Kingdom
Bereits seit 2006 erscheint der Historien-Manga Kingdom von Yasuhisa Hara. Nach zwei Anime-Staffeln mit 77 Folgen sowie einem Eintrag ins Guinessbuch der Weltrekorde für den Manga mit der höchsten Beteiligung (eine Social Media-Kampagne der Fans für eine Neuveröffentlichung des 26. Bandes, Frame für Frame nachzuzeichnen) ist es an der Zeit für den nächsten logischen Schritt. Eine Live-Action erscheint in vielerlei Hinsicht als nächstes Etappenziel, um neues Publikum zu erschließen. In Falle von Kingdom führte dieses auf die Leinwand anstatt ins Fernsehen. Unter Live Action-Profi Shinsuke Sato (Bleach, Gantz) entstand der 134-minütige Epos, dessen Deutschlandpremiere auf dem Fantasy Filmfest 2019 stattfand.
China, die Zeit der Streitenden Reiche (475 -221 v. Chr.): Shin (Kento Yamazaki, Josuke Higashikata in JoJo’s BIzarre Adventure) und Hyou (Ryo Yoshizawa, Sougo Okita in Gintama) wachsen als Sklaven auf einem Bauernhof heran. Die beiden Jungen sind Vollwaisen, die den Traum verfolgen, eines Tages große Generäle zu werden und alle Länder Chinaus zu einen. Von klein auf trainieren sie täglich im Schwerkampf. Eines Tages scheint Hyou seinem Traum ein wenig näher zu kommen: Ein Abgesandter des Königs beobachtet die beiden Jungen beim Kampf und stellt eine Ähnlichkeit zwischen Hyou und dem König fest. Hyou wird mit an den Hof genommen und dient fortan als Double des Herrschers. Shins Motivation wird von da an noch größer. Doch als sich die Jungen erneut begegnen, liegt Hyou im Sterben und übergibt Shin die Karte zu einem Ort, welchen er besuchen solle. Shin schwört auf Rache und begibt sich auf die Reise …
Komplexe Geschichte vereinfacht
Originaltitel | Kingudamu |
Jahr | 2019 |
Land | Japan |
Genre | Action, Historie |
Regisseur | Shinsuke Sato |
Cast | Shin: Kento Yamazaki Hyou: Ryô Yoshizawa Ka Ryo Ten: Kanna Hashimoto Shobun-kun: Masahiro Takashima Heki: Shinnosuke Mitsushima Dako: Masami Nagasawa |
Laufzeit | 134 Minuten |
Seit dem 24. Januar 2020 im Handel erhältlich |
Eines gilt es vorab zu sagen: Vollumfänglich wird die mehr als 50 (!) Bände starke Originalgeschichte Kingdoms nicht erzählt. Wie auch, wenn sie noch immer gezeichnet wird. Dementsprechend wurde das Skript gestrafft und zu einem Original-Ende geführt. Inhaltlich ist der Live-Action davon nichts anzumerken, denn das Ende wirkt rund und in sich abgeschlossen. Auch zwischenzeitig kommt nicht der Eindruck auf, als würde etwas ausgespart werden oder sei der Schere zum Opfer gefallen. Zu verdanken ist das Regisseur Shinsuke Sato, der ein mittlerweile großes Portfolio an Live-Action-Adaptionen beliebter Mangas hervorweisen kann und es verstanden hat, die Essenz herauszuarbeiten. Abgebildet wird der Beginn der Geschichte, welche irgendwann eine neue Abzweigung in Richtung Finale nimmt. Anspruch auf historisch korrekte Nacherzählung ist in Kingdom nicht gegeben. Ob das nun daran liegt, dass die Grundlage aus Japan stammt oder es sich um einen Manga und kein Geschichtsbuch handelt, lässt sich gar nicht genau zuordnen. Die Darstellung fällt neben vergleichbaren Titeln wie Shadow geradezu poppig aus.
Typisch Manga
Auch weitere Merkmale lassen eine klare Einordnung auf den Ursprung der Geschichte zu. Da ist zum Beispiel die Gefährtin Ka Ryou Ten (Kanna Hashimoto, Kagura in Gintama), die in einem Vogelkostüm herumspringt. Keine Figur, die man mit auf eine Schlacht nehmen würde, die aber immer für erheiternde Momente zuständig ist. Dann gibt es da die Bromance-Anflüge zwischen Shin und Hyou, welche ohne weiteres als Fanservice eingestuft werden können. Sehen lassen können sich indes die Kämpfe, die von einer ganz besonderen Kinetik profitieren. Bereits ein einfacher Tritt genügt, um einen Kämpfer 50 Meter weit über den Bildschirm fliegen zu lassen. Auch mitten in der Flugbahn mal die Richtung zu wechseln, scheint möglich zu sein. Physikalische Grenzen werden zu Gunsten furioser Darstellung regelmäßig aufgebrochen. Kingdom klotzt in diesem Punkt so richtig und geht aufs Ganze.
Japan und das Overacting, eine niemals endende Geschichte
Die Schwächen des Films liegen tatsächlich viel mehr in einigen typisch japanischen Begebenheiten. Etwa die Tatsache, dass der Held nahezu jeden Gedanken aussprechen muss, damit sichergestellt ist, dass auch jeder Zuschauer folgen kann. Doch nicht nur Inhaltliches, sondern auch Gefühle werden hier offen zur Schau getragen. Verwunderung kann ausschließlich mit weit geöffnetem Mund dargestellt werden. Und egal, ob Freude oder Trauer: alles geschieht lautstark, damit es ein anderer (und der Zuschauer) auch mitbekommt. Aus europäischer Perspektive sprechen wir hierbei vom Overacting. Ein weiterer Punkt ist die fehlende Entwickelbarikeit Shins: Von Anfang an sind Traum und Ziel gegeben. Bleibt nur noch der Weg bis dahin. Und genau der beansprucht keine persönliche Beteiligung, weil die Geschichte ganz zufällig nun einmal den Weg zum General hergibt. Geziert wird die Route mit viel Pathos und dick aufgetragenem Score, denn Shins Emotionsspektrum ist groß und Drama ist nicht einfach nur Mittel zum Zweck, sondern immer dazu da, um das Maximum an Leistung und Emotion zu wecken.
Fazit
Anders als viele andere Live-Action-Adaptionen leidet Kingdom nicht unter seiner unfertigen Vorlage. Die geradlinige Handlung ist stimmig und bildet einen in sich abgeschlossenen Film, der Historikern zwar die Nackenhaare aufstellen lässt, Anhängern bunter und überdrehte Action dafür umso mehr Freude bereiten wird. Ein Kontrastprogramm zu den vielen ernsthaften und düsteren Historienschinken, die der Markt hergibt.
© Sony Pictures