Memento Mori
Koma, ein Zustand irgendwo zwischen Leben und Tod, den nur die Wenigsten von uns dank eigenen Erfahrungen nachempfinden können. Diesen Ansatz greift der belgische Regisseur Michael Vermaercke in seinem Langfilm-Debüt auf. Darin lässt er ein sich im Koma befindliches Mädchen jene verhängnisvolle Nacht durchlaufen, in der das gesamte Leben außer Kontrolle geriet. Ob als Anti-Drogenfilm oder einfach nur abgefahrener Drogentrip: Memento Mori ist ein Horrorfilm, der nicht nur darauf aus ist, Grenzen zu überschreiten, sondern sie vor allem verschwimmen zu lassen. Splendid Film veröffentlicht den Film am 12. April 2019 in Deutschland.
Fleur (Charlotte De Wulf) ist nicht unbedingt der Teenager, der alles ausprobiert haben muss. Anders als ihre Freunde hält sie nicht viel von hemmungslosem Betrinken und auch ihre Jungfräulichkeit ist ihr wichtig. Genau das sorgt immer wieder für Diskrepanzen mit ihrem Boyfriend Jules (Felix Meyer). Der kann es kaum erwarten, mit seiner Freundin zu schlafen, und befindet sich auch sonst in der Phase, in der männliche Heranwachsende nichts auslassen wollen. Ihm zu Liebe kommt Fleur mit auf eine Party, die auf der Terrasse eines Privathauses stattfinden soll. Schon bald sind Drogen im Umlauf und die Situation eskaliert mit dem Verschwinden des ersten Partygasts im Wald. Fleur durchläuft im Koma liegend diese Nacht, in der Spaß zu blankem Horror umschwingt.
Ängste werden in FSK 18 wahr
Originaltitel | Memento Mori |
Jahr | 2018 |
Land | Belgien |
Genre | Horror |
Regisseur | Michaël Vermaercke |
Cast | Fleur: Charlotte De Wulf Jules: Felix Meyer Wouter: Bram Verrecas Valerie: Karlien Van Cutsem Vamp: Tine Roggeman Alex: Aaron Roggeman |
Laufzeit | 72 Minuten |
FSK |
Trotz seines zunächst völlig überschaubaren Szenarios ist Memento Mori gar nicht so leicht am Schopfe zu packen. Fleurs Ausgangssituation ist bekannt, viel wichtiger als das Was ist das Wie. Und darin kann sich Michael Vermaercke frei austoben, der nicht einfach nur wirre Bilder präsentieren möchte, sondern seine Figuren ganz persönliche Ängste durchlaufen lässt. Eine Figurenzeichnung mit Profiltiefe ist dafür nicht notwendig, denn die einzelnen Motivationen erkennt man früh.
Ein Haus voller Unsympathen
Memento Mori lässt sich inhaltlich in zwei Hälften zerlegen. Die eine besteht aus einer außer Kontrolle geratenen Teenagerparty. Nicht ganz in dem Ausmaß eines Project X, aber bestimmte Klassiker fehlen nicht: Der Pool, die Mädels im Krankenschwester-Kostüm und das angekotzte Absturzopfer. In der zweiten Hälfte wird es da schon wesentlich spezieller, wenn die individuellen Urängste zum Vorschein kommen, aus Jugendlichen Monster werden und jeder nur noch an sich denkt. Der Film setzt auf seine bunten und ausdrucksstarken Bilder, die unter Berauschung der euphorischen EDM-Sounds auf den Zuschauer einprasseln. Optische Vergleiche zu Nicolas Winding Refns The Neon Demon sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Audiovisuell macht der Film Spaß und transportiert das jugendlich-eskalierende Gefühl auf eine authentische Weise, die zugleich erschreckend ist. Geht es wirklich nur noch um Sex und Drogen? Zumindest Fleur ist als Lichtschimmer in diesem Alptraum unterwegs, wenngleich auf verlorenem Posten.
Immer ein wenig mehr als nötig
Obwohl der Ausgang der Party bekannt ist und das Wie erzählt werden möchte, sind Einzelschicksale hier weitgehend ohne Bedeutung. Die Figuren durchleben das, was ihnen an Profil auf den Leib geschneidert wurde, mangels Sympathieträger nimmt man davon aber nur am Rande Notiz. Fleur wünscht man nicht unbedingt etwas Böses, weiß aber, dass hinter ihrer Figur die größte Tragik steckt. Das geht sogar so weit, dass das Drehbuch ein weiteres Tabu bricht:
Fazit
Memento Mori möchte auf Teufel-komm-raus verstören. Und wenn der Drogentrip nicht mehr wirkt, man sich an nackter Haut und der Hässlichkeit des Menschen satt gesehen hat, versucht der Film noch immer eine Schippe draufzulegen. Wenn es nur darum geht, Teenagerprobleme greifbar zu machen, ist das Drehbuch deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Schade, denn dass ein jugendliches Drama auch unter einem Dark Fantasy-Mantel funktioniert, stellte zuletzt Thelma eindrucksvoll unter Beweis. Als bunter Drogentrip kann man an dem Titel durchaus Freude haben, ist gleichzeitig jedoch weit entfernt davon, zur Spitzenklasse zu gehören.
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