Coma

Das russische Fantasy- und Action-Kino ist in den letzten Jahren stark aufgeblüht. Dennoch haben es Produktionen aus diesem Land in Deutschland weiterhin schwer, Fuß zu fassen. Ein Titel, der allerdings speziell für ein westliches Publikum erschaffen wurde, ist Nikita Argunovs Regiedebüt Coma. Der Spezialeffekt-Profi ließ sich augenscheinlich von den visuell aufregenden Erzählwelten von Inception beeinflussen, kommt aber dem Bombast von Doctor Strange noch ein wenig näher. Nach einem kurzen Zwischenspiel in den Kinos brachte Capelight den Science-Fiction-Epos am 3. April 2020 in den deutschen Handel.

   

Nach einem schweren Autounfall erwacht der Architekt Viktor (Rinal Mukhametov, Attraction) in einer ihm unbekannten Parallelwelt, die sich aus den Erinnerungen von Komapatienten zusammensetzt. Er kann sich nur noch an Bruchstücke seines vorherigen Lebens erinnern, ebenso wie die anderen Bewohner der fantastischen Welt, die sich zu einer Gruppe aus Untergrundkämpfern, angeführt von dem aggressiven Phantom (Anton Pampushnyy), zusammengeschlossen haben. Gemeinsam sind sie auf der Suche nach einer sagenumwobenen Insel, die Schutz vor den Reapern – Monstern, die an zerfließende Schatten erinnern – bieten soll. Denn wer hier stirbt, der stirbt auch in der realen Welt. Während Viktor sich neuen Gefahren stellen muss und ungeahnte Talente entdeckt, stellt er sich nur eine Frage: Wird er je wieder aufwachen?

Faszination Geisteszustand

Originaltitel Koma
Jahr 2019
Land Russland
Genre Action, Fantasy
Regie Nikita Argunov
Cast Viktor: Rinal Mukhametov
Fly: Lyubov Aksyonova
Phantom: Anton Pampushnyy
Astronom: Milos Bikovic
Yan: Konstantin Lavronenko
Spirit: Polina Kuzminskaya
Laufzeit 111 Minuten
FSK
Seit dem 3. April 2020 im Handel erhältlich

Das Empfinden eines Koma-Patienten gehört zu den größten Mysterien der Medizin. Träumt er? Nimmt er seine Umgebung war? Oder bewegt er sich in ganz anderen unerforschten Sphären? Nikita Argunovs Coma möchte sich mit dieser Fragestellung befassen und findet dafür opulente Bildwelten. Inwieweit das nun mit einem Koma-Patienten zu tun hat, darauf geht der Film nur bedingt ein. Wir erfahren, wie dieser Zustand im Kopf eines Betroffenen aussieht, aber eine wirkliche Forschungsfrage wird nicht beantwortet. Die Reise durch das neuronale Netzwerk vereint allerlei globale Sehenswürdigkeiten. Venezianische Kanäle, chinesische Straßenmärkte oder eindeutig definierbare Bauten wie die Golden Gate Bridge: Real existierende Orte verschmelzen zwischen den Wolken und  werden zu einem völlig neuartigen Gebilde zusammengestülpt. Die physikalischen Gesetze sind in Coma vollkommen außer Kraft gesetzt. Sprünge in die Tiefe befördern da auch mal in die Höhe. Dank besonderer Fähigkeiten kann unser Held im Kampf durchaus auch neue Wände oder Treppen entwerfen. Warum das so ist, darauf gibt es keine Antwort.

Geringe Mittel, große Wirkung

Coma ist nicht nur Argunovs Regie-Debüt, er verfasste auch das Original-Drehbuch. Manchmal mag es funktionieren, dass sich eine einzige Person als Tausendsassa erweist und auf allen Gebieten punkten kann. Argunov merkt man die Erfahrung auf visueller Ebene an: Er ist äußerst versiert darin, seinen Vorstellungen den richtigen Ausdruck zu verleihen. Ein wenig Matrix hier, etwas Inception dort. Auch wenn der Regie-Neuling betont, dass Parallelen zu Doctor Strange eher zufälliger Natur zu sein scheinen, lässt sich der Eindruck selten abschütteln, dass der Special Effects-Profi seine Hausaufgaben gemacht hat. Mit gerade einmal 4 Millionen Dollar holt er aus dem Budget alles heraus, um seinen am Computer erschaffenen Welten nicht ansehen zu lassen, dass es sich im Grunde um eine eher günstige Produktion handelt.

Survival-Stereotypen in der surrealen Welt des Effektgewitters

Um Coma wirklich genießen zu können, bedarf es vor allem der Fähigkeit, Ansprüche an eine tiefgehende Handlung abzulegen. Hier greift wieder einmal die “Style over Substance”-Devise, denn so fantasievoll und kreativ die CGI-Kulissen auch sind, so oberflächlich und eindimensional sind die Charaktere der Überlebendentruppe angelegt. Diese wirken wie Videospiel-Helden, die schablonenhaft jeweils eine Funktion ausfüllen. Damit die Männer nicht ganz unter sich sind, füllt auch eine Dame die ihr auferlegte Quote, welche zudem eine wenig ambitioniert erzählte Liebesgeschichte beinhaltet. Die dünne Geschichte bietet weder innere Konflikte (Selbstfindung), noch äußere (Politik, Sozialkritik). Vielleicht hätte es eines professionellen Drehbuchautors benötigt, um mehr Spannung zwischen den einzelnen Faktoren herzustellen. Besonders schade ist das aber im Falle der Hauptfigur Viktor, der es nicht gelingt, dass Zuschauer Interesse für ihn entwickeln können. Vor allem ist er zeitweise auch noch viel zu unsympathisch, um Interesse für sein Schicksal aufzubauen.

Fazit

Coma ist einer jener Filme, in denen die visuellen die erzählerischen Qualitäten bei weitem überragen. Das Besondere, nämlich dass sich die Welt aus den Erinnerungsfetzen aller Anwesenden zusammensetzt, kann die Geschichte allein nicht bis zum Ende tragen. Die eindimensionalen Charaktere laden nicht ein, bei den waghalsigen Missionen mit ihnen zu fiebern. Da kann alles noch so blendend aussehen. Als surrealer Bilderrausch macht Coma durchaus Spaß, inhaltliche Erwartungen sollte man besser auf Null setzen.

© Capelight

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments