Ghostrunner 2

Hach, Ghostrunner – dieses perfekt geschnürte Game-Paket aus dem Jahre 2020. Ein berauschender Parkour-Platformer, bei dem man sich als Cyborg-Ninja durch Gegnerreihen schnetzelt und bei nur einem Treffer tot ist. Die Steuerung: Präzise. Der Schwierigkeitsgrad: Verrückt. Das Design: Cyberpunk pur. Mit dem Nachfolger Ghostrunner 2 versuchen die Entwickler von One More Level an den Erfolg anzuknüpfen und erweitern das eng geschnürte Konzept aus Laufen, Springen, Dashen und Killen um neue, ungewohnte Elemente. Da stellt sich nun die Frage: Ist das gut? Oder zerstört das den gewohnten Flow?

   

Ghostrunner 2 spielt kurz nach den Ereignissen von Ghostrunner. Wir kehren zurück in den Dharma-Tower, dem letzten Leuchtturm der Zivilisation in einem ansonsten apokalyptischen Ödland. Durch den Fall von Mara herrscht nun ein Machtvakuum, das durch unterschiedliche Fraktionen ausgefüllt wird, die um die Vorherrschaft kämpfen. Jack, der letzte Überlebende der Ghostrunner – quasi die einstigen Robocops des Towers – arbeitet mit der Fraktion der »Erklimmer« zusammen, die versuchen, eine Art Regierung zu etablieren. Ein hübscher Plan, der durch das plötzliche Auftauchen der »Asura« – abtrünnige Ghostrunner-Prototypen, die die Welt brennen sehen wollen – torpediert wird. Jack eröffnet die Jagd, um die Asura zu besiegen und den Tower zu retten.

Lebenspunkte am Limit

Originaltitel Ghostrunner 2
Jahr 2023
Plattform PlayStation 5, Xbox Series, Microsoft Windows
Genre Action, Jump’n’Run
Entwickler One More Level
Publisher 505 Games
Spieler 1
USK
Veröffentlichung: 26. Oktober 2023

Wir schlüpfen wieder in die Haut von Ghostrunner-74 aka Jack. Ausgerüstet mit Katana, Greifhaken und Hoodie rasen wir durch neonfarbende Cyberpunk-Levels und versuchen zur treibenden Futuresynth-Mucke von u.a. Daniel Deluxe und We Are Magonia die Gegner wegzuschnetzeln, ehe sie dasselbe mit uns tun. Denn in Ghostrunner 2 gilt wie gewohnt das Permadeath-Prinzip (»1 Hit, 1 Kill«), und zwar für beide Seiten. Davon ausgenommen: Die Bossgegner. Während also die Asura über eine großzügige Lebensleiste verfügen, die von uns mit viel Geschick runtergesäbelt werden muss, stehen wir selber immer mit einem Bein bereits im Grab. Das macht die Ghostrunner-Games so verrückt schwer, aber auch so nervenaufreibend spaßig, denn jeder Versuch wird zu einem neuen wunderprächtigen Ballett aus Parkour und Blut. Sollten wir mal das Zeitliche segnen, starten wir nahtlos (quasi aus der Bewegung heraus) am letzten der vielen, fair gesetzten Checkpoints – der Flow bricht also nie ab, top.

Mehr Social Time

Warum Jack wieder da ist, obwohl er im Vorgänger sein eigenes Todesurteil unterschrieben hat, weiß zunächst keiner so genau. »Schätze, ich bin einfach zäh«, sagt Jack. Und das muss dann auch erst einmal reichen. Wir sind ja nicht wegen der Story hier, auch wenn diese in Ghostrunner 2 wesentlich mehr Raum zum Atmen bekommt. Denn, und das ist eines der vielen neuen Elemente: GR2 verfügt nun über einen HUB. Eine Basis, in der wir Upgrades vornehmen können, auf unserer Stube die Collectibles abhaken, Missionen starten und mit den NPCs reden. Figuren wie Zoe, Connor und Saul, die im Vorgänger nur per Funk anwesend waren oder mal als Name fielen, besitzen nun einen Körper. Diese verstärkte soziale Ebene setzt sich auch in den Funkgesprächen fort: Während wir unter Schweiß an Wänden entlang sliden, können wir dem vermehrten Geplänkel zwischen Jack und seinen Compagnions lauschen. Ebenfalls mit im Team: Commander Bakunin, der abtrünnige Schlüsselwächter aus der Vorgänger-DLC Ghostrunner: Project_Hel. Aber … ist der nicht eigentlich auch gestorben? Ach, egal.

Größer, weiter, schneller

Ghostrunner 2 bietet einiges an Level-Vielfalt. Die kleinräumigen, intensiven Levels sind nach wie vor vorhanden. In diesem Räumen stellt sich die Frage: Was ist die optimalste Route um nicht zu sterben? Alles muss wohl überlegt sein, denn sobald man den ersten Schritt tut, heißt es: »Alles oder nichts«. Ein Fehler und man ist, wie gesagt, tot. Andere Level sind größer angelegt und ermöglichen ein Innehalten und taktisches Überblicken. Später eröffnet sich der Spielerin sogar eine semi-offene Spielwelt, die wir auf einem halsbrecherischen Motorrad durchqueren – gefühlt noch schneller als jeder Podrenner. Dass sich das Gefährt dabei manchmal in den Felsen aufhängt, ist geschenkt. Doch keine Panik, GR2 ist nur vorübergehend semi-offen und berädert. Generell ist das Spiel sehr gut darin, neue Orte, Bedingungen oder Mechaniken nie im ungesunden Maße auszureizen. Noch bevor überhaupt die Chance besteht, dass Langeweile aufkommen könnte, switcht das Game und beschert uns einen neuen »Woah, bretter ich hier gerad’ mit 300 Sachen durch das Innere eines Riesenwurms und spring durch den Anus wieder raus? Wie cool!!«-Moment. Dieserart schafft es Ghostrunner 2 uns permanent bei Laune zu halten.

Ghostrunner is going rogue

Natürlich hält Ghostrunner 2 auch neue Spezialfähigkeiten bereit. Das Phantom-Gimmick etwa schenkt uns eine Kopie unserer selbst. Wir werden unsichtbar, während das Phantom Gegner ablenkt und/oder Laser blockiert. In Kombination mit dem anspruchsvollen Platforming braucht es blitzschnelle Finger, um unsere Kopie im richtigen Moment verschwinden und wieder entstehen zu lassen. Upgrades nehmen wir auf unserem Motherboard vor. Dabei können wir frei wählen, ob wir die Punkte in »Schwertkunst«, »System«, »Bewegung« oder ganz etwas anderes investieren wollen. Weiterhin kann man innerhalb der Levels Challenge-Terminals finden, bei denen man unter Zeitdruck bestimme Aufgaben erledigen muss. Und wer abseits des Main-Games noch weitere Herausforderungen sucht, der kann sich am »Roguerunner«-Modus gütlich tun. Hier slashen wir uns im Roguelike-Stil durch eine zufällige Abfolge von Räumen, heimsen dabei zufällige Upgrades ein versuchen bis zum Schluss durchzuhalten. Als Belohnung winken kosmetische Veränderungen.

Ist er denn noch da, der Flow?

Bei all diesen neuen Elementen mag man sich fragen: Ist er noch da, der »Ghostrunner-Rausch«? Es ist durchaus legitim zu argumentieren, dass die Smalltalk-Momente im HUB oder die Abstecher in die semi-offene Spielwelt das Rauschgefühl unterbrechen können. Im Ausgleich dafür erhält man aber auch mehr Charaktermomente und man lernt die Lore in und um den Dharma-Tower kennen. Der Spieler muss für sich selbst entscheiden, ob er Fan davon ist oder nicht. Ein weiterer Faktor, der in »den Rausch« mit hineinspielt, ist das Movement der Hauptfigur. In dieser Hinsicht mag für einige kaum ein Unterschied zwischen GR1 und GR2 spürbar sein. Aber wenn man die Korinthen unbedingt suchen möchte, dann könnte man Ghostrunner 2 eine Form von leichter Trägheit attestieren. Das mag an den größeren Levels liegen, da man sich aufgrund der neuen Dimension kleiner und langsamer vorkommt. Das könnte aber auch mit der neuen Block-Funktion zusammenhängen, die einen behäbig werden lässt, da man nicht permanent ausweichen muss wie im Vorgänger, sondern auch einfach mal stumpf das Katana hochhalten kann. Alles in Einem ist jedoch festzuhalten, dass der Unterschied im Movement nicht eklatant ausfällt. Die Bewegung in Ghostrunner 2 fühlt sich immer noch fantastisch an und bereitet Freude.

Fazit

Ghostrunner 2 begeistert mich genauso wie sein Vorgänger. Ein knallharter Parkour-Slasher, bei dem man als Cyborg-Ninja mit einem fancy Katana durch eine Vielzahl sorgfältig kuratierter Arenen läuft, springt, fliegt und dasht. Unterlegt mit einem Futuresynth-Soundtrack, dessen Basslinie das eigene Blut in Wallung bringt, stellt das Game eine konsequente Weiterentwicklung seines Vorgängers dar inklusive vieler neuer Elemente, die den klaren Fokus des Vorgängers zwar aufweichen, zugleich aber auch den Spaßfaktor nach oben treiben. Neue Gegner, neue Fortbewegungsarten, neue Fähigkeiten und ein Protagonist mit mehr Substanz, der auch mal »Arschloch!« in den Funk zischt – toll. Ghostrunner 2 ist Jacks Emanzipierungsstück. Eine schlüssige Weiterverfolgung seiner Cyborg-Entwicklung und das Sprungbrett zu weiteren Ablegern (… bitte, bitte).

© 505 Games

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments