Ravers
Und ewig schlurft die Zombie-Meute. Wobei das so nicht stimmt. Manche flitzen auch. Und ganz wenige tanzen. So wie jene aus der britischen Horrorkomödie Ravers von Bernhard Pucher (Betsy & Leonard). Hier wirft der Name bereits seine Schatten voraus: Ein Underground-Rave, tanzwütige Party People und noch dazu ein virenverseuchter Energydrink, der seine Konsumenten bis an ihre Grenzen bringt. Wer meint, nun schon zu wissen, welche Marschrichtung hier eingeschlagen wird, irrt. Denn Ravers lässt sich als ambitioniertes Projekt beschreiben, welches seine Zuschauenden immer wieder mit neuen Einfällen und sauber ausgearbeiteten Ideen zu überraschen vermag. Wer nach diesem Review Lust auf die Produktion bekommen hat, hat die Chance auf dem 6. Obscura Filmfestival Berlin, das am 30. und 31. Oktober 2020 in Berlin stattfinden wird.
Chicago: Die Journalistin Becky (Georgia Hirst, Vikings) ist beruflich in einer Sackgasse angelangt, in der sich aktuell kein Vorankommen zeigt, und auch ihre Chefin (Natasha Henstridge, Species) mahnt, dass es allmählich an der Zeit ist, sich aus der Komfortzone zu begeben. Da ergibt sich die Chance, sich bei einer Rave-Party unters Volk zu mischen. Eine echte Herausforderung für die junge Frau, denn sie leidet unter Germaphobie, der Angst vor Keimen. Bereits im Büro nimmt sie alles und jeden als potenzielle Gefahr wahr, wie soll das erst auf einer solchen Veranstaltung funktionieren? Glücklicherweise ist auch ihr Cousin Ozzy (Danny Kirrane, Automata) in Begleitung von Jen (Maria Volk, The Mule) mit von der Partie. Die größte Gefahr stellen in diesem Fall allerdings nicht etwa die dicht aufeinander tanzenden Menschen dar, sondern ein Virus, das in Form von Energy Drinks in der alten Fabrikhalle hergestellt wurde. Deren Genuss bringt seine Konsumierenden zur Rage. Dummerweise gibt es an diesem Abend eine Runde Energy Drinks für alle!
Die Energy Drinks sind schuld
Originaltitel | Ravers |
Jahr | 2018 |
Land | Großbritannien |
Genre | Horror, Komödie |
Regie | Bernhard Pucher |
Cast |
Becky: Georgia Hirst
Chefin: Natasha Henstridge Charlotte: Eve Connelly Ozzy: Danny Kirrane Vince: Kamal Angelo Bolden Hannah: Manpreet Bambra |
Laufzeit | 90 Minuten |
FSK | unbekannt |
Bislang kein Veröffentlichungstermin bekannt |
Tanzende Menschen, Drogen, erst außer Rand und Band und später außer Kontrolle. Eine ähnliche Skizze beschreibt auch Gaspar Noés Arthouse-Drama Climax, welches die fatalen Konsequenzen eines durch chemische Substanzen eskalierenden Abends schildert. Ravers besitzt ähnliche Grundzüge und baut ganz auf das Klischee der pillenkonsumierenden Party Crowd. Doch der wahre Auslöser allen Übels sind hierbei die fiesen Energy Drinks, die für sich stehend aber auch als Metapher für alle bewusstseinsverändernden Stoffe interpretiert werden können. Parallelen zum 2005er Return of the Living Dead V: Rave to the Grave sollen und wollen an der Stelle jedoch nicht gezogen werden. Denn: Der Begriff “Zombie” ist in diesem Fall mit höchster Vorsicht zu gebrauchen – und das ist auch gut so! Das Drehbuch von Luke Foster verabschiedet sich von herkömmlichen x-fach gesehenen Zombie-Darstellungen. Das ist zunächst ungewohnt, aber erfrischend aktivierend. Denn jetzt liegt es am Publikum, herauszufinden, wie die Wirkung genau aussieht und welche Spielregeln Ravers für seinen Virus aufstellt.
Von wegen willenlose Meute
Allzu viel soll an dieser Stelle nicht verraten werden, aber eines ist interessant: Die “Zombies” sind in diesen Fall erstaunlich menschlich und auch in ihren Instinkten und Trieben selbstbestimmt. Das hebt sich angenehm von der Masse dieses – wirklich an Titeln überfluteten – Sub-Genres ab. Ebenfalls clever verankert ist der Faktor Musik als Impulstreiber: Der stampfende Beat lässt das Adrenalin direkt in die Venen schießen und in einem rauschartigen Zustand ist es umso leichter, sich voll und ganz einer Fremddynamik hinzugeben. Deswegen lohnt sich der Film erst recht, um ihn in bester Qualität zu genießen: Das Zusammenspiel aus audio-visuellen Faktoren ist Teil der Handlung. Hierin wurde das Motiv “Rausch” gleich im doppelten Sinne clever ausgelegt. Auf der einen Seite das Fallenlassen, der Antrieb durch Musik und Tanz, auf der anderen Seite Wut, Trieb und Instinkt.
Sorgfalt beim Character Development
Unbedingt hervorgehoben werden muss an der Stelle die Sorgfalt, die Pucher und Foster bei der Ausarbeitung ihrer Figuren walten lassen. Selbstverständlich befinden sich unter den Tanzwütigen allerlei Stereotypen, ohne die ein solches Setting gar nicht funktioniert. Es hätte sich angeboten, dementsprechend auch einen Cast an Prototypen zusammenzustellen. Im Falle des Antagonisten Vince (Kamal Angelo Bolden, Elvis & Nixon) ist das sogar so. Doch gerade bei Becky steckt mehr dahinter: Ihre Germaphobie wird immer wieder aufgegriffen. Nicht, um es ständig unnötig zu erwähnen, sondern als sinnvoller Bestandteil der Handlung. Mal als Steilvorlage für einen der vielen Gags, mal als Eckpfeiler ihrer Charakterentwicklung. Diese Facette wurde säuberlich ausgearbeitet und wird an vielen Stellen aufgegriffen, ohne sie größer als notwendig zu thematisieren. Etwa dann, wenn Becky über den Boden robben muss, dies aber auf Ellenbogen macht oder die Hände beim Hochklettern einer Leiter im Ärmel versteckt. Diese Feinheiten kommen ganz unerwartet und hinterlassen einen positiven Eindruck. Hiervon könnte sich mancher Drehbuchautor ernst angelegter Zombie-Streifen eine dicke Scheibe abschneiden.
Eine runde Produktion
Weitere angenehme Überraschungen warten in dem divers angelegten Cast auf. Auch dazu soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden, aber es gibt eine charmant-süße Überraschung, die bei vielen Zuschauern auf Wohlwollen stoßen wird, da sie angenehm authentisch erzählt ist und sich nicht wichtiger nimmt, als man es befürchten würde. Immer wieder zeigt sich, dass im Drehbuch ganz viel Liebe im Detail steckt. Ähnlich verhält sich das auch mit den anderen Produktionswerten: Zu dem sauberen Bild gesellen sich überzeugende CGI-Effekte und eine Maske, an der sich kreative Menschen richtig austoben durften. Das Budget der Produktion lässt sich allenfalls an der überschaubaren Location ablesen, was auf Handlungsebene alles aber gerechtfertigt ist. Musikalisch scheiden sich die Geister zwangsweise: Die das Geschehen dominierenden Rave-Beats fungieren als Pulstreiber, fügen sich daher inhaltlich wie stilistisch nahtlos ins Geschehen ein und entfachen vielleicht bei manchem Zuschauer ein nostalgisches 90er-Gefühl.
Fazit
Ravers ist eine erstaunlich erfrischende Erfahrung: Viel zu schnell werden solche Titel in die anspruchslose Trash-Ecke abgeschoben, dabei stecken allerlei kluge Entscheidungen und Liebe zum Detail im Skript. Bei der geballten Konkurrenz an ähnlich gelagerten Produktionen ist es aus dem Grund umso wichtiger festzuhalten, dass Ravers alles in allem stärker ist als die Summe seiner einzelnen Teile. Die Balance zwischen Horror und Komödie entpuppt sich als ausgeklügelt, lässt den Film aber weder zu unheimlich, noch zu albern sein. Ein Fest für Genre-Fans mit einigen blutigen Einlagen, die (wie im Falle des Autors dieser Zeilen) vor allem alle mit Aversion gegen Augen-Geschichten auch ekeln können. Interessant ist übrigens, dass es sich um eine britische Produktion handelt, die aber in den USA angesiedelt ist und ihre Darsteller mit US-Akzent sprechen lässt. Internationale Beachtung sei dem Film definitiv gegönnt!
© Blue Finch Films Releasing