Searching

Die Effektivität von Social Media bei der Fahndung nach vermissten Personen lässt sich kaum leugnen. Schließlich bieten die Nutzerprofile allerlei Daten und Hinweise auf soziale Kontakte, persönliche Vorlieben oder gerne besuchte Orte eines Nutzers. Dafür, dass der Mensch zunehmend mehr Zeit vor Bildschirmen und Displays verbringt, gibt es bislang noch wenige Filme, welche diese Thematik zum Herzstück ihres Films machen. Mit Searching schickt Regisseur Aneesh Chaganty (Monsters) einen Online-Thriller ins Rennen um die Gunst des Publikums, der ausschließlich aus der Perspektive von Bildschirmen erzählt wird. Produziert wurde der Film von Timur Bekmambetov, der bereits in Unknown User und Unfriended: Dark Web Erfahrungen mit starkem Social Media-Einsatz sammelte.

  

Nach dem Tod ihrer Mutter lebt die 16-jährige Margot Kim (Michelle La, Mom) alleine bei ihrem Vater David (John Cho, Sulu in Star Trek). Die beiden haben ein gutes Verhältnis und der Tod des Familienmitglieds hat sie zusammengeschweißt. Auch wenn es hin und wieder Differenzen im Alltag gibt, etwa beim Herunterbringen des Mülls. Deshalb klingeln bei David gleich die Alarmglocken, als die eigentlich zuverlässige Margot nach dem Treffen mit ihrer Lerngruppe nicht nach Hause kommt. Er verpasst drei Anrufe von ihr mitten in der Nacht, danach bricht der Kontakt zu ihr komplett ab. Detective Rosemary Vick (Debra Messing, bekannt als Grace Adler aus Will & Grace) übernimmt den Fall und geht von einer Ausreißerin aus. David vermutet jedoch ganz andere Gründe hinter dem Verschwinden seiner Tochter und versucht die Nacht des Verschwindens zu rekonstruieren. Hierfür nutzt er Margots Computer-Account und machte brisante Entdeckungen über seine Tochter…

Familiengeschichte im Schnelldurchlauf

Originaltitel Searching
Jahr 2018
Land USA
Genre Thriller
Regisseur Aneesh Chaganty
Cast David Kim: John Cho
Margot Kim: Michelle La
Pamela Nam Kim:Sara Sohn
Peter:
Joseph Lee
Detective Vic:
Debra Messing
Laufzeit 102 Minuten
FSK

Bereits in den ersten Minuten zeichnet sich für Zuschauer, die es bis hierhin nicht wussten, ab, dass Searching ausschließlich über virtuelle Kommunikationsmittel erzählt wird. Die Vorgeschichte der Familie Kim erfahren wir durch alte Video-Aufzeichnungen. Darin stellt sich einerseits die Entwicklung Margots vom Baby zur 16-jährigen mittels vier verschiedener Schauspielerinnen dar. Andererseits ist die Familiengeschichte eine traurige, denn Mutter Pamela (Sara Sohn, Fast & Furious 7) verstirbt. Das Erzählmedium Video leistet hier ganze Arbeit, denn binnen weniger Minuten kennt man die Familie und auch das Verhältnis der Familienmitglieder zueinander.

Der Ideenpool ist groß

Wie clever sich Geschichten per Computertechnologie erzählen lassen, stellt Aneesh Chaganty geschickt unter Beweis. Dafür kommen nicht nur Facebook und Co. zum Einsatz, sondern eben auch Videoaufnahmen, Kalendereinträge oder E-Mails. Dialoge finden generell in Skype via Webcam statt und auch Anrufe tätigt David über seinen Computer. Dadurch entgeht dem Zuschauer nichts. Auch wenn der Einsatz der modernen Technologien nicht in jedem Fall stimmig erscheint, ist es die Bandbreite an Möglichkeiten, die hier voll ausgeschöpft wird. Zu einem späteren Zeitpunkt gesellen sich auch noch Überwachungskameras und TV-Berichte hinzu, die das Geschehen aus einer dritten Perspektive wiedergeben können ohne dass es dadurch zu einem stilistischen Bruch kommt. Eine wirklich starke Sammlung an guten Ideen.

Mut zu Mut, doch wenn es darauf ankommt…

Inhaltlich ist Searching nicht ganz so rund. Zunächst einmal ist die Prämisse des verschwundenen Kindes und dessen zu rekonstruierender Route nicht ganz neu. Das ist nicht weiter schlimm, denn alle drehbuchbedingten Langatmigkeiten verzeiht man schnell dank der innovativen Erzählweise. Die Möglichkeiten des Plots lassen immerhin Spielraum. Prisoners etwa macht daraus ein Drama, während The Call – Leg nicht auf! mit Halle Berry den Live-Ansatz verfolgt. Searching ist in etwa in der Mitte der beiden anzusiedeln. Der Film setzt mehr auf Intensivität als auf richtigen Echtzeit-Thrill. Beim Vorantreiben des Plots geht es allerdings mitunter ziemlich ungestüm zu. So werden regelmäßig falsche Fährten gestreut, die mal mehr, mal weniger gut funktionieren. Im letzten Drittel muss der Film schließlich zurückrudern und traut sich erschreckend wenig zu, nachdem zuvor mehrfach der Dampfhammer am Werk war. Denn die Auflösung entpuppt sich als klassisches “eigentlich doch gar nicht so böse gemeint”-Motiv, das den Schutz eines (eigenen) Kindes zur Priorität macht. Zudem gibt es ein notgedrungenes Happy End, damit der Schluss auch ethisch noch vertretbar ist.  Hier wäre es schöner gewesen, wenn Searching mehr Raffinesse beweisen würde.

Searching ist ein sehenswerter Titel, wenn es darum geht, alternative Darstellungsmöglichkeiten zu erleben. In den vielen Optionen findet sich jeder ein Stück wieder, immerhin kann sich kaum einer von uns frei davon sprechen, moderne Kommunikationsformen und -tools zu verwenden. Auch wenn es um die Entwicklung einer Familie nach einem Schicksalsschlag geht, macht der Film eine gute Figur. Das Drehbuch weist jedoch so manche Schwächen auf und hätte mehr Subtilität vertragen müssen. Denn immer wieder bemerkt man, dass eigentlich noch viel zu viel Spielzeit bleibt, um auf eine Dampfhammer-Enthüllung nach der anderen hereinzufallen. Und schließlich kann das Ende nicht mit dem eigentlich starken Anfangs- und Mittelteil standhalten, weil der Mut fehlt. Nichtsdestotrotz bleibt ein ordentlicher Online-Thriller, der bislang wenig Konkurrenz kennt.

© Sony Pictures Entertainment 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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