Killing Stalking

Ein Stalker geht seinem Stalking-Opfer in die Falle und muss erkennen: Das Objekt seiner Begierde ist in Wahrheit ein Killer. So lautet die Ausgangssituation von Killing Stalking, einem koreanischen Webtoon der Künstlerin Koogi, das von 2016 bis 2019 bei Lezhin Comics erschienen ist. Lange Zeit zum rein digitalen Dasein verdonnert, hat sich hierzulande altraverse des umstrittenen Stoffes angenommen und bringt den Manhwa nun komplett in Farbe auf den Markt. Ein degenerierter Boys Love-Titel für den geneigten Fan über 18.

 

Der schwächliche Bum Yoon ist ein Außenseiter – schüchtern, seltsam und mit einer verqueren Ansicht von Liebe, die man schon als krankhaft obsessiv bezeichnen kann. Als er in seiner Wehrdienstzeit von seinem Ausbilder gepeinigt wird, kommt der Kamerad Sangwoo ihm zu Hilfe. Monate später trifft Bum erneut auf seinen Retter, verfällt ihm, beginnt ihn zu stalken und bricht schließlich in sein Haus ein. Was er dort unten im Keller findet hat er jedoch nicht erwartet: Eine gefesselte Frau fleht Bum an, ihr zu helfen. Doch noch ehe Bum reagieren kann erscheint Sangwoo. Bum sitzt in der Falle und ist der vermeintlichen Liebe seines Lebens hilflos ausgeliefert.

Das schwarze Schaf im Boys Love-Metier

Originaltitel Killing Stalking
Jahr 2016
Band 1 von 8
Genre Psychological, Horror, Boys Love
Autorin Koogi
Verlag altraverse (2019)

Der Plot von Killing Stalking ist im großen Boys Love-Sektor nicht unbedingt neu und auch nicht unbedingt einzigartig. Geschichten über Meister, Sklaven, Täter, Opfer und Vergewaltigungen gibt es zu Hauf, doch bei vielen dieser Werke – mag der ganze Plot noch so verstörend sein – wandelt sich das Ganze dann doch noch irgendwie zu Liebe (Beispiel Sakura Gari von Yuu Watase). Darüber hinaus ist diesen Werken auch gemein, dass die Ästhetik des schönen Mannes nie gebrochen wird, egal welcher Gewalt er gerade unterzogen wird (Beispiel In These Words von Guilt|Pleasure). Bei Killing Stalking aber liegt das Ganze etwas anders, denn Koogi überschreitet inhaltliche und ästhetische Grenzen und zeigt expliziten Missbrauch in all seinen Facetten, ganz ohne Verklärungs-Filter (was manche Fangruppen dennoch nicht davon abhält, selbst zu verklären und Bum und Songwoo zu ‘shippen’).

Mut zur Hässlichkeit

Auch das Charakterdesign entspricht nicht unbedingt dem geleckten Boys Love-Standard. Nehmen wir Bum Yoon: Schwächlich und unterernährt wie er ist, drücken sich bei ihm die Rippen nach außen; die Augen sind mit so starken Ringen unterlegt, dass sogar Figuren aus Tim Burton-Filmen neidisch wären; wird ihm etwas gebrochen, dann schwillt es rot und blau zu einem Klumpen heran; und stopft ihm Sangwoo ekliges Seeohren-Porridge in den Mund, dann sieht auch das nicht schön aus. Es fließen Schweiß, Blut, Spucke und Urin. Und Sangwoo selber? Der schaut natürlich muskulös und gut aus, verfügt aber – da Koogi auf Glanzeffekte in den Pupillen verzichtet – über unfassbar tote Augen. Generell fängt Koogis Artwork die dunkle verstörende Stimmung von Killing Stalking sehr gut ein.

Der Strudel abwärts

Killing Stalking fällt zwar in die Kategorie Boys Love, jedoch fehlt hier von Romanze und Liebe jede Spur (auch wenn das Bum in seinen Anfällen von Stockholm-Syndrom anders sieht). Der eine ist Gefangener seiner Obsessionen, der andere ein sadistischer Wahnsinniger – und beide sind auf eine besondere Weise voneinander abhängig und darüber hinaus auch sexuell verbunden. Doch Liebe ist das nicht. Tatsächlich gibt sich Sangwoo homophob und zögert nicht, Bum herabzusetzen und bloßzustellen Killing Stalking dreht sich also vor allem um Missbrauch und Manipulation. Und da jedes Kapitel immer auf einen irgendwie gearteten Schock-Klimax hinarbeitet, ist für steten Nervenkitzel gesorgt. Man sollte erst gar nicht versuchen, vorauszusagen, was als Nächstes passieren wird, denn die Figuren sind instabil und unberechenbar. Nur eines ist sicher: Es wird immer schlimmer (eine Einschätzung getätigt auf Wissen, das über Band 1 hinaus geht).

Erster Eindruck

Killing Stalking ist vermutlich das, was sich viele von In These Words erhofft haben – vielleicht sogar mehr als man gewagt hat sich vorzustellen. Es ist voll von emotionaler, mentaler und physischem Missbrauch und es mag nicht wenige Szenen geben, die einen angewidert zurück lassen (vor allem jenseits des ersten Bandes). Daher an dieser Stelle eine Warnung an all diejenigen, die nicht ganz so unverfroren tolerant und aufgeschlossen sind: Killing Stalking ist nicht der übliche Fluffy-School-Yaoi-Kram. Alle anderen erwartet ein packender Manhwa, der trotz aller Greuel unterhaltsam ist. Und ganz wichtig: Completto in Farbe. Mittlerweile ist die Serie bei Lezhin Comics mit 67 Kapiteln abgeschlossen – altraverse plant für die deutsche Veröffentlichung acht Bände ein.

© altraverse

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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Himuro
Himuro
23. Mai 2019 21:12

Guter Artikel, aber woher kommt eigentlich die Info, dass es mit 8 Bänden abgeschlossen ist?
Bei altraverse ist doch erst 1 Band raus und eine Info zur Bandanzahl habe ich auf deren Homepage auch nicht gefunden. Der Webtoon selbst erschien doch nur online und in 67 Kapiteln. Da wären 8 Bände doch etwas wenig (Band 1 erfasst nur 4 Kapitel). Und außer der deutschen Printversion, gibt es doch nur die italienische, und selbst die ist noch laufend.

Taria
Redakteur
Antwort an  Himuro
24. Mai 2019 12:56

Wurde von altraverse so kommuniziert, dass 8 Bände geplant sind. Da werden wohl die späteren Kapitel kürzer sein oder man hat mehrere Kapitel in eines zusammengefasst.

Hier ist noch die offizielle Ankündigung von altraverse:
https://www.facebook.com/altraverse.de/posts/623561831400268