Tanz der Vampire

Wer bei Tanz der Vampire zuerst an ein um die Welt tingelndes Musical denkt, der hat möglicherweise noch eine unterhaltsame Überraschung vor sich. 30 Jahre bevor Vampire anfingen zu singen, tanzten sie schon: in Roman Polanskis gleichnamigen Film aus dem Jahr 1967, einer pfiffigen Gruselkomödie mit Retro-Charme. Dabei schien der vielversprechende junge Regisseur (Das Messer im Wasser) eigentlich eher auf seelische Abgründe und klaustrophobische Situationen abonniert. Mit Tanz der Vampire lieferte er den Beweis, dass er auch ein Händchen für spritzig-leichte Genre-Parodie hatte. Und als Darsteller eine gute Figur machen konnte.

 

Vampirforscher Professor Abronsius (Jack Mc Gowran, Der Exorzist) und sein Gehilfe Alfred (Roman Polanski, Der Mieter) reisen zu Forschungszwecken durch die winterlichen Karpaten. In der Herberge des jüdischen Gastwirts Joyneh Shagal (Alfie Bass, Toll trieben es die alten Römer) entdeckt der Professor sofort Hinweise auf sein Forschungsgebiet: Knoblauchketten allenthalben. Alfred hat derweil eher Augen für Shagals Tochter Sarah (Sharon Tate, Das Tal der Puppen). Als Sarah von dem Vampir Graf Krolock (Ferdy Maine, Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten entführt wird , machen Abronsius und Alfred sich auf zum Schloss des Grafen, um Sarah zu retten. Erst einmal endet ihre Expedition in der Tischlerwerkstatt, wo sie von Koukol, dem buckligen Diener des Grafen eingesperrt werden. Doch am Abend werden sie von Graf Krolock und seinem Sohn Herbert (Iain Quarrier, Wenn Katelbach kommt …) höflich im Schloss willkommen geheißen. Der Professor lässt sich vom Charme des Grafen nicht täuschen: Das müssen Vampire sein! Drum machen Abronsius und Alfred sich am nächsten Tag daran, die Krypta zu suchen und die Vampire mit einem Holzpflock durchs Herz zu töten, scheitern aber an Alfreds Feigheit. Dafür findet Alfred Sarah wieder, die es gar nicht eilig hat, gerettet zu werden. Denn in der folgenden Nacht soll im Schloss ein großer Ball stattfinden …

 

Ein Schloss ohne Krypta ist wie ein Einhorn ohne Horn

Originaltitel Dance of the Vampires
Jahr 1967
Land Großbritannien
Genre Horror, Komödie
Regie Roman Polanski
Cast Alfred: Roman Polanski
Professor Abronsius: Jack McGowran
Sarah: Sharon Tate
Graf Krolock: Ferdy Maine
Herbert: Iain Quarrier
Koukol: Terry Downes
Yoineh Shagal: Alfie Bass
Laufzeit 108 Minuten
FSK
Im Handel erhältlich

Es gab einmal eine Zeit, da war das Genre Vampir-Film auf eine überschaubare Menge Grundbestandteile beschränkt. Ein Schloss, ein Graf mit spitzen Zähnen und schwarzrotem Cape. Schöne Frauen, die in des Grafen Arme sinken, wenn er sie in den Hals beisst. Knoblauch, Kruzifix, Hammer und Pflock. Ein Vampirjäger, der weiß, wie man den aristokratischen Blutsauger vernichtet.
Tanz der Vampire frühstückt das alles ab, mit viel Liebe zum Detail. Und gönnt sich ein paar Variationen über das Thema, auf die zumindest 1967 noch niemand gekommen war. Ein jüdischer Vampir, der bei einem Kruzifix nur hämisch kichert. Ein schwuler Vampir, der den jugendlichen Helden erst anflirtet, dann die Zähne bleckt. Ein Vampirjäger als verschrobener Fachidiot,der andere als liebenswert-unfähige Memme. Und nach dem klassischen Happy End kommt noch einen makabrer Twist, der wunderbar in das Genre passt und den Zuschauer trotzdem kalt erwischt.

Slapstick, Klamauk und bedrohliche Blutsauger

Abgesehen von den ironischen Abwandlungen klassischer Versatzstücke des Genres lebt der Film vor allem von recht bodenständigem Humor. Die Sorte, wo ein Schlag über den Schädel mit einer Wurst oder Steckenbleiben in einer Fensteröffnung so richtige Kracher sind. Auch eine Schlittenfahrt im Sarg und kopfloses Rennen rund um eine Galerie, wo man an der Stelle ankommt, von der man losgerannt ist, haben ihren Platz bei den Lachern. Trotzdem gibt der Film sein Thema nicht völlig der Lächerlichkeit preis. Die Vampirjäger sind zwar denkbar ungeschickte Trottel, die von einer Slapstickszene zur nächsten stolpern. Die Vampire sind das keineswegs, die sind wirklich gefährlich. Deshalb hält der Film auch seine Spannung aufrecht, anstatt in eine Lachnummer nach der anderen zu zerfallen.

Heimlicher Star: die Badewanne

Ach, die 60er. Als die Kamera Frauen noch unverblümt in den Ausschnitt schauen durfte und das nicht als sexistisch, sondern als sexy galt. Als Frauen noch nicht Vampirjägerinnen sein konnten, sondern lediglich knappe Nachthemden tragen, kreischen und dem Vampir in den Arm sinken mussten. Da ist Tanz der Vampire ganz Kind seiner Zeit, nur ein bisschen überdrehter. Dreimal sitzt Sarah in der Badewanne, nur mit fluffigem Badeschaum bekleidet, und versteht nicht, was um sie herum vorgeht. Dass Alfred an Sex denkt, wenn sie vom Baden spricht (So gesund! Am besten täglich!). Dass es Vampire gibt, die jungen Frauen nachstellen. Dass Graf Krolock sie zum Ball geladen hat, um sie an die Vampire zu verfüttern. Das ist angesichts dessen, was typischerweise zu sehen wäre, ein bisschen pfiffiger und lustiger als sonst. Am Horizont sieht man ganz von fern die sexuelle Revolution winken. Trotzdem sieht das über 50 Jahre später ganz schön merkwürdig aus. So putzig das ist, dahin möchte man nicht zurück.

Fazit

Einen alten Lieblingsfilm wieder anzuschauen, ist eine riskante Angelegenheit. Zumal eine Komödie. Auch den lustigsten Witz der Welt kann man nicht unbegrenzt oft hören. Und das Genre hat sich seitdem so weit geöffnet, dass Polanskis minimale Abwandlungen des Themas den Reiz des Neuen verloren haben. Ein schwuler Vampir? Ja, und? Trotzdem ist der Film erstaunlich gut gealtert. Vielleicht liegt es daran, dass Tanz der Vampire sein Genre bei aller Parodie absolut ernst nimmt und all den abgenudelten Motiven aus Dutzenden klassischer Dracula-Filmen den Glanz schenkt, den sie brauchen, um überzeugend zu wirken. Ja, und lustig ist es außerdem.

© Neue Visionen Filmverleih, Warner Home Video (DVD)


Im Handel erhältlich:

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wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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