Im zweiten von drei Teilen von Life Is Strange: Before the Storm nimmt die Geschichte um Chloe und Rachel an Fahrt auf. Doch stärker als im ersten Teil der Geschichte wird deutlich, dass es schwierig ist, mit einem entscheidungsbasierten Prequel etwas zu erzählen, dessen Ausgang bereits bekannt ist. Trotzdem hat auch “Schöne neue Welt” seine Glanzmomente.
Zähe erste Hälfte
Besonders an der Figur David wird deutlich, dass die Interaktion mit ihm mehr oder minder überflüssig ist: Bereits durch Life Is Strange kennt man den Ausgang der Geschichte und weiß, dass das Verhältnis zwischen ihm und Chloe kein gutes ist. Weshalb also nun hier zurechtbiegen, wenn das Ende schließlich doch wieder feststeht? Aus dem Grund fällt vor allem die erste Hälfte langatmig aus. Hinzu kommen recycelte Kulissen, die man bereits aus der ersten Geschichte nur zu gut kennt: Der Schrottplatz sowie der Blackwell Campus inklusive Studentenwohnheim. Erschwerend kommt hinzu, dass die mit Abstand nervigste Aufgabe aus dem ersten Teil hier wiederholt wird: Grase den Schrottplatz nach bestimmten Items ab. Das alles wird zu einer langatmigen Suchaufgabe mit geringem Mehrwert. Das restaurierte Auto ist eher symbolischer Natur und dient nun als bequemes Turtelörtchen.
Glaubwürdige Nebenfiguren
Die wohl größte Stärke sind die Nebenfiguren, die noch lebendiger werden. Zwar erhalten sie keine eigenen Handlungsstränge, aber immerhin kleine Aufgaben oder Charaktermomente. So wird Victoria mit einem eigenen Auftritt gesegnet, aber auch Steph und Mikey werden zumindest ein paar weitere Eigenschaften zugeschrieben. Das Verhältnis zwischen Samantha und Nathan bekommt einen neuen Schubs. Im Allgemeinen profitieren die Nebenfiguren in dieser Episode davon, dass sie fast immer gemeinsam auftreten und dadurch viel Interaktion entsteht. Vor der ohnehin nach wie vor tadellosen Soundkulisse und den stimmungsvollen Settings entsteht die Atmosphäre einer unvergesslichen Schulzeit, welche sicherlich auch von den kommenden Ereignissen in Episode 3 überschattet werden wird.
Schwachstellen im Skript
Auffallend sind in dieser Episode die Momente, in denen das Skript schnell durchgeprescht wird. Ein Beispiel dafür: Zunächst einmal ist Chloe zu Gast bei den Ambers. Anstatt die Zeit mit einem Gespräch zu füllen, werden Chloe zweifelhafte Hol- und Bringaufgaben erteilt, die spielerisch keinen Einfluss haben. Dabei sind Chloes Aussagen in vielen Gesprächsoptionen absolut nicht der Situation angemessen, doch seitens Rachels Eltern erfolgt hier keine großartige Kommentierung. Als sich am Tisch herausstellt, dass Mrs. Amber augenscheinlich betrogen wird, ist diese nahezu unbeteiligt und lobt weiterhin Chloes Scharfsinn. Der emotionale Fokus wird völlig auf Rachel verschoben, weil die Situation ihrer Eltern aufeinmal völlig unter den Tisch fällt. Besagte Dame hingegen schleicht noch immer geheimnisvoll durch die Nacht, ohne sich je umgezogen zu haben (scheinbar besitzt sie nur ein Kleid).
Kurzum: Sobald die Figuren das Terrain verlassen sollen, das sich mal nicht um Chloe und Rachel, sondern um die eigenen Angelegenheiten dreht, wirft die Geschichte Logikfragen auf.
Insgesamt bleibt die Geschichte für mich weit hinter ihrem Auftakt zurück. Der Anfang war die reinste Qual und all die Mini-Aufgaben wirken angesichts der kurzen Erzählzeit wie Zeitfüller, um noch genug Gameplay zu bieten. Zwar überrascht die zweite Hälfte wieder mit mehr handlungsgetriebenen Momenten und das Theaterstück
ist ein starker Bonus für die Episode, doch an einigen Stellen wird deutlich, wo das Skript nicht sauber geschrieben wurde. Hier sind noch die Entscheidungen, die ich getroffen habe. Eine sehr spannende Tendenz muss ich noch aufgreifen…. Wie 79% der Spieler habe ich die Schuld für Rachel auf mich genommen. Da ich mich um das Verhältnis zu David nicht weiter schere, wurde die Tasche nicht ausgeleert. Womit ich in der Mehrzahl war: Ich bin bei Mikey geblieben, anstatt auf Damon loszugehen. Zu diesem Zeitpunkt war der Schaden bereits zu hoch als dass ich das Geld zurückgeben wollte. Am meisten bin ich von der Mehrheit allerdings am Ende abgewichen: Ich habe mir Rachels Armband gewünscht (13%). Die Geschichte drängt sich zu stark in Richtung Romanze, sodass ich einmal den Mittelweg austesten will und deshalb keinen Kuss gewünscht habe. Besonders interessant ist allerdings Steph. Ihr Interesse an Rachel scheint ebenfalls romantischer Natur zu sein. Bodenständig, wie ich nun einmal bin, habe ich ihr also gesagt, dass Rachel Single ist. Nun bin ich gespannt, welche Konsequenzen das haben wird.
Auf die zweite Episode hatte ich mich nach dem fantastischen Einstieg von Episode 1 schon sehr gefreut. Und mit den etwa drei weiteren Stunden in der Welt von Life Is Strange: Before the Storm bin ich alles in allem wieder zufrieden. Der Anfang der Episode zieht sich nur leider quälend in die Länge und als Kenner des Hauptspiels ist einem bei manchen Entscheidungen klar, dass bestimmte Konsequenzen so oder so folgen werden, wie z. B. die Tatsache, dass Chloe sowieso irgendwann von der Schule fliegen muss.
Einerseits ist es keine schlechte Idee, das Prequel so zu erzählen, dass man nicht Life Is Strange schon gespielt haben muss, andererseits entkräftet das einige bedeutende Momente oder macht sie sogar unnötig, sofern man – wie vermutlich die meisten Spieler – das Hauptspiel schon kennt. Nach einiger Zeit nimmt die Episode zum Glück wieder gewohnte Qualität an, auch wenn die Entwickler es nicht lassen konnten, erneut eine nervige Sammelaufgabe auf dem Schrottplatz einzubauen. Ein großer Pluspunkt ist für mich die Inszenierung der Beziehung zwischen Rachel und Chloe, die ziemlich authentisch präsentiert wird. Mit Steph und Mikey hat man interessante Nebenfiguren geschaffen, was ich zu Beginn gar nicht gedacht hätte. Wofür ich mich dieses Mal entschieden hab: Ich habe die Schuld für Rachel auf mich genommen, während ich die Tasche für David nicht ausgeleert habe. Zwar wäre ich durchaus bereit, mein Verhalten ihm gegenüber nicht nur auf Angriff zu stellen, aber das ging mir dann doch zu weit. Ebenso bin ich bei Mikey geblieben, anstatt mich bei der Sache mit Damon einzumischen. Das Geld hab ich somit auch nicht zurückgegeben, dafür war der Schaden einfach schon zu groß. Zuletzt hab ich Rachel um einen Kuss gebeten, da mir der romantische Weg zwischen den beiden gut gefällt.
Insgesamt ist die zweite Episode zwar nicht so fesselnd wie der Auftakt, hat mich aber trotzdem wieder sehr gut unterhalten können. Die letzte Szene der zweiten Episode ist dann auch so gewählt, dass ich es kaum erwarten kann, die abschließende Episode zu spielen.
Zu Episode 1
Zu Episode 3