Slasher (Staffel 3): Solstice
Die kanadische Horror-Anthologie Slasher von Aaron Martin konnte sich dank ihrer Ausstrahlung auf 13th Street, RTL2, Netflix und Amazon Prime mittlerweile auch in Deutschland eine große Fangemeinde aufbauen. Nach Staffel 1 mit einem Kleinstadt-Setting und der als Backwood-Slasher ausgelegten Staffel 2 (“Guilty Party”) geht es in Staffel 3 auf die Jagd nach dem sogenannten Druiden. Angesiedelt in einer Apartment-Siedlung, mordet sich erneut ein maskierter Killer durch die Reihen der Bewohner. Bis zur Auflösung um die Identität des Mörders vergehen erneut acht Folgen, in denen nach und nach die Identitäten einzelner Bewohner überprüft werden, ehe die meisten von ihnen ein blutiges Ende finden. Slasher: Solstice feierte seine Deutschland-Premiere zu Halloween 2019 auf 13th Street und setzt auf noch ausgefallenere Todesarten als seine Vorgänger. Wie immer inklusive Plottwists …
Eine Sonnenwende findet genau zweimal im Jahr statt, wenn die Sonne jeweils den höchsten oder den niedrigsten Stand erreicht. Ein Jahr ist es nun her, dass Kit Jennings (Robert Cormier, Firecrackers) auf dem Nachhauseweg einer Sonnenwendeparty ermordet wurde. Niemand eilte ihm zu Hilfe, als der maskierte Killer, der Druide (“The Druid”), ihn mit einem Messer attackierte. Pünktlich zur Sonnenwende taucht der Druide nun wieder auf und sucht in jenem Appartmentkomplex, in dem auch Kit lebte, sein erstes Opfer. Detective Roberta Hanson (Lisa Berry, Supernatural) und ihr Partner Pujit Singh (Ishan Dave, Degrassi) prüfen den Fall auf sich wiederholende Muster. Schnell hat jeder Bewohner seinen Nachbarn im Verdacht, der Psychopath hinter der Maske zu sein …
Guter Nachbar, böser Nachbar
Das Prinzip hinter Slasher gleicht dem von American Horror Story: Jede Staffel wartet mit einer eigenständigen Geschichte auf, der Cast bleibt zum Teil identisch. Einzig das Themenspektrum ist eingeschränkter, denn während sich Ryan Murphys Anthologie an allen Subgenres bedient, bleibt Aaron Martins Reihe eine klassische Murder Mystery-Nummer. Im Mittelpunkt steht wie in den vorigen Staffeln die Suche nach dem Täter. Dabei wird dem Zuschauer eine zu Beginn noch größere Gruppe an Personen vorgestellt, welche nach und nach dezimiert wird. In Staffel 1 zieht der Killer noch seine Kreise durch ein Städtchen, in Staffel 2 sind die Opfer in zwei zugeschneiten Hütten untergebracht. Die dritte Staffel dehnt das Feld auf einen ganzen Gebäudekomplex aus. Dazu gehören natürlich auch die Wohnungen der Opfer und Vorgeschichten spielen eine tragende Rolle. Denn das hellhörige Gebäude befindet sich inmitten der Unterschicht und auf sämtlichen Stockwerken sind auch ohne maskierten Killer genügend Probleme vorhanden. So oder so: Der Horror befindet sich also direkt nebenan. Dafür muss man nicht erst auf die Straße oder in den Wald.
Neue Staffel, neue Figurentypen, alte Herangehensweise
Originaltitel | Slasher: Solstice |
Jahr | 2018 |
Land | Kanada |
Episoden | 8 in Staffel 3 |
Genre | Horror |
Cast | Saadia: Baraka Rahmani Violet: Paula Brancati Xander: Jim Watson Roberta: Lisa Berry Pujit: Ishan Dave Kit: Robert Cormier Cassidy: Genevieve DeGraves Dan: Dean McDermott Amy: Rosie Simon Amber: Joanne Vannicola |
Seit dem 3. April 2020 im Handel erhältlich |
Ebenfalls neu in Slasher: Solstice ist die Erzählweise über die Folgen hinweg. Die Handlung findet am Stück statt und jede Episode bildet einen inhaltlichen Zeitraum von drei Stunden ab. Dadurch ergeben sich dann exakt 24 Stunden, in denen der Druide ein Blutbad anrichtet. Die Episodentitel sind nach dem jeweiligen Abschnitt benannt, damit auch der Zuschauer die zeitliche Einordnung immer vor Augen hat. Überdeutlich wird auch, wie stark diese Staffel auf Diversität setzt. Da ist zum einen die junge Muslimin Saadia (Baraka Rahmani, Die Frau die singt – Incendies), deren Familie vor dem Krieg geflüchtet ist. Außerdem wagt die Serie einen weiteren Schritt in Richtung LGBTQ. Bot bislang jede Staffel homosexuelle Figuren, geht die Konzeption nun einen Schritt weiter. Anstatt einfach nur auf diverse Charaktere zu setzen, wird auch die jeweilige Storyline dahinter komplexer. Wie ist es denn eigentlich als lesbisches Paar mit zwei dunkelhäutigen Kindern? Oder als bisexueller Mann, der eigentlich ein Auge auf den Nachbarn geworfen hat? Oder als asexuelle Gamerin mit wenig Interesse an Beischlaf? In punkto Charakterisierung ist Slasher: Solstice auch gleichzeitig die bislang stärkste Staffel, wenngleich nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Vielfalt aufgesetzt wirkt.
Man liebt es, sie zu hassen
Ganz ohne Stereotypen geht es jedoch auch nicht. Diese niedrig hängen Früchte sind auch einfach zu verlockend, um sie nicht zu pflücken. Und so dürfen wir uns mit der sensationsgeilen Influencerin Violet (bislang in allen Staffeln dabei: Paula Brancati) herumärgern, welche bei Scream-Fans Erinnerungen an Gale Weathers wecken wird. Der ausländerfeindliche Dan (ebenfalls Serienveteran: Dean McDermott) betreibt eine eigene Rassismus-Website und ist umgeben von ausländischen Nachbarn – eine tickende Zeitbombe. Auch die Bitch vom Dienst darf nicht fehlen, Cassidy Olenski (Genevieve DeGraves, Tage wie diese). Genügend Figuren mit Hasspotenzial, deren Tode man abfeiern darf, sind ohne Frage vorhanden. Bei dem einen oder anderen unsympathischen Charakter schlägt das Drehbuch aber auch einen Haken – sicher ist grundsätzlich jedenfalls niemand. Alleine schon in der Pilotfolge lassen drei Figuren ihr Leben.
Look & Feel: Neonfarben und digital
Stilistisch findet auch Solstice einen eigenen Weg: In dieser Staffel dominieren Neonfarben, welche die Sonnenwendparty in Schwung bringen, und auch die Leuchtstoffröhren auf den Hausfluren besitzen mehr als nur einen dekorativen Zweck. Inhaltlich finden sich auch überwiegend Digitalthemen in den einzelnen Storylines wieder: Cyberbullying, Online Stalking, Online Dating, Influencing, Virtual Reality (VR) und eigene Homepages sind die Themen, welche die Bewohner überwiegend bewegen. Jeder ist auf irgendeine Weise im Internet sichtbar, was auch die Verknüpfung der einzelnen Figuren erleichtert. In den meisten Fällen funktioniert das gut, bei manch einem wirkt das künstlich aufgesetzt. Etwa bei der Asiatin Amy (Rosie Simon, Shadowhunters: The Mortal Instruments), welche kaum ohne VR-Brille anzutreffen ist. Da es über sie auch darüber hinaus nicht viel zu erzählen gibt, bekommt man schnell den Eindruck, dass ihre Figur einfach nur ein weiteres Thema abdecken soll. Grundsätzlich hebt sich die Staffel aber mit ihrer inhaltlichen wie optischen Eigenheit von den anderen Staffeln ab.
Komplex wie nie: Wer ist der Killer?
Ist die Identität des Killers in Staffel 1 noch ziemlich vorhersehbar und in Staffel 2 mit einem überraschenden, aber wenig glaubhaften Twist verbunden, bemüht sich der dritte Streich schon eher um den passenden Vorbau. Hinweise gibt es zwar, allerdings so versteckt, dass erst ab der vorletzten Folge so langsam dämmert, wer hinter dem Druiden steckt. Die Enthüllung des Motivs findet jedoch erst in der letzten Folge statt, sodass es genug gute Gründe gibt, um dran zu bleiben. Denn anders als in American Horror Story ist das Drehbuch darauf bedacht, auch wirklich jedes Geheimnis am Ende zu lüften und alle Details zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Alles in allem erledigt die Staffel einen prima Job, wenn es darum geht, sämtliche losen Fäden zusammenzuführen.
Wiederkehrender Cast
Während der Rummel bei American Horror Story um den Cast stets hoch ist, setzt die Slasher-Reihe auf weniger bekannte Darsteller und zehrt entsprechend weniger von deren Popularität. Dennoch ist Serienschöpfer Aaron Martin darauf bedacht, innerhalb seines Erzähluniversums auf wiederkehrende Schauspieler zu setzen. Paula Brancati ist bereits von Beginn an dabei. In Staffel 1 noch Statistin, wurde sie in Staffel 2 bereits zur Hauptfigur ernannt und bekommt (mit neuer Haarfarbe) ein weiteres Mal eine tragende Rolle auf den Leib geschneidert. Sofort wiederzuerkenen ist Joanne Vannicola, die nach Renée (Staffel 2) erneut eine lesbische Figur (Amber) spielt und sich auch im wahren Leben für die LGBTQ-Rechte einsetzt. Jim Watson (der junge Alan in Staffel 1, der homosexuelle Noah in Staffel 2) schlüpft in die Rolle des Hipsters Xander, dessen Kaffeebar zu einem der wichtigsten Schauplätze der Staffel zählt. Jefferson Brown (Trent in Staffel 1, Gene in Staffel 2), Erin Karpluk (Hearther Petersen in Staffel 1) sowie Paulino Nunes (Mark in Staffel 2) sind ebenfalls wieder am Start. Hoffen darf man auf eine Rückkehr der smarten Jungschauspieler Baraka Rahmani (Saadia), Mercedes Morris (Jen) und Gabriel Darku (Connor).
Fazit
Slasher: Solstice mag weniger Mystery-Punkte als seine Vorgänger mitbringen, zeigt ansonsten aber, wie eine Slasher-Serie aus dem Jahr 2019 auszusehen hat. Kreative Todesszenen, individuelle Typen und viel Zwischenmenschliches sorgen für Abwechslung und lassen die acht Folgen wie im Flug vergehen. Nicht ganz authentisch gestaltet sich die Zusammensetzung der Charaktere (wieso sollte eine gut situierte Lehrerin in ein dasselbe Problemviertel wie ihre Schüler ziehen?), welche auf Konflikte setzt, angesichts der Todesszenen soll das jedoch nicht weiter ins Gewicht fallen. Anhänger der beiden Vorgänger-Staffeln werden sich ebenso schnell einfinden wie wohlfühlen. Verglichen mit dem Vollstrecker der ersten Staffel ist der Druide zwar ein Killer ohne besondere Merkmale, aber dafür der bislang ideenreichste.
© 13th Street