The Witcher: Blood Origin
Netflix hat es nicht leicht mit seinem The Witcher-Franchise. Zuerst entfachte Henry Cavill einen Fan-Sturm der Entrüstung, als er bekannt gab, dass er zukünftig nicht mehr die Rolle des Geralt von Riva verkörpern werde, und nun erleidet auch noch das im Dezember 2022 veröffentlichte Spin-off The Witcher: Blood Origin einen quotenmäßigen Schiffbruch. Zeitweise lag der Audience Score auf Rotten Tomatoes sogar bei 9% – ein neuer Negativrekord. Das schlechte Publikum-Rating mag aus dem Frust über das Drama um Henry Cavill entstanden sein, doch auch die Kritiker begegnen der Serie nicht gerade wohlwollend. Befindet sich The Witcher seit dem Fortgang seiner Galionsfigur also auf dem absteigenden Ast?
1200 Jahre vor den Ereignissen von The Witcher: Ein Staatsstreich erschüttert die Elfenzivilisation, nachdem der Friedensvertrag zur Einigung der verschiedenen Königreiche gescheitert ist. Prinzessin Merwyn (Mirren Mack, Sex Education) hat gemeinsam mit dem Druiden Barol (Lenny Henry, Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht) die Macht übernommen. Gemeinsam wollen sie ein goldenes Zeitalter einführen und mithilfe magischer Monolithen ihren Einfluss auf ferne Welten ausdehnen, die magische und dämonische Kreaturen beherbergen. Fernab der Hauptstadt treffen Éile (Sophia Brown, The Capture) und Fjall (Laurence O’Fuarain, Vikings) aufeinander, zwei Ausgestoßene rivalisierender Clans, die sich nach anfänglichem Misstrauen zusammenschließen, um die Verantwortlichen des Putsches zu töten. Im Laufe der Zeit schließen sich immer mehr Außenseiter der Truppe an und jede neue Figur bringt ihre eigenen Gründe für Rache mit.
Pseudo-Ironie
Originaltitel | The Witcher: Blood Origin |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Episoden | 4 (1 Staffel) |
Genre | Fantasy |
Cast | Éile: Sophia Brown Fjall: Laurence O’Fuarain Scian: Michelle Yeoh Meldof: Francesca Mills Merwyn: Mirren Mack Druide Balor: Lenny Henry Eredin: Jacob Collins-Levy Avallac’h: Samuel Blenkin Rittersporn: Joey Batey |
Veröffentlichung: 25. Dezember 2022 |
The Witcher: Blood Origin beginnt mit einem bekannten Gesicht. Der Barde Rittersporn (Joey Batey) trifft mitten im Schlachtgetümmel auf die zeitreisende Elfe Seanchai (Minnie Driver). Sie möchte ihm, als Schreiber von Balladen, die Geschichte über die Kollision der Welten – der sogenannten »Sphärenkonjunktion« – und der Entstehung des ersten Hexers erzählen. Kurzzeitig macht die Serie ihre Witzchen über die Kunst des Geschichtenerzählens und Rittersporn verdreht die Augen, sicher, dass es nur dieselbe olle Story über eine Bande von Außenseitern, die die Welt rettet, ist. Dieser augenzwinkernde Tonfall hätte funktioniert, wenn die Serie tatsächlich anders geworden wäre und das althergebrachte Konzept auf den Kopf stellen würde – tut sie aber nicht. Stattdessen bleibt sie im generischen Fantasy-Morast stecken und bringt nichts interessantes oder gar visionäres hervor – nichts, woran man diese Serie von anderen unterscheiden könnte. Ja, wenn man doch schon innerhalb der Serie die Elfen nicht von den Menschen unterscheiden kann …
Ihr seid mir alle egal. Und dich kenne ich nicht einmal.
Der Serie fehlt es also an Persönlichkeit. Mit ein Grund hierfür könnte sein, dass den Showrunnern Lauren Schmidt Hissrich und Declan De Barra keine Zeit gegeben wurde, die Motivationen all ihrer Charaktere zu vertiefen. Ursprünglich auf sechs Episoden ausgelegt, verlor man bei Netflix dann wohl doch das Vertrauen und stampfte Blood Origin auf vier Episoden ein. Sieben Protagonisten bei nur vier Folgen und dazu ein weltveränderndes Großereignis? Ganz schön viel auf einmal, daher ist es nicht verwunderlich, dass die Geschichte viel zu schnell erzählt wird und man in Folge dessen mit keiner einzigen Figur ‘connecten’ kann. Nehmen wir als Beispiel Prinzessin Merwyn, die bereits in der ersten Episode derart schnell ihre Gefühle und ihr ganzes Wesen wechselt, dass man denkt, eine völlig andere Figur vor sich zu haben. Generell kümmert sich Blood Origin nicht im Geringsten darum, aus seinen Charakteren mehr als nur Archetypen zu machen.
Der erste Satz einer Geschichte ist heilig? Pfff …
Ob die zwei zusätzlichen Episoden den Kohl fett gemacht hätten, bleibt anzuzweifeln, denn was bringt mehr Zeit, wenn das Writing mäßig bleibt? Bezeichnend hierfür sei der erste (!) in der Serie gesprochene Satz: »Fucking fuckity fucking fucking fuck!«. Hier kann man den Reifegrad erahnen, mit dem die Writer den Witcher-Stoff behandeln. Und das CGI? Das ist im Vergleich zur Mutterserie ein erheblicher Rückschritt und präsentiert uns Monster auf dem Rendering-Niveau einer PlayStation 2. Lediglich beim Soundtrack horcht man auf. Wo es in der zweiten Staffel von The Witcher überhaupt keine Form von distinktiver Musik gibt, wird in Blood Origin der Song »The Black Rose« eingeführt, vermutlich in der Hoffnung, dass daraus ein ähnlicher Gassenhauer wie »Toss A Coin To Your Witcher« aus Staffel 1 werden würde. Allerdings generiert »The Black Rose« statt Hui-Gefühle eher einen gewissen Nervfaktor, da die Showrunner den Song innerhalb der Serie inflationär ‘pushen’.
Es fremdelt überall
Blood Origin ist ein Spin-off zu Lauren Schmidt Hissrichs Version des Witcher-Universums, die bereits in Staffel 2 einen bedenklichen Kurs eingeschlagen und sich von Andrzej Sapkowskis literarischer Vorlage abgewendet hat. Daher gibt es auch in Blood Origin etliches, was im Vergleich zum Ursprungsmaterial anders ist – anders, aber nicht besser. Die aus Staffel 2 bekannte Entfremdung wiegt hier aber noch einmal schwerer, da man zu keiner Zeit das Gefühl bekommt, dass Blood Origin in derselben Welt spielt, in der auch Geralt und Ciri wandeln. Hissrich hat die originale Witcher-Welt in Staffel 2 entkernt, doch immerhin gibt es dort noch Geralt. In Blood Oirigin jedoch gibt es weder die Welt, noch Geralt. Wie gesagt: Wir stecken hier tief im generischen Fantasy-Morast fest.
Fazit
Mit The Witcher: Blood Origin ist Netflix weiterhin eifrig dabei, das Witcher-Franchise zu zerlegen. Ist das noch eine generische Fantasy-Story oder schon Trash? Blood Origin ist keine Adaption der originalen Witcher-Welt, präsentiert uns aber auch keine eigene Vision. Noch dazu habe ich als Zuseher nie das Gefühl, Teil einer bewegenden Geschichte zu sein. Blood Origin steht nicht für sich allein, ist aber auch kein notwendiger Teil der Mutterserie. Es gibt hier sehr wenig bis gar nichts, was man gesehen haben muss, wenn man jene Mutterserie mag, und es gibt auch nichts, was jemanden fesseln würde, der sie noch nicht kennt. Vielleicht ist es bezeichnend, dass sich Netflix für sein Spin-off das Ereignis der »Sphärenkonjunktion« herausgepickt hat – immerhin geht’s hier um den Zusammenbruch diverser Universen. Da könnte man sich doch glatt die Frage stellen, ob nicht dasselbe gerade auch mit dem Witcher-Universum geschieht.
© Netflix