Hanyesha – Eine Legende aus Iyuha
Jede Welt hat ihre Legenden. Iyuha, wie die Landen in Hanyesha heißen, bilden da keine Ausnahme. Die Sage über die nicht ganz menschlichen, nicht ganz tierischen Jarg wurde erstmals im August 2017 gesponnen und von der Autorin, Verena Bender, höchstselbst veröffentlicht. Im Mai 2018 erschien eine überarbeitete Fassung. Perfekte Ausgangslage, um sich von einem Bündel Eulen nach Iyuha tragen zu lassen, um zu sehen, ob es eine Legende ist, die es wert ist, erzählt zu werden.
Wenn zwei sich streiten freut sich bekanntlich der Dritte, außer die Keilenden lassen es derart heftig krachen, dass die Welt unterzugehen droht. Mit ‘die beruhigen sich schon’ ist es hier definitiv nicht getan, aber wie ist es überhaupt zu der bodenerschütternden beiderseitigen Befaustung gekommen? Warum lassen zwei Jarg, eigenwillige mächtige Wesen, nicht wirklich Mensch aber auch nicht Tier, orkanauslösende Ohrfeigen aufeinander niederprasseln? Was ist die Ursache für all die katastrophalen Kopfnüsse, die vulkanauslösende Verwumschung, die Baumgruppen brechende Balgerei?
Hanyesha – Eine Legende aus Iyuha erzählt genau das. Eine Geschichte über Chenoa, eine ruhige disziplinierte Jarg mit einem Hang zur Ausbeutung energiereicher Eulen, die auf Meadhra, einen Awi mit dem ausgeglichenen Temperament eines in Flammen stehenden Berserkers, trifft. Und ihrer Reise zu den Hütern der Elemente, um selbst zu einem Wächter der Welt zu werden. Oh und eine Geschichte über grunzende sexgierige Riesenmotten. Yes, you read that correctly.
Legendäre Gnadenlosigkeit
Originaltitel | Hanyesha – Eine Legende aus Iyuha |
Ursprungsland | Deutschland |
Erscheinungsjahr | 2017 |
Typ | Roman |
Bände | 1 |
Genre | Fantasy |
Autor | Verena Binder |
Verlag | Self-Publishing |
Wer Hanyesha aufschlägt, um in die Legende einzutauchen, wird schnell von einer Armee aus Begriffen bombardiert, die einen zitternd nach einem Vokabelheft fingern lassen. Immerhin erzählt hier ein Chahgee, eine Geschichte über zwei Jarg, von denen einer ein Awi, die andere eine Varawyr ist, die sich auf die Suche nach den Wanyanka begeben, um ein Chadrian zu werden. Verständlich, oder? So verwirrend dieser erste Ansturm allerdings auch sein mag, gewinnt man allmählich Sicherheit in den farbigen Fantasie-Worten. Zudem unterstreicht diese Fremdartigkeit das Gefühl, in die Sage einer anderen Welt einzutauchen. Ein wenig unzugänglich muss es gewissermaßen sein, denn es ist eine Legende aus und für Iyuha, nicht aus und für Bielefeld. Vollständig alleingelassen wird der Leser selbstverständlich nicht; ein kleines Begriffsverzeichnis findet sich in dem Bändchen, um der wortlernunwilligen Denkmurmel unter die mentalen Arme zu greifen, aber ein stetes Nachschauen ist ohnehin aufgrund der übersichtlichen Länge der Geschichte nicht nötig.
Legendäres Voranschreiten
Knapp 150 Seiten folgt man der Reise von Meadhra und Chenoa, wobei die Handlung selbst mehrere Jahrzehnte umfasst. In Legenden können eben schon einmal ‘1000 Mal 1000’ Jahr in einem kurzen unschuldigen Sätzchen vergehen. Und so auch hier, wenngleich in übersichtlicheren Maßstäben. Bemerkenswert ist dabei, dass die Geschichte sich weder zu kurz noch zu lang anfühlt, sondern ein nachvollziehbares Pacing aufweist. Einzig das Ende, in der der Kreis zum anfänglich erwähnten Weltuntergangsbrawl geschlossen wird, hätte eine ausführlichere Beschreibung bekommen dürfen. Aufgrund der Kürze und Sprünge ist es zudem recht schwer, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen, die über ein Interesse am generellen Fortgang der Geschichte hinausgeht. Dabei sind die Figuren nicht zu schlicht. Es fehlt nur der Raum, um ihre jeweiligen Motivationen und Entwicklungen zu erforschen. Dass lässt sich allerdings erneut recht gut mit dem Sagencharakter der Handlung erklären, nur ein größeres Problem bleibt dennoch bestehen.
Legendäre Kontextlosigkeit
Wie zuvor erwähnt, ist eine gewisse Unzugänglichkeit bei einer Legende aus einer anderen Welt nicht nur wenig verwunderlich, sondern nahezu erforderlich, damit es sich wie eine Sage, die in Iyuha oder anderen Fantasy-Landen entsprungen ist, anfühlt. Schwierig wird es allerdings, wenn man die Welt, aus der sie stammt, nie wirklich kennenlernt und sie nicht innerhalb dieses Rahmens sehen kann. Sicherlich geht man nicht vollkommen leer aus, aber es bleibt ein recht vages Bild von Iyuha zurück und es würde schwerfallen, ein genaues Bild von Gesellschaft, Völkern und der eigentlichen Bedeutung der Legende zu zeichnen. Man hat quasi die Glasur und die Kirsche, aber dummerweise fehlt ein Kuchen, den man dekorieren kann. Und so eine Kirsche alleine macht niemanden glücklich, insbesondere wenn man Hunger auf eine ganze Torte gekriegt hat. Anders ausgedrückt und um gnadenvollerweise den Desertgier auslösenden Vergleich zu beenden: Hanyesha schwebt ein wenig alleine in der Luft und es bräuchte einen festen Boden unter den Füßen.
Hanyesha – Eine Legende aus Iyuha gefällt mir durchaus, aber es bräuchte schlicht eine größere Geschichte, in der all die Jargs und lüsternen Motten eingebunden werden. Man merkt auch sofort, dass hier ganze Hektoliter Herzblut drinstecken und die Autorin eine ganz eigene Welt vor Augen hat. Und das halte ich nach wie vor für enorm wichtig. Nun soll das aber nicht heißen, dass es ohne Zusatz keinen schmökernden Blick wert wäre und gerade in den Figuren steckt viel Potenzial. Sprachlich musste ich manchmal ein wenig brummeln, da hin und wieder mit ein paar umgangssprachlichen Hieben ausgeholt wurde, die mich aus der Sagenstimmung geboxt haben. Und die Einleitung ist ein Kandidat für den ‘Welt’-Weltrekord. Kurz und gut und ohne Kirschen: Hanyesha gibt einen Einblick in eine Welt, die sehr viel größer sein könnte, es auch verdient hat zu sein und es ein bisschen sein müsste.
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