American Crime Story: The Assassination Gianni Versace

Mit American Crime Story haben sich die Produzenten Ryan Murphy und Brad Falchuk die Aufarbeitung amerikanischer Kriminalgeschichte auf die Flagge geschrieben. Als inhaltlich nicht ganz unähnliches Pendant zu ihrer American Horror Story ist American Crime Story ebenfalls als Anthologie angelegt. Jede Staffel thematisiert ausführlich einen Alptraum der US-Kriminalgeschichte. Nachdem die erste Staffel den Strafprozess gegen O. J. Simpson als Gegenstand hat, dreht sich die zweite Staffel um einen der größten Psychopathen und Serienkiller der US-Geschichte: Andrew Cunanan, der Mörder des Modeschöpfers Gianni Versace. Hinter den Traumkulissen von Miami lauert die große Geschichte einer oberflächlichen und schnelllebigen Gesellschaft. Beide American Crime Story-Staffeln sind hierzulande auf Netflix verfügbar, laufen dort sogar jeweils als eigenständige Serie.

 

15. Juli 1997: Der italienische Stardesigner Gianni Versace (Edgar Ramirez, Point Break) wird auf den Eingangsstufen seiner Residenz in Florida erschossen. Zwar ist der Hauptverdächtige Andrew Cunanan (Darren Criss, Glee) schnell ermittelt, doch ein Motiv steht aus. Eine landesweite Fahndung soll ihn zur Strecke bringen. Doch wer ist Cunanan überhaupt? Ein attraktiver und intelligenter junger Mann, der obendrein homosexuell ist. Seine Sexualität nutzt er schamlos aus, um sich an reiche Männer zu verkaufen, deren geschnorrtes Geld er in eine Fake-Identität steckt, umgeben von High Society und Luxus. Dabei verstrickt er sich in einem Lügengeflecht. Wie konnte der Mann, der sein eigenes Leben so extrem selbstinszeniert, ein fünffacher Mörder werden?

Gianni Versace? Nur eine Randnotiz

Originaltitel American Crime Story: The Assassination Gianni Versace
Jahr 2018
Land USA
Episoden 9
Genre Crime, Drama
Cast Andrew Cunanan: Darren Criss
Gianni Versace: Edgar Ramírez
Antonio D’Amico: Ricky Martin
Donatella Versace: Penélope Cruz

Inhaltlich basiert The Assassination of Gianni Versace auf dem Buch Vulgar Favors: Andrew Cunanan, Gianni Versace, and the Largest Failed Manhunt in U.S. History von Maureen Orth. Dieses behandelt die Ermordung Versaces im Jahr 1997 sowie die darauf folgende achttägige Suche nach dessen Mörder. Die Serienstaffel dagegen dreht sich vor allem um die Zeit vor den Morden. Giannis Schwester Donatella stellte offiziell klar, dass die Produzenten der Serie mit niemandem aus der Versace-Familie über ihre Pläne gesprochen hatten und dass es sich bei der Serie deshalb nur um Fiktion handeln könne, was ebenso auf Orths Buch zutreffe. Reißerisch sein will die Staffel gar nicht: Das Drehbuch konzentriert sich vollkommen auf Cunanan. Polizei, Justiz und selbst der titelgebende Versace werden zur Randnotiz. Ein Charakterportrait des jungen Andrew Cunanan und wie er an seine Opfer gelangte. Im Gegensatz zur ersten Staffel The People v. O.J. Simpson konzentriert sich The Assassination of Gianni Versace auf die Geschichte des Mörders und nicht auf die öffentliche Wahrnehmung.

Zwiebelschichtenhafte Erzählweise

Wie Andrew denkt, fühlt, lebt und liebt, ist das Kernstück der neun Episoden. Es wird viel von seinem Innenleben preisgegeben, ganz anders als die Geschichte um O.J. Simpson, welche konsequent in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Davon ist hier nichts zu spüren, denn als Zuschauer schaut man Andrew Cunanan fortlaufend über die Schulter. Ohnehin bleibt der Cast überschaubar. Gelegentlich nehmen wir an Gianni Versaces Leben teil, dann stets im Austausch mit seiner kritischen Schwester Donatella (Penélope Cruz, Volver) oder seinem Freund Antonio D’Amico (Sänger Ricky Martin). Dies sind aber nur Einschübe, denn das Drehbuch ist voll damit befasst, Cunanans Leben wie eine Zwiebel zu schälen. Schicht um Schicht geht es tiefer in das Innere. Das geschieht völlig non-linear und überwiegend in Flashbacks. Jede Folge der Staffel springt in der Zeit zurück, um die Vorgeschichte des zuletzt Erlebten zu erzählen. So entspinnt sich nach und nach das Psycho-Profil eines schwer gestörten Serienmörders. Das zeitliche Zusammenpuzzlen fällt ziemlich nachvollziehbar aus, bleibt der Fokus eben immer unverändert. Nur manchmal fehlt ein Anknüpfpunkt und eine Szene muss erst einmal als gegeben hingenommen werden, um zu einem späteren Zeitpunkt dann in den Gesamtkontext eingeordnet werden zu können.

Versace ist der Erschaffer, Cunanan der Zerstörer

Die Geschichten Cunanans und der Versaces verlaufen zunächst einmal parallel zueinander. Zwar gibt es einen gemeinsamen Beginn und ein gemeinsames Ende, doch darüber hinaus existieren beide Figuren für sich. Das Drehbuch arbeitet dabei fein säuberlich die Unterschiede der beiden Männer heraus. Während Versace ein visionärer Mensch ist, der die (Mode)Welt verändern möchte, kann Cunanan nur die Leben aller Menschen, die er auf seiner Reise trifft, zerstören. Am meisten von dem Schaden betroffen: Sein eigenes Ich. Denn zunehmend verrennt er sich in einer falschen Identität und baut nur noch auf Schein, um Liebe und Anerkennung zu finden. Dabei schwebt stets wie ein Damoklesschwert die Frage über ihm, ob er schon immer ein Psychopath war oder erst aufgrund seinen Erfahrungen mit Ablehnung zu einem wurde.

Mehr als nur Look-alikes

Nicht nur optisch gleicht Hauptdarsteller Darren Criss seinem Serienkillervorbild. Er arbeitet seiner Figur viele feine Nuancen heraus, sodass dieser Andrew Cunanan eine faszinierende Figur des Genres abgibt. Dabei beherrscht er die kaltblütigen Mordszenen ebenso wie die extrovertierten und ungebändigten Momente im Leben des Psychopathen. Seine Spielweise lässt dabei abwechselnd erschaudern und löst sich dann doch wieder in gefälliges Wohlbefinden auf. Auch die anderen Rollen sind bis ins Detail bedacht besetzt. Edgar Ramírez als Gianni Versace ist von seinem wahren Vorbild ununterscheidbar. Der Look und der italienische Akzent sind sofort wiederzuerkennen. Penélope Cruz als Giannis Schwester Donatella bekommt eher wenig zu tun und funktioniert nur im Zusammenspiel mit ihrem Bruder. Darüber hinaus bekommt sie nur wenige Gelegenheiten, ihr Talent unter Beweis zu stellen.

Fazit

The Assassination of Gianni Versace nimmt sich viel Zeit für die Psyche der Hauptfigur. Das ist mehr als die reale Geschichte eines Mordes, es ist die wahre Geschichte eines Mörders. Und genau dieses Spannungsfeld zwischen Realität und ihrer Überhöhung macht die zweite Staffel der Anthologie-Serie so großartig. Wir erleben einen Andrew Cunanan, der sich wie ein Fisch windet und dem das Glück immer wieder hold ist, auch wenn er Niederlagen einstecken und diese mit neuen Morden verarbeiten muss. Enttäuscht werden nur Zuschauer sein, die eine Familiensaga über die Versaces erwarten. Davon ist kaum etwas zu spüren und Giannia sowie Donatella könnten auch Familie Jedermann sein. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Staffel zu dem Besten zählt, was das beliebte True Crime-Genre hergibt.

© Netflix

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Prinzessin Blaubeere
Redakteur
4. Dezember 2019 10:18

Also ganz ehrlich: Ich liebe diese Seite! Ich lese so oft einen Artikel und entdecke dabei etwas, dass dann auf meine watchlist wandert (oder sofort geschaut wird). Keine Ahnung, wieso Netflix mir diese Serie nicht vorgeschlagen hat. Die müsste so ziemlich in mein Schema passen. Also danke dafür! 😀