Der Dunkle Turm (Band 5): Wolfsmond

Fast hätte es die letzten Bände des Dunklen Turm-Zyklus nicht gegeben, denn am 19. Juni 1999 hatte ein Kleinlaster Stephen King (The Stand – das letzte Gefecht) angefahren. Nur knapp ist er Gevatter Tod entkommen und konnte sich langsam wieder an die Arbeit machen. So verstrichen ganzen fünf Jahre, bis Wolfsmond das Licht der Buchläden erblickte. Zur Freude der Fans erschienen schon im darauf folgenden Jahr die letzten beiden Bände. Somit ist der fünfte Band der Auftakt zum Finale um die Reise zum Dunklen Turm. Roland und seine Gefährten stellen sich zuerst jedoch einigen ernsten Problemen: Wölfe, die alle paar Jahre Kinder stehlen, ein Dämonenbaby, das heranwächst, und das Gefüge aller Welten, welches in Gefahr ist.

Jake und Eddie gehen „flitzen“. Zwar liegen ihre schlafenden Körper in der Nähe von Rolands, doch ihre Seelen sind weit entfernt. Der Revolvermann hat jedoch ein anderes Problem. Susannah schleicht sich erneut von der Gruppe, um essen zu gehen. Nicht für sich, sondern für etwas, was in ihrem Körper heranwächst. Für Roland ist klar, dass es sich dabei nicht um ein Menschenkind handelt, sondern um den Nachwuchs des Steinkreisdämons. Susannah selbst weiß nichts davon, denn erneut hat sich eine weitere Persönlichkeit in ihrem Inneren gebildet: Mia, Niemands Tochter. Roland weiß nicht, was er tun soll, deswegen behält er diese Information erst einmal für sich. Am nächsten Morgen wird klar, dass es ein viel größeres Problem gibt. Eddies und Jakes Seelen sind ins Jahr 1977 gereist, an den Tag, als Letzterer zur Villa aufgebrochen ist, um dort in die andere Welt überzusetzen. Die beiden konnte beobachten, wie der Buchhändler Calwin Tower von Mafiaboss Enrico Balazars bedroht wird. Wie sich herausstellt, ist dieser im Besitz des unbebauten Grundstücks, auf dem die Rose wächst — das Gegenstück des Dunklen Turms. Tower soll die Liegenschaft an die Sombra Corporation verkaufen, weigert sich jedoch standhaft. Was auch passiert, für Roland und seine Gefährten ist klar, der Schutz der Rose hat oberste Priorität. Während sie Pläne ausarbeiten, erzählt der Revolvermann davon, dass sie seit mehreren Tagen verfolgt werden. Ein Mann traut sich, den direkten Kontakt zu suchen. Sein Name ist Donald Frank Callahan, und schon auf dem ersten Blick ist klar: Dieser Mann stammt nicht aus Mittwelt. Er kommt mit einem Anliegen zu ihnen. Die Ortschaft, in der er lebt, wird in wenigen Tagen von sogenannten „Wölfen“ heimgesucht. Diese stehlen Kinder, um etwas im weit entfernten Donnerschlag mit ihnen zu machen und sie geistig behindert zurückzuschicken. Er bittet daher um ihre Hilfe.

Wölfe, die Kinder stehlen

Originaltitel The Dark Tower: Wolves of the Calla
Jahr 2003
Land USA
Typ Roman
Band 5 / 8
Genre Western, Fantasy
Autor Stephen King
Verlag Heyne

Wolfsmond baut insgesamt drei Handlungsstränge auf, die geschickt in einander verwoben sind. So gilt es nicht erst ein Problem aus der Welt zu schaffen, sondern für alle möglichst gleichzeitig Lösungen zu finden. Die Uhr tickt unentbehrlich weiter und das sorgt dafür, dass jeder diesen Band nur schwer zu Seiten legen kann. Der Handlungsbogen rund um den Angriff auf die Calla Bryn Sturgis, so der Name der Ortschaft, von den Wölfen nimmt den Hauptteil des Bandes ein. Teilweise wirkt dieser Abschnitt nur nicht so, als würde er die Gefährten ihrem eigentlichen Ziel – dem Dunklen Turm – näherbringen. Jedoch bekommt der Leser nach und nach das Gefühl, dass hier doch einiges mehr dahinter steckt. Die große Frage ist nämlich, warum werden ausgerechnet Zwillingspaare gestohlen? Und warum kommen diese geistig behindert zurück, werden zu Riesen und sterben dann in jungen Jahren? Viele interessante Fragen, auf die es teilweise erst im letzten Drittel Antworten gibt, die wiederum neue Fragen aufwerfen.

Der Schutz der Rose

Der zweite Handlungsbogen dreht sich um die Rose, die der Leser in tot. kennengelernt hat. Sie muss um jeden Preis beschützt werden. Doch wie sollen das Roland und seine Freunde schaffen, wenn diese in einer anderen Welt zu Hause ist? Eine einfache Lösung bietet sich nicht und der Autor hat sich kreativ ausgetobt, um einen Weg zu ebnen. Einen Teil der Antwort finden die Gefährten dank Callahan, der übrigens ein Hauptcharakter aus Stephen Kings Roman Brennen muss Salem ist. Dieser ist im Besitz der Schwarzen Dreizehn, einer weiteren machtvollen Kugel von Maerlyn, die jedoch um einiges böser ist als die Rosa „Pampelmusen“ Glaskugel, die Roland als Teenager kennen gelernt hat. Sie ermöglicht es Roland und Co. eine Tür zu öffnen, die sie an jeden beliebigen Ort und Zeit bringt. Kritisch ist es nur, dass die Zeit in der Welt der Rose unaufhörlich voran schreitet und dabei schneller verläuft als in Mittwelt. Daher wird es Zeit, eine kleine Zeitreise zu unternehmen, um Calwin Tower vor den Schlägern — alles Figuren, die wir aus dem zweiten Band Drei kennen — von Enrico Balazars zu beschützen. Trotz dieser Lösung schwebt über allem eine große Gefahr, denn die Glaskugel ist das Auge des Scharlachroten König, der dadurch mehr sieht, als es allen lieb ist. Es bleibt daher nervenaufreibend, ob wirklich alles so glatt geht, wie es Roland und seine Gefährten erhoffen. Immerhin ist die Kugel nicht einfach so in die Hände von Callahan gekommen.

Eine Schwangerschaft und das Zerbrechen des Ka-Tets?

Es ist schon schwierig genug, dass Susannah von einem Dämon schwanger ist. Doch das größere Problem ist, dass dieses Geheimnis zwischen den Figuren steht. Das hat enorme Auswirkungen, bei denen nicht abzuschätzen ist, was alles passieren kann. Vor allem nicht, wenn es darum geht, einen Angriff von Wölfen abzuwehren, während gleichzeitig das Gefüge aller Welten in Gefahr schwebt. Dieser Abschnitt ist sehr emotional und packt den Leser, da es nicht so aussieht, als würde es eine einfache Lösung geben. Jedoch löst sich dieses Problem auf unerwartete Weise, die einem einen großen Stein vom Herzen nimmt. Jedoch löst sich dieses Problem auf unerwartete Weise, die einem einen großen Stein vom Herzen nimmt. Erfreulich ist, dass Roland und seine Gefährten Callahan, der ein sympathischer Mann ist, in ihren Kreis aufnehmen. Der Autor nimmt sich dafür auch viel Zeit und erklärt ausführlich, was nach den Ereignissen in Brennen muss Salem passiert ist, so dass diese Figur die Welten gewechselt hat. Dabei erlebt der Leser eine Achterbahnfahrt der Emotionen, denn Callahans Leben verlief nicht in einfachen Bahnen: Verflucht von einem Vampir und gejagt von den Niederen Männern, erlebte er Verlust, fast den eigenen Tod und den Mut, sein Leben aus den Fängen des Alkohols zu befreien. Stephen King baut auch andere Figuren ein, die dank charakterlich positiven Merkmalen Sympathien erwecken. Neben Tian, der in der Calla den Stein ins Rollen bringt, sich dieses Mal gegen die Wölfe zu erheben, existieren auch andere Farmer, Ranger und Familienmitglieder. Sie alle füllen diesen Band mit Leben und daher ist es umso packender, ob alle am Ende überleben werden. Mit Andy, dem Kurier-Roboter von North Central Positronics, ist hingegen eine Figur eingefügt, dem der Leser zu Recht nicht über den Weg traut.

Laserschwerter, Schnaatze und ein Roman von Stephen King

Wer bei den Ereignissen in der Calla ein Déjà-vu verspürt, der liegt goldrichtig, wenn er an Akira Kurosawas Film Die Sieben Samurai denkt. Stephen King gab im Nachwort an, dass ihn diese Geschichte zu seinen Roman Wolfsmond inspirierte. Auch andere Medien hatten ihren Einfluss, denn so sind die Wölfe in ihren grünen Mänteln mit Laserschwertern aus Star Wars und explodierenden Schnaatzen Model Harry Potter bewaffnet. Auch in den Büchern von Calwin Tower, die er zur Sicherheit in die anderen Welt verfrachtet, findet Roland den Roman Das Zeichen der Vier – eine Sherlock Holmes Geschichte, welche eine Wink auf seine Gefährten ist. Und was noch mehr Fragen aufwirft, ist ein Roman mit dem Namen Brennen muss Salem von einem gewissen Stephen King. Das ist kein Zufall, denn innerhalb von Wolfsmond wird den Helden klar, dass die Zufälle sich zu sehr häufen und mittlerweile alles 19 ist.

Fazit

Der fünfte Band des Dunklen Turm-Zyklus verbindet geschickt drei Handlungen mit ihrem jeweils eigenen Flair. Die Geschichte wird dadurch in diesem Band sehr vielschichtig und er hat mit all seinen Fragen einen schönen mysteriösen Anstrich. Neben den Handlungen vergisst Stephen King seine Figuren nicht und baut Probleme ein, an denen sie wachsen. Was für mich in diesem Band nur fehlt, ist ein Höhepunkt in der vorderen Hälfte. Gerade Band zwei Drei bot ganze drei Höhepunkte, womit Wolfsmond leider nicht mithält. Die Handlung braucht zu Anfang viel Zeit, um sich zu entfalten. So erzählt Callahan in längeren Rückblicken von seinem interessanten Leben und die Vorbereitungen in der Calla laufen auf Hochtouren, doch beides sind Handlungsabschnitte, die nicht durchweg spannend sind. Der erste packende Höhepunkt ist auf jeden Fall die Zeitreise. Es freut mich vor allem, dass es Eddie ist, der auf die Lösung kommt, um Enrico Balazar und die Sombra Corporationen auszustechen. Immerhin kennt er den Mafiaboss nur zu gut, denn in 13 Jahren wird er mit Hilfe von Roland diesen erschießen. Es ist sehr spaßig, wie er die Schläger von Balazar verwirrt, weil er ihnen Fakten an den Kopf wirft, die keiner wissen dürfte. Praktisch, ein Zeitreisender aus der Zukunft zu sein! Das Finale gegen die Wölfe ist sehr packend und dafür lohnt es sich, durch die langen Vorbereitungen zu lesen. Hier entfaltet sich ein wahrer Western-Showdown, den der Autor so bildlich beschreibt, dass ich den Staub und den Geruch förmlich riechen kann. Gemein ist nur, dass Stephen King uns hier wieder mit einem fiesen Cliffhanger zurücklässt. Daher heißt es wieder viel zu früh: Lange Tage und angenehme Nächte.

© Heyne

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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