführt und da gab’s einen eher peinlichen no homo Moment am Ende, im Grunde hat man das mal ausgebügelt.)
Gleiches gilt für die TNG Folge “The Outcast”. Es ist klar ein vorzeigbarer Meilenstein, denn Anfang der 90er gab’s nix mit irgendwelchen Transidentitäten. Aber innerhalb der Folge gibt es eine Alienrasse, die keinerlei Geschlechtsunterschiede benutzt und eine Figur sieht sich selbst doch eher weiblich und bricht damit eine Norm.
Als letztes kann dann noch Star Trek Beyond genannt werden, da in dieser alternativen Zeitlinie Hikaru Sulu nun schwul ist und Ehemann samt Kind vorzuweisen hat. Eine winzig kurze Szene, die einen riesigen Aufruhr verursacht hat.
Bei sieben Serien und 13 Kinofilmen ist die Ausbeute sehr dünn und Discovery konnte hier tatsächlich was neues anbringen und hat das möglichst unaufgeregt getan. Es verbleibt aber die Frage, wie das weitergehen soll und ist kein wirkliches Verkaufsargument.
Als so ziemlich lebenslanger Trekkie muss ich zu Discovery sagen, dass es mir als Serie unwahrscheinlich gut gefällt. Als Star Trek betrachtet ist es aber Käse, weil die Macher einerseits den vollen Fanbonus versuchen einzustreichen mit Referenzen und gleichzeitig null Bemühungen zu sehen sind, die Serie auch wirklich nur im entferntesten in die bekannte Zeitlinie einzupassen. Es darf ernster sein, es darf gern eine straffere Handlung sein, aber dann sollen sie doch einfach mal eine gänzlich neue Serie anfangen und die Minimum 20+ Jahre nach Voyager spielen lassen. Allein diese Holokommunikation ist dämlicher Mumpitz, der mich wieder und wieder vollkommen aus jeglichem Trek Feeling rausgerissen hat.
Sonequa Martin-Green ist allerdings perfekt und sie bewältigt die Aufgabe klasse, den wohl bisher komplexesten Lead einer Star Trek zu geben. Die Figur Michael Burnham verkörpert die Ideale der Föderation und Sternenflotte in einer Umgebung, die an jeder Ecke und Kante versucht den Optimismus abzuschleifen.
Danke für deine Ausführungen. Ich werde wohl nie ein Trekkie werden, geschweige denn damit anfangen. Aber rein für meine Neugier und meine Wissensbasis, ist dein Kommentar dafür Gold wert.