Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

Wer flüchtet sich an einem langweiligen Arbeitstag nicht gerne in einen spannenden Tagtraum? Da werden der Boss zum Oberbösewicht, die nette Kollegin zur Tangotänzerin und die Fahrt nach Hause zur Rettungsmission eines Freundes aus einem brennenden Haus. Der gute Walter Mitty durchlebt das leider nur ein paar Mal zu häufig. Seine Umgebung belächelt ihn deswegen gerne einmal, doch ein einziges kleines Foto schickt ihn auf eine unglaubliche Reise, bei der er sich seinem Leben stellen muss. Basierend auf der Kurzgeschichte Walter Mittys Geheimleben von James Thurber (Vom Mann, der die Luft anhielt) inszenierte Ben Stiller (Im Zweifel glücklich) die zweite Verfilmung um den zurückhaltenden Mann mit den kreativen Vorstellungen. Dabei schlüpfte er zusätzlich noch in die Rolle des titelgebenden Helden. Ob er diesmal mehr als nur plumpen Klamauk auf die Leinwand bringt, wollen wir dabei genau wissen. Starten wir daher unsere Reise durch Das erstaunliche Leben des Walter Mitty.

   

Walter Mittys Leben verläuft alles andere als rosig. Er ist zwar der Leiter des Negativ-Archivs des renommierten Life-Magazins, jedoch soll die Printausgabe ab dem nächsten Heft eingestellt werden. Ob er dann noch einen Job hat, ist fraglich. Sein Vorhaben über eine Online-Dating-Plattform seiner neuen Kollegin Cheryl Melhoff (Kristen Wiig, Bernadette) näherzukommen, gelingt aus technischen Gründen auch nicht. Der Kundensupport, in Form des netten Todd (Patton Oswalt, Pets 2) auf der anderen Seite der Telefonleitung, bringt unglücklicherweise auch keine schnellen Erfolge, denn Walters Profil ist schlicht langweilig. Und dann wäre da noch der Umzug seiner Mutter ins Pflegeheim. Das sorgt einmal mehr für einiges Kopfzerbrechen über die aktuelle finanzielle Lage. Doch dann verschwindet das letzte Foto des berühmten Fotografen Sean O’Connell (Sean Penn, The Professor and the Madman), welches das letzte Titelbild zieren soll. Da rücken plötzlich alle Probleme nach hinten, denn Walter muss eine fantastische Suche starten …

Nicht mit dem Brecheisen erzählt

Originaltitel Das erstaunliche Leben des Walter Mitty
Jahr 2013
Land USA
Genre Abenteuer, Komödie, Drama
Regie Ben Stiller
Cast Walter Mitty: Ben Stiller
Cheryl Melhoff: Kristen Wiig
Sean O’Connell: Sean Penn
Todd Maher: Patton Oswalt
Ted Hendricks: Adam Scott
Edna Mitty: Shirley MacLaine
Odessa Mitty: Kathryn Hahn
Laufzeit 114 Minuten
FSK

Zu Beginn nimmt sich Ben Stiller in Das erstaunliche Leben des Walter Mitty Zeit, in ruhigen, glaubhaften Tönen das Leben seines Protagonisten vorzustellen. Dabei fallen vor allem kleine Brotkrumen, die darauf hinweisen, warum Walter eher ein schlichtes Leben führt. Diese weisen aber schon darauf hin, dass ein tragischer Familienverlust ihn mehr oder minder dazu zwang, schnell an Geld zu kommen. Gerade das sorgt dafür, dass Zuschauer sich in die Lage von Walter hineinversetzten können. Ansonsten sind es seine abenteuerlichen, kreativen Ausflüge in die Fantasiewelt. Denn wer kann es ihm übel nehmen, wenn sein neuer Chef Ted Hendricks (Adam Scott, Big Little Lies) ihn mobbt und er sich deswegen in Tagträume rettet, in denen er ihm die Meinung sagt. Emotionale Bindung bauen wir daher zu Walter schnell auf, was im Verlauf des Films auch wichtig ist. Schließlich ist er über weite Strecken die einzige Figur im Bild.

Ein Foto — eine unvergessliche Reise

Begibt sich Walter schließlich auf die Suche nach Sean, um ihn direkt wegen des fehlenden Objekts zu fragen, braucht es keine außergewöhnlichen Vorstellungen mehr. So landet er zum Beispiel in einem kleinen Ort in Grönland. Dort muss er dann all seinen Mut zusammennehmen, um in einen Helikopter eines betrunkenen Piloten zu steigen. Eine außergewöhnliche Situation, die nur am Anfang einer Verkettung interessanter, spannender Ereignisse steht. Tagträume braucht es da bald nicht mehr, denn Walter erlebt genug, wodurch er gar keine Zeit mehr dafür hat. Zwar tickt die Uhr für ihn, doch bedeutet es für uns nicht, dass wir durch die Geschichte rasen. Viel eher findet der Regisseur hier das perfekte Timing, um auch Landschaften und Orte auf den Zuschauer wirken zu lassen. Deswegen darf Walter auch eine Weile mit dem Fahrrad durch die beeindruckenden Landschaften radeln. Oder sich schlicht Gedanken über sein Leben machen.

Liebe und Familie

Neben all den unglaublichen Erlebnissen vergisst die Handlung aber nicht, dass Walter noch zwei weitere Probleme hat. Da ihn Cheryl bei seiner Suche nach Sean hilft, kommen sich die beiden praktischerweise näher, müssen aber doch das eine oder andere Hindernis überwinden. Die passende Botschaft, die der Film dabei übermittelt, ist, dass es eher die kleinen Dinge sind, wie das schlichte richtige Zuhören. Was auf jeden Fall stimmt, ist die Chemie zwischen Ben Stiller und Kristen Wiig. Ebenso die Stimmung zwischen der Familie Mitty, die die Handlung auch nie aus dem Fokus verliert und vor allem eine passende Balance zwischen Walters Selbstfindungs-Abenteuern findet. Schlussendlich bietet Das erstaunliche Leben des Walter Mitty nicht nur etwas für Zuschauer, die mit dem Film in ein Abenteuer einsteigen, sondern jene, die etwas fürs Herz suchen.

Die Isländer haben es erkannt

Während Walters Träume kreative CGI-Bomben sind, können die mit der Kamera eingefangenen Naturschauplätze wunderbar gegenhalten. Da aktiviert sich das Fernweh wie von allein. Getrickst wurde aber trotzdem, denn wenn unser Reisender in Grönland oder Afghanistan herumreist, wurden diese Szenen auch in Island gedreht. Unter anderem in Grundarfjörður oder am beeindruckenden Vatnajökull-Gletscher, was jedoch im fertigen Film trotzdem passt. Stuart Dryburgh (Men in Black: International) leistete hervorragende Arbeit hinter der Kamera. Denn nicht nur die Landschaften fing er perfekt ein, sondern auch die Szenen in Amerika. Hier besticht vor allem oft die Form oder Farbe, mit der Dryburgh auch aus einer einfachen Szene alles herausholte. Gerade diese Kleinigkeiten fallen nicht immer sofort ins Auge, sorgen aber dafür, dass sich ein erneutes Anschauen auf jeden Fall lohnt. Der stimmungsvolle Soundtrack von Theodore Shapiro (Last Christmas) tut sein übriges. Mit dem Song „Space Oddity“ von David Bowie fand sich zusätzlich der musikalische Pate.

Fazit

Mir fällt es nicht schwer, mich mit Walter Mitty zu identifizieren. Tauche ich schließlich selbst hin und wieder in Tagträume ab, um das eine oder andere Langweilige zu überbrücken. Dass er dann auch noch mit Fotos zu tun hat, sich verantwortungsvoll um seine Familie kümmert, macht ihn zusätzlich sympathisch. Daher folgt man gespannt seiner unglaublichen Reise durch Länder wie Grönland oder mein geliebtes Island. Viele Probleme erwarten ihn, doch gerade seine oft ruhige, nachdenkliche Art bringt ihn immer wieder weiter. Dabei entdecken wir ganz interessante Seiten an ihm, denn wer hätte nach den ersten Spielminuten erwartet, dass Walter ein Skateboard-Genie ist! Geschickt ist die tragische Geschichte mit seinem Vater eingeflochten und die daraus resultierenden Lebensveränderungen, die Walter durchlebte. Selbst die Liebesgeschichte empfinde ich einmal nicht als zu aufdringlich, störend oder unpassend, auch wenn das eine oder andere Klischee bedient wird (Ex-Mann). Sehr begeistert bin ich über die Kreativität dieses Films: Ob nun die Tagträume, die Kameraeinstellung oder schlicht die immer wieder wechselnden Fortbewegungsmittel. Zum krönenden Abschluss die Auflösung mit dem verlorengegangenen Foto, welches mich immer wieder lächeln lässt.

© 20th Century Fox


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Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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