Breaking Surface – Tödliche Tiefe

Es gibt für Taucher viele schöne Südsee-Reiseziele mit faszinierenden Unterwasser-Welten. Wer möchte 30 Grad Wassertemperatur da schon gegen das Eismeer Norwegens tauschen? Joachim Hedén (10.000 Hours) wählte für seinen Survival-Thriller Breaking Surface – Tödliche Tiefe wahrhaft faszinierende Kulissen: Wuchtige Eisberge, rauhe Felslandschaften und die zum Bibbern kalten Fjorde. Hier geschieht ein Unglück, dass die Nerven zweier Taucherinnen gehörig auf die Probe stellt – und einen Wettlauf gegen die Zeit einfordert. Nachdem der Film auf dem Fantasy Filmfest 2020 lief, erscheint er bereits wenige Tage später am 22. Oktober im Handel. Und wieder einmal zeigt sich, wie viel Spannung aus einem klaustrophobischen Setting herausgeholt werden kann.

Norwegen: Als Ida (Moa Gammel) ihre Mutter Anne (Trine Wiggen) und ihre Schwester Tuva (Madeleine Martin) besucht, ist die Stimmung angespannt. Langjährige Konflikte stehen zwischen den Frauen und keine von ihnen möchte den anderen Angriffsfläche offenbaren. Auch Ida hält lieber zurück, wie es wirklich um ihr Liebesleben steht, und versucht sich möglichst gut darzustellen. Ida und Tuva tauchen seit ihrer Kindheit und Tuva hat dies mittlerweile zu ihrem Beruf gemacht. Um auf andere Gedanken zu kommen, fahren die beiden Schwestern raus in die verschneite Natur an einen abgelegenen Tauchplatz. Als sie erst einmal unter Wasser sind, wirken die Streitigkeiten zumindest für den Moment vergessen. Bis es zu einem Felsrutsch kommt, der nicht nur das Equipment an Land, sondern auch Tuva auf dem Meeresboden unter sich begräbt. Die eingeklemmte Frau kann sich nicht mehr bewegen und Sauerstoffvorräte sind begrenzt. Sie versucht ihre Schwester anzuweisen, doch die ist bereits in Panik verfallen. Zu Recht: Niemand weiß, wo die beiden Frauen überhaupt sind.

Nähe und Distanz, das ewige Wechselspiel

Originaltitel Breaking Surface
Jahr 2020
Land Norwegen / Schweden / Belgien
Genre Survival-Thriller
Regie Joachim Hedén
Cast Ida: Moa Gammel
Tuva: Madeleine Martin
Anne: Trine Wiggen
Laufzeit 80 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 22. Oktober 2020

Zur Abwechslung mal begleiten wir kein mehrköpfiges professionell ausgerüstetes Taucherteam, das unvorbereitet von natürlichen oder übernatürlichen Feinden überrascht wird. Sondern zwei Schwestern, wovon die eine ein Profi, die andere Hobbytaucherin ist. Bereits in der Einführungsphase geht Breaking Surface einen beliebten Weg und baut Anspannung mittels zwischenmenschlicher Konflikte auf. Die Distanz zwischen den drei Frauen mag nicht unüberwindbar erscheinen, fühlt sich aber merklich unangenehm an. Irgendwo zwischen eigenen Versagensängsten und dem Gefühl, andere zu enttäuschen, zu verorten. Ein Prolog, der auf den Magen schlagen kann, wenn sich familiäre Fronten verhärtet haben und es einfach keinen Ausweg gibt. Bekanntlich wachsen Menschen an (gemeinsamen) Herausforderungen, was auch der Grund dafür ist, dass im Zentrum der 87 Minuten Ida und Tuva stehen, die zwar unterschiedliche Standpunkte vertreten, aber in dieser klaustrophobischen Situation vereint und somit voneinander abhängig sind.

Ehrfurcht vor der Natur

Breaking Surface ist in seiner DNA ein waschechter Survival-Thriller. Der “Horror” entsteht hier einzig aus der Natur heraus und es besteht keine Notwendigkeit, externe Gefahrenquellen fürs Storytelling heranzuziehen. Das macht die Sache auf angenehme Weise unangenehm. Denn weit und breit befindet sich kein Mensch und die Natur rund herum präsentiert sich majestätischer Eleganz: Kristallene Bergpanormanen, eine eisige Bucht und ein klarer Himmel täuschen über die Gefahren hinweg, die unter der Wasseroberfläche lauern. Die atemberaubende Kulisse trägt einen großen Teil zu der Isolation der beiden Frauen bei. Die eine eingeklemmt auf dem Meeresboden, die andere panisch, aber nicht hilflos im Schnee. Tatsächlich wurde nur Szenen an Land innerhalb der beeindruckenden Landschaften gefilmt: Die Unterwasser-Aufnahmen der schwedisch-norwegischen Koproduktion wurden vollständig in großen Wassertanks in Belgien abgedreht. Zu merken ist davon gar nichts, denn das Zusammenspiel zwischen Innen- und Außenaufnahmen funktioniert tadellos und wirkt wie aus einem Guss. Der atmosphärische Soundtrack wird etwa durch die norwegische Band Röyskopp bereichert.

Hier bleibt sprichwörtlich die Luft weg

Das Zuschauen pumpt ordentlich Adrenalin in die Blutbahn. Denn das Drehbuch versteht es durchaus, seine Dramaturgie so stark auszureizen, dass sie sich häufig haarscharf an der Grenze zu völlig verkopften Konstruktionen bewegt. Das kann ziemlich die Nerven strapazieren, wenn Ida wirklich ununterbrochen Pech hat und eine falsche Entscheidung nach der nächsten trifft. Es ist die Sorte von Entscheidungen, die einen als Zuschauer immer hinterfragen lassen, warum Menschen in Filmen so handeln und eben nicht so, wie wir es tun würden. Ida aber ist panisch und verwirrt, da trifft man nicht nur eine falsche Entscheidung. Dementsprechend schwer ist es auch, ihr wirklich böse zu sein. Im Gegenteil: Angesichts der akuten Situation ist ihr Ideenreichtum (und damit auch der des Drehbuchs) ausgezeichnet. Selbst nach einer Stunde sprudeln immer weitere Ideen, so dass die Spielzeit effektiver kaum genutzt werden könnte. Die Erdung der beiden Protagonistinnen im Alltag verleiht das Gefühl, ihnen noch näher zu sein. Das unterscheidet sie von einem professionellen Tauchtrupp ohne Vorgeschichte, denn die Identifikation gelingt wesentlich besser als etwa in 47 Meters Down: Uncaged.

Fazit

Breaking Surface punktet auf allen Ebenen und beeindruckt als superbes Spannungskino, das seine klaustrophobische und isolierte Grundstimmung mit Ideenreichtum abwechslungsreich aufwertet. Der realistische Fokus und selbst das bewusst manchmal unbedachte Vorgehen fühlen sich authentisch an. Kälte, Nässe, Verzweiflung, Panik – all das wird spürbar und geht unter die Haut. Ein völlig unterschätzter Film, bei dem zu hoffen bleibt, dass er auf dem Radar möglichst vieler Zuschauer auftauchen wird.

© Koch Media GmbH


Veröffentlichung: 22. Oktober 2020

 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Aki
Aki
Redakteur
6. Oktober 2020 14:13

Der Trailer hat mich sofort angesprochen und ich werde mir den Titel mal merken, in der Hoffnung das er bei einem Streaming Dienst landet. Vor allem die Realitätsnähe macht mich sehr neugierig.