Trauma – Das Böse verlangt Loyalität

Es gibt Filme, vor denen man schlichtweg eine Warnung aussprechen muss. Das muss nicht zwangsweise ein Hinweis auf mangelnde Qualität sein – in diesem Fall eine ernstzunehmende Warnung: Der folgende Film ist wirklich nichts für Zartbesaitete. Erfahrenen Horrorfans, die nun ins Schmunzeln kommen, sei gesagt, dass Trauma – Das Böse verlangt Loyalität die Grenzen des guten Geschmacks weit hinter sich lässt. Die hier dargestellten Tabubrüche zielen nicht auf möglichst viele splattrige Einlagen ab (zwar auch, aber nicht ausschließlich), sondern stellen explizit harte Szenen dar. Das, was A Serbian Film für Serbien ist, ist Trauma für Chile. Wer sich nun nicht abgewendet hat und sich gegebenfalls die Hände leckt, kann es sich bereits denken: Der Rape & Revenge-Thriller erscheint in Deutschland nicht nur ab 18, sondern um satte zehn Minuten gekürzt. Sexploitation ist der Begriff, der in Zusammenhang mit diesem Film fällt.

    

Chile. Das Pärchen Julia und Magdalena und die beiden Schwestern Andrea und Camila wollen einen alten Ort namens Las Agustinas besuchen. Doch schon bei ihrer Ankunft müssen die Mädchen feststellen, dass man ihnen dort nicht wohl gesonnen ist. Nach einer Auseinandersetzung mit einer Männergruppe in einer Bar erreichen die Mädchen das Anwesen von Andreas Onkel. Doch zwei Männer sind ihnen aus der Bar gefolgt und dringen nachts gewaltsam in die Behausung ein. Dort quälen und vergewaltigen sie die Mädchen auf brutale Weise. Am nächsten Morgen ist eines von ihnen tot. Die Polizei wird alarmiert, doch die beiden eintreffenden Beamten sind sich unschlüssig…

A Serbian Film goes Chile

Originaltitel Trauma
Jahr 2017
Land Chile
Genre Horror
Regisseur Lucio A. Rojas
Cast Andrea: Catalina Martin
Camila: Macarena Carrere
Julia: Ximena del Solar
Magdalena: Dominga Bofill
Juan: Daniel Antivilo
Pedro: Eduardo Paxeco
Laufzeit 106 Minuten
FSK

Trauma ist ein Skandalfilm, wie er im Buche steht. Das kündigt Regisseur Lucio A. Rojas bereits in der ersten Szene an. Diese ist derart brutal, dass wir an dieser Stelle eine erneute Warnung ausdrücken. In einer sechs Minuten langen Sequenz wird ein heranwachsender Junge dazu genötigt, seine bereits brutal zugerichtete Mutter zu vergewaltigen. Dieser macht das nur äußerst widerwillig und übergibt sich immer wieder, woraufhin ihm ein potenzsteigerndes Mittel injiziert wird. Der junge Mann kommt in Fahrt und lässt sich auch nicht mehr aufhalten, als die Peiniger seiner Mutter das Hirn herauspusten. Wie ein willenloser Zombie stößt er immer wieder zu, während seine Mutter längst tot ist.  Bereits diese Szene vermittelt ein Bild davon, wie rabiat der Regisseur auf Tabubruch aus ist. Es sind solche Szenen, die sich wiederholen. Auf psychischer wie physischer Ebene.

Das persönliche Trauma des Regisseurs?

Unklar ist, ob der Regisseur mit diesem Film nicht Teile seiner eigenen Jugend verarbeitet. Geboren im Jahr 1978 erlebte er selbst noch eine Zeit mit, in welcher die Bevölkerung Chiles unter der Militärdiktatur litt, welche erst 1990 ihr jehes Ende fand. In dieser Zeit wurden tausende Menschen verschleppt, gequält und vergewaltigt. Begleiterscheinungen eines ultrabrutalen Regimes. Auch in Trauma finden sich Rückblicke wieder, welche Kindersoldaten zeigen und Momente blutigen Schusswechsels demonstrieren. Hier zählen Frauen und Kinder nichts, sie sind Freiwild und müssen sich entsprechend beugen oder werden getötet. Das überträgt sich auch auf die Frauen. Diese werden gezielt als lesbisches Paar eingeführt, um den Ekeleffekt weiter zu steigern und die Qualen zu verdoppeln.

Kontroverse mit überzeugenden Effekten

Trauma überzeugt am meisten mit seinen gelungenen Make-up-Effekten. Was hier aufgerissen, aufgeschossen oder zerstückelt aussehen soll, könnte es genauso sein. Verstärkt wird das durch die konsequent düsteren Räumlichkeiten, in welchen wir uns aufhalten. Sonnenlicht gibt es fast nur in Rückblenden, was stilistisch einen sauberen Kontrast bietet. Inhaltlich wird die Leidenstour schon recht früh ermüdend. Wie immer bleibt diese eine Figur nicht aus, welche sich völlig dumm verhält und irrational herumeiert, anstatt sich in Sicherheit zu bringen. Ab hier ist schon klar, dass die Figuren gar keine realistische Chance erhalten sollen. Charakterlich bleiben sämtliche Figuren blass. Das trifft sowohl auf die Frauen zu als auch deren Peiniger, die im Grunde gar keinen Eindruck hinterlassen und deren Gefahr einzig aus ihrer körperlichen Überlegenheit resultiert. Vor allem das letzte Drittel trägt dann die Rechnung für das schwache Drehbuch und spult alles nach Schema F herunter. Immer auf die widerwärtige Weise, weil das nun einmal das Aushängeschild des Films ist, aber eben auch weit entfernt von inhaltlicher Originalität.

Fazit

Trauma ist deftiger Cocktail aus Sex, Gewalt und Krieg. Kein Wunder, dass deutsche Sittenwächter Alarm schlagen. Während in Internetforen noch immer rege über A Serbian Film diskutiert wird, befindet sich Trauma noch immer im Schatten des umstrittenen Serben. Rape & Revenge-Fans mit robustem Magen und entsprechender Distanz sollen sich den Film früher oder später über den Österreich-Import zulegen können. Solange schippert die geschnittene Fassung durch die deutschen Regale. Auch wenn die Darstellung um zehn Minuten geschnitten ist, gibt es eines nicht schön zu reden: Trauma ist ein verstörendes und menschenverachtendes Machwerk, welches von Anfang bis Ende schocken möchte. Mit Erzählkunst oder einer spannenden Inszenierung hat das nicht viel zu tun. Hier haben vermeintlich “softere” (in Relation betrachtet) Titel wie I Spit On Your Grave die Nase vorn.

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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