Jackie Brown

Erst Reservoir Dogs, dann Pulp Fiction. Mitte der 90er hatte der Senkrechtstarter Quentin Tarantino zwei Knaller nacheinander hingelegt. Wie kann man das noch toppen? Indem man es gar nicht erst versucht. Tarantinos nächster Film, Jackie Brown, ist lupenreines Genre-Kino. Ein pfiffiges Verwirrspiel um einen illegalen Geldtransport mit dem typischen makabren Tarantino-Humor und einer Paraderolle für eine zu Unrecht in Vergessenheit geratene Schauspielerin: Pam Grier, die in der kurzen Blütezeit des Blaxploitation-Kinos schlagkräftige, schwarze Frauen mit Afro und sexy 70er Jahre-Outfits spielte. Tarantino gibt ihr in Jackie Brown zwei Jahrzehnte später noch einmal eine Gelegenheit, ihre Star-Qualitäten voll auszuspielen.

 

Stewardess Jackie Brown (Pam Grier, Foxy Brown) sitzt in der Klemme. Da hat sie ihr kümmerliches Gehalt mit illegalen Geldtransporten aufgebessert und ist am Flughafen von LA mit einer Tasche voller Dollars und einem Tütchen Kokain geschnappt worden. Nun sitzt ihr die Polizei ebenso im Nacken wie ihr Auftraggeber, der Waffenhändler Ordell Robbie (Samuel L. Jackson, Pulp Fiction), der gern mal Untergebene aus dem Weg räumt, wenn sie ins Blickfeld des Gesetzes geraten sind. In der Not entwickelt sie einen cleveren Plan, wie sie unter dem Vorwand eines weiteren Geldtransports Polizei und Gangster gegeneinander ausspielen kann. Aber wer wird am Ende mit der Einkaufstüte voller Dollars davonspazieren, wenn auch Ordells dauerbekiffter Kumpan Louis (Robert de Niro, Taxi Driver), die scharfzüngige Strandschönheit Melanie (Bridget Fonda, Codename Nina), und der Kautionsagent Max Cherry (Robert Forster, El Camino: Ein „Breaking Bad“-Film ) der ein Auge auf Jackie geworfen hat, bei dem Verwirrspiel mitmischen?

Genre: Heist Movie

Originaltitel Jackie Brown
Jahr 1997
Land USA
Genre Thriller, Drama
Regie Quentin Tarantino
Cast Jackie Brown: Pam Grier
Ordell Robbie: Samuel L. Jackson
Louis Gara: Robert de Niro
Melanie Ralston: Bridget Fonda
Max Cherry: Robert Forster
Ray Nicolette: Michael Keaton
Beaumont Livingston: Chris Tucker
Laufzeit 154 Minuten
FSK
Im Handel erhältlich

Heist Movies sind die Filme, in denen auf möglichst ausgefuchste Art und Weise ein Verbrechen geplant und durchgezogen wird und der Zuschauer nicht auf die Aufklärung des Falls oder die Verhaftung der Verbrecher wartet, sondern sich darüber freut, wie die Sympathieträger am Ende mit der Beute entwischen. Aber hier muss kein Tunnel gebuddelt, keine Alarmanlage ausgetrickst, kein Safe geknackt werden. Das Objekt der Begierde, eine halbe Million Dollar aus Waffengeschäften, kommt heil aus Mexiko an, sie muss nur noch in die richtigen Hände gelangen. Eigentlich ist der Trick, mit dem das geschieht, ganz einfach. Da aber die Drahtzieherin viele Bälle in der Luft halten muss und viele Akteure mitmischen, wirkt es deutlich komplizierter, als es tatsächlich ist. Zumal der Zuschauer, der all dieses Pläneschmieden miterlebt, trotzdem nie alle Informationen in der Hand hat und von der Entwicklung der Dinge dann doch genauso überrascht wird wie die ausgetricksten Gegenspieler.

Tarantino mal in Leise

Wer von einem Tarantino-Film spektakuläre Gewalt-Szenen, spritzendes Blut und schrägen, schwarzen Humor erwartet, der hat hier einen eher leisen Film vor sich. Es gibt sie schon, diese abrupten, skurrilen Tarantino-Morde, wo jemand ohne zu zögern losballert. Aber sie passieren eher beiläufig, der Hauptakzent des Films liegt auf den Figuren, die alle sehr viel Raum bekommen, miteinander zu interagieren. Samuel Jackson als Waffenhändler Ordell Robbie tut, was er am besten kann und das mit der dämlichsten Frisur der 90er Jahre. Robert de Niro hingegen brilliert in einer Rolle, die gerade nicht das bringt, was man von einem von de Niro verkörperten Ex-Bankräuber erwarten könnte. Stattdessen ist der Kerl ein verpeilter Kiffer, der sich nicht merken kann, wo er sein Auto geparkt hat. Bridget Fonda ist so blond und sonnengebräunt, wie die weiße Statussymbol-Geliebte eines schwarzen Gangsters nur sein kann. Sie bekommt aber auch die wohl beiläufigste Sex-Szene der Filmgeschichte und genug Screentime, um aus dem Klischee eine runde, wenn auch herzlich unsympathische Figur zu entwickeln. Die Figuren sehen Filme, hören Musik, reden miteinander, quatschen auch mal dummes Zeug und außerdem planen sie noch eine Geldübergabe. In 154 Minuten haben sie eine Menge Zeit dafür.

Eine schwarze Frau über 40

Immer, wenn Ordell einen Satz mit diesen Worten beginnt, spielt er routiniert die Mitleidskarte aus. Dabei hat die Person, um die es geht, Mitleid so überhaupt nicht nötig. Ja, es mag hart sein, wenn man es mit Mitte 40 nur zu einem jämmerlichen Job und einer Vorstrafe gebracht hat. Und auch noch weiblich und schwarz ist. Aber Jackie Brown dominiert diesen Film in jeder Minute, sie hat alle Fäden in der Hand und Tarantino tut alles dafür, sie im Mittelpunkt stehen und dabei toll aussehen zu lassen. Ob in einer Stewardessen-Uniform oder beim Anprobieren eines schwarzen Hosenanzugs, wie ihn auch Uma Thurman in Pulp Fiction trägt. Selbst nach einer Nacht im Knast sieht sie noch umwerfend aus. Pam Grier hat genau die geballte Ladung Leinwandpräsenz dafür. Das Schöne dabei ist, tolles Aussehen, eine durchdacht ausgearbeitete Persönlichkeit und das Vorantreiben der Handlung sind Dinge, die einander nicht ausschließen. Eine Bombenrolle für eine Darstellerin, die in ihre wechselvollen Karriere viel zu selten Gelegenheit dazu hatte, ihre Fähigkeiten voll auszuspielen.

Fazit

Es lohnt sich immer wieder, das mehr als 20 Jahre alte Jackie Brown hervorzukramen. Ob nun wegen der pfiffigen Krimi-Handlung, wegen der Schauspieler, die so viel Screentime für witzige Dialoge und Charakterentwicklung kriegen, wegen der Musik, wo Tarantino wohl mal wieder einen Schwung seiner Lieblingsplatten verwurstet hat. Oder einfach nur, um zu sehen, wie Pam Grier in grellblauer Stewardessen-Kluft auf einem Flughafen-Laufbahn ganz, ganz lange an blau-bunten Wandmosaiken vorbeifährt.

© Universum Film


Im Handel erhältlich:

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wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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