Bonding (Staffel 2)

Wenn es darum geht, Serien schon nach der ersten Staffel eiskalt zu beenden, ist Netflix besonders bei weniger profilierten Titeln nicht zimperlich mit der Axt. Umso angenehmer ist die Überraschung, dass sich Rightor Doyles (The Walker) BDSM-Comedy Bonding zu einer zweiten Staffel durchgewuselt hat. Seit Januar 2021 geht es für Tiff und Pete bzw. Mistress May und Master Carter in die zweite Runde und um Schwierigkeiten in und außerhalb des Domina-Gewerbes.

Nach den Ereignissen der ersten Staffel gelten Tiff und Pete in BDSM-Kreisen mehr oder weniger als unerwünschte personae non gratae. Niemand möchte sie mehr engagieren und zunehmend dringend auf Geld angewiesen suchen die beiden schließlich Hilfe bei Tiffs ehemaliger Mentorin: Mistress Mira. Diese und ihre ehemalige Schülerin sind vor Jahren jedoch nicht gerade im Guten auseinandergegangen. Ehe Mistress Mira ihnen guten Gewissens Klienten vermittelt, müssen die beiden bei ihr einen Domina-Grundkurs absolvieren und im Folterkeller erst mal wieder die Schulbank drücken. Privat läuft es für die beiden allerbesten Freunde immerhin besser: Tiff hat es sich selbst erlaubt, eine feste Beziehung zu ihrem Psychologie-Kommilitonen Doug einzugehen, wobei sie explizit nicht seine Freundin ist. Pete ist außerdem weiterhin glücklich mit Josh zusammen und auch seine Karriere als Stand-Up-Comedian, wo er sein BDSM-Alter-Ego Master Carter mimt, gewinnt allmählich an Fahrt. Doch auch in der privaten Idylle tun sich nach einer Silvester-Feier plötzlich neue Konfliktherde auf.

Da die Norm selten unterhält

Originaltitel Bonding
Jahr 2021
Land USA
Episoden 8 in Staffel 2
Genre Dramedy
Cast Tiff: Zoe Levin
Pete: Brendan Scannell
Doug: Micah Stock
Josh: Theo Stockman
Frank: Alex Hurt
Portia: Gabrielle Ryan
Rolph: Matthew Wilkas
Mistress Mira: Nana Mensah
Fred: Charles Gould
Veröffentlichung: 27. Januar 2021 auf Netflix

So muss Tiff dort die Bekanntschaft mit Dougs Ex-Verlobten (der Kristall-Esoterikerin Gina) machen und auch sonst in Dougs Freundeskreis die üblichen Fifty Shades Of Grey-Klischees ertragen, seit sie ihren Domina-Nebenberuf öffentlich gemacht hat. Pete stellt indes fest, dass Josh im Familienkreis und auf der Arbeit noch nicht sein Coming Out hatte und mit seinen Kollegen-Bros in den heteronormen Locker-Room-Talk verfällt. Insgesamt rücken die Nebenfiguren in Staffel 2 vermehrt in den Fokus und bekommen ihre eigenen Szenen. So begleitet man etwa Doug, der eine Selbsthilfegruppe für Männer und ihre unterbewusste Misogynie leitet und feststellen muss, dass er trotz seines hohen Bewusstseins dafür, selbst nicht gegen dieselben Verhaltensweisen immun ist. Auch verbringt man mehr Zeit mit Petes WG, bestehend aus Analverkehr-Fan Frank, dessen Freundin Portia und Petes Sklaven/Haushaltshilfe Rolph, die ebenfalls ihre kleinen Charaktermomente haben dürfen. Besonders in diesem herangewachsenen Figurengeflecht und den kurioseren Fetischen von Mistress Mays Klienten kann Bonding immer wieder mit Situationskomik glänzen, doch ihre Stärke beweist die Serie dieses Mal woanders.

Neues Rollenspiel als Dramedy

Bonding nimmt sich immer wieder Zeit für längere und auch sehr analytische Figuren-Dialoge über Beziehungsverhältnisse. Oder auch über Machtverhältnisse im BDSM-Bereich, die dann auf ähnliche Verhältnisse im Privaten oder Gesellschaftlichen transferiert werden. Gerade in diesen ernsthafteren Dialogen kann Bonding faszinieren und zum Nachdenken anregen. Dies kontrastiert dann wiederum mit seltsam übertriebenen albernen Szenen. In einem Moment messerscharfe und fesselnde (Wortspiel nicht beabsichtigt) Analyse, im nächsten dann Beckenübungen mit schwingenden Strap-on-Dildos. Dies scheint manchmal seltsam widersprüchlich, reflektiert aber auch die Einstellungen der beiden Hauptakteure zum BDSM-Beruf. Während Pete in Mistress Miras Grundkurs nur am Rumblödeln ist und die Eskapaden von Carter und Mistress May ohne Rücksicht auf vertrauliche Grenzen in Pointen für sein Bühnenprogramm ummünzt, nimmt Tiff die Sache zunehmend ernst. Von ihrer Mentorin zu wichtigen Grundwerten wie gegenseitiges Einverständnis und Vertrauen zurückgeführt, ruft sie Tiff wieder die Verantwortung in Erinnerung, die eine Domina für sich und ihre Klienten tragen muss. Tiff muss sich dabei zunehmend selbst hinterfragen, ob sie ihr Psychologiestudium überhaupt für sich selbst anstrebt. Ist der Domina-Beruf dabei wirklich nur Mittel zum Zweck oder für sie nicht doch mehr eine Berufung? An diesen zunehmend auseinandertriftenden Standpunkten (Lachnummer gegenüber ernstzunehmender Aufgabe) wird auch zwischen Pete und Tiff eine anwachsende Spannung mit dem Potenzial für einen dramatischen Konflikt aufgebaut. Dieser verleiht Staffel 2 einen bedeutend ernsthafteren Grundton und mehr erzählerische Tiefe.

Fazit

Zwar hat die zweite Bonding-Staffel insgesamt ein paar Minuten mehr Spielzeit als die erste, bleibt mit acht Folgen zu je ca. 20 Minuten aber rein vom Umfang her serientechnisch trotzdem ein kurzweiliger Imbiss für Zwischendurch. Ich mag, dass Bonding dabei jedoch mit wenigen Mitteln sehr viel macht. Sowohl der Cast um Zoe Levin und Brendan Scannell wie auch Rightor Doyle als alleiniger Autor und Regisseur schaffen immer wieder einprägsame Bilder und Charaktermomente. Inhaltlich werden zudem gekonnt zwei grundverschiedene Perspektiven auf die BDSM-Gemeinschaft (einerseits als zu verlachende Albernheit, andererseits als ernstzunehmende Bedürfnisse und Verantwortungen) gegenübergestellt und daran eine dramatische, involvierende Geschichte erzählt. Ein Serienimbiss, ja, aber ein sehr gekonnter.

© Netflix

Lyxa

Lyxa studiert aktuell das Fach Und-was-macht-man-damit in Mainz, liest viel, schreibt gerne und schaut sich viel und gerne allerlei Serien und Filme an, am liebsten Science-Fiction. Lyxa ist dabei besonders der Dunklen Seite der Macht verfallen, weil es dort die cooleren Outfits gibt.

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Ayres
Redakteur
2. April 2021 12:52

So, auch Staffel 2 wäre dann geschafft. Insgesamt finde ich die Staffel einen Tick weniger gut als die erste, was aber daran liegt, dass ich mich schon viel zu stark an den komödiantischen Unterbau gewohnt hatte. Ich stimme dir zu, dass die ernsten Momente im Grunde aber punkten, weil das Thema Fetisch dann eben doch nicht komplett veralbert werden soll. Schade finde ich nur, dass Tiff und Pete am Ende beide alleine dastehen und die Entwicklungen ihrer Beziehungen so forciert wirken. In Peters Fall zum Beispiel kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb er diese Beziehung überhaupt führt, so beiläufig kam die zustande. Eine dritte Staffel als Abschluss wäre noch toll. Drei ist im Serien-Bereich von Netflix ja die übliche Schlagzahl, insofern bin ich da ganz zuversichtlich, dass wir noch ein Ende bekommen werden.