What the Waters Left Behind

The Texas Chainsaw Massacre hat einige Jahre und einige mittelprächtige bis schlechte Nachfolger hinter sich. Da wird es Zeit, dass sich ein neuer Hinterwädler-Terrorfilm findet. Die beiden regieführenden Brüder Luciano und Nicolás Onetti haben da bereits eine argentinische Antwort in Hochglanz-Optik parat. What the Waters left behind (im Original Los Olvidados) besticht nicht nur mit seiner opulenten Optik, sondern auch mit dem außergewöhnlichen Schauplatz: Die Ruinenstadt Stadt Epecuén, welche 1985 überflutet wurde. Erst nach 25 Jahren zog sich das salzhaltige Wasser zurück und gab diesen wundersamen Schauplatz frei. Das Setting für sich stehend mag zwar bereits für einen Blumentopf ausreichen, doch noch weitere Qualitäten sind gefragt…

Argentinien. Einst war die Stadt Epecuén ein beliebtes Touristenziel. Nach einer Flut im Jahr 1985 wurden fast alle Häuser zerstört. Übrig geblieben sind konservierte, von Salz überzogene Gebäude, Autos oder Straßen. Seitdem besteht der Ort nur noch aus menschenleeren Ruinen und purer Ödnis. Ein sechsteiliges Filmteam hat Epecuén für eine Dokumentation ins Auge gefasst, welche für ein Festival eingereicht werden soll. Mit dabei ist eine Frau namens Carla, welche selbst vor dem Untergang in Epecuén lebte und vor der Kamera erzählen will, wie sie die letzten Stunden dort erlebte. Die anfängliche Begeisterung über die gigantischen Kulissen kühlt schnell ab, als eine Reifenpanne die Gruppe am Weiterfahren hindert. Als die jungen Menschen nach und nach voneinander getrennt werden, realisieren sie, dass die Stadt doch nicht so unbewohnt ist, wie ursprünglich gedacht…

Schema F des Backwood-Slashers

Originaltitel Los Olvidados
Jahr 2018
Land Argentinien
Genre Horror
Regisseur Luciano Onetti, Nicolás Onetti
Cast Erica: Paula Brasca
Carla: Victoria Maurette
Vick: Paula Sartor
Nacho: Victorio D’Alessandro
Vasco: Damián Dreizik
Tito: Evan Leed
Laufzeit 98 Minuten
FSK

Die Onetti-Brüder drehten vor What the Waters left behind die beiden Neo-Gialli Francesca und Sonno Profondo. Die Vorbilder für das blutige Spektakel in Epecuén liegen allerdings ganz klar im amerikanischen Backwood-Slasher. The Texas Chainsaw Massacra und Wrong Turn sind die Vorbilder für nahezu alles. Dafür wurden vielerlei altbekannte Elemente übernommen: Die Tankstelle mit widerlicher Besitzerin und grobmotorischem Sohn, die Reise per Bus, die typische Reifenpanne und natürlich eine Gruppe junger Menschen, die sich irgendwo zwischen ambitioniert und dümmlich platziert. Selbst im Aufbau ist alles identisch: Der Aufbruch in das unerforschte Gebiet, der erste Kontakt mit seltsamen Hinterwäldlern, der unfreiwillige Stopp und dann alles, was ohnehin obligatorisch ist: Menschenjagd, Folter und Kannibalismus.

Brutal ermüdend (oder: ermüdend brutal)

Die Figuren versuchen gar nicht erst, Sympathien zu sammeln. Das würden ihnen ohnehin nicht gelingen, denn sie sind eindimensional angelegt, haben jeweils nur eine Sache im Kopf (entweder die Dokumentation oder Sex) und es steht ihnen auf die Stirn geschrieben, dass sie sterben sollen. Dementsprechend sind auch die Dialoge pures Geplänkel und immer dem Selbstzweck dienend. Damit ist die Sache mit dem Mitleid geklärt, kommen wie also zum Herzstück des Films. Bei den Schlachtszenen lassen sich die degenerierten Hinterwäldler mit den Tiermasken viel Zeit, um die Szenen genüsslich zu zelebrieren. Auch an eine Vergewaltigungsszene wurde gedacht, um sich ein bisschen Torture Porn auf die Flagge schreiben zu können. Damit diese nicht ganz so hart ausfällt, wurde die Figur bereits zuvor als untreue Schlampe eingeführt. Hart sind die Szenen allemal, auch wenn das Mitleid nicht so recht aufkommen mag.  Der Film genießt den Luxus, ungeschnitten in Deutschland zu erscheinen. Dennoch endet so manche Szene eher abrupt, was den Anschein erweckt, dass hier etwas fehlen könnte. Immer, wenn das Drehbuch in die Belanglosigkeit zu versinken droht, lassen die Gebrüder Onetti einen Plot Twist los, dessen Ausgang sich zumindest in beiden Fällen unvorhersehbar, aber nicht immer glaubhaft vollzieht. Der unverhoffte Helfer in Not, den man zunächst als Lockvogel vermutet, ist ein wirklicher Helfer und damit weiteres Jagdfutter. Und Carla, die man frühzeitig mangels sympathischer Mitreisender als Final Girl identifiziert, gilt als Strippenzieherin und ist der eigentliche Lockvogel. Chapeau!

Herausragende Produktionswerte

Der heimliche Star des Films ist seine Optik. What the Waters left behind hat ein derart aufpoliertes Bild, dass der Hochglanzdreck von selbst an Michael Bays Kettensägen-Remake von 2003 erinnert. Dazu wurden auf das gestochen scharfe Bild einige Blau- und Grünfilter gelegt. Deren Sättigung sorgt in Verbindung mit den auffälligen Kleidungsstücken der Figuren für einen besonders gelungenen Kontrast. Die Außenaufnahmen sind ein echter Augenschmaus. Akustisch besticht besonders der Subwoofer, welcher für ein ständiges Dröhnen sorgt und Unbehagnis erzeugt, als wäre der Handlungsort nicht bereits furchterregend genug.

Fazit

What the Waters left behind ist ein lupenreiner Backwood-Slasher, der mit seinem besonders stimmungsvoll in Szene gesetztem Schauplatz brilliert. Angesichts vieler Sparproduktionen im Slasher-Bereich wirkt die Produktion daher hochwertiger, wenngleich sich diese Qualitäten auf technische Aspekte beziehen. Inhaltlich gibt es Standardkost. Nicht mehr und nicht weniger. So stimmungsvoll das Drumherum auch ist, so wenig Interesse hat das Drehbuch an seinen Figuren. Etwas, das wiederum allen Freunden blutiger Folterei in die Karten spielt.

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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