Yatagarasu: The Raven Does Not Choose Its Master
In der japanischen Mythologie gibt es eine Vielzahl an Göttern. Darunter der dreibeinige Rabe Yatagarasu, der als glückbringender Wegweiser durch die Lüfte fliegt. Genau diese Sagengestalt nahm sich die Autorin Chisato Abe als Vorbild für ihre preisgekrönte gleichnamige Light Novel-Reihe, die es mittlerweile auf zwölf Bände bringt und im Jahr 2024 nun auch das Licht der Welt innerhalb einer Anime-Serie erblickte. Umgesetzt von Studio Pierrot (Bleach), entführt die Geschichte in ein historisches Japan, das jedoch nicht von Menschen bewohnt wird! Sich verwandelnde Raben bevölkern die Städte und Dörfer. Diese stehen aber vor ähnlichen Problemen wie wir. Für den zukünftigen Herrscher ist es gerade Zeit, sein Amt anzutreten, mehreren Attentaten nicht zum Opfer zu fallen und nebenbei noch eine Braut auszuwählen. Am 21. September 2024 lief die letzte Folge von Yatagarasu: The Raven Does Not Choose Its Master auf dem Streaming-Anbieter Crunchyroll. Zeit also für uns, herauszubekommen, ob der Prinz Federn lassen muss.
Alle paar Jahre wird der wahre machtvolle Kin’u (goldener Rabe) geboren. Diesmal ist es allerdings der zweite Sohn des Königs, der damit seinen älteren Bruder aussticht und bald zum Herrscher aufsteigt. Die ohnehin schon angespannte Situation am Hof steht kurz vor dem Zerreißen, denn die vier Herrscherhäuser sehen in dem Zerwürfnis durch den Bruderkonflikt ihre Chance auf mehr Macht. Mehrere Jahre ziehen so ins Land. Im Norden spielt der junge Adlige Yukiya einen Streich, der zwar für Gerechtigkeit sorgt, aber im Gegenzug zu einem politischen Aufruhr führt. Als Strafe muss Yukiya an den Königshof und seinen Dienst unter dem Kronprinzen antreten. Dieser soll besonders streng sein und viele Leute schnell wieder entlassen. Wenn Yukiya es aber nicht schafft, ein Jahr durchzuhalten, darf er nicht in den Norden zurück. Neben ihm ziehen noch vier junge Prinzessinnen ein. Eine von ihnen soll der Kronprinz zur Frau wählen.
Der Rabe im Korb
Originaltitel | Karasu wa Aruji wo Erabanai |
Jahr | 2024 |
Episoden | 20 |
Genre | Fantasy, Historie, Drama |
Regie | Yoshiaki Kyougoku |
Studio | Pierrot |
Veröffentlichung: 21. September 2024 auf Crunchyroll |
Unter der Regie von Yoshiaki Kyougoku (Laid-back Camp) erwachen die ersten drei Light Novel-Bände Yatagarasu: The Raven Does Not Choose Its Master in animierter Form zum Leben. Dabei nehmen vor allem recht viele Figuren gleich zu Beginn Hauptrollen ein, wozu nicht so sehr der Kronprinz gehört. Dieser bleibt erst einmal eine sehr mysteriöse Person. Zusammen mit Yukiya lernen wir diesen kennen und erleben das eine oder andere Abenteuer. Dass es dabei spannend zur Sache geht, liegt daran, dass die Beweggründe des baldigen Herrschers oft im Dunklen liegen und erst nach und nach Sinn oder gar ein größeres Gesamtbild ergeben. Sympathien sammelt die Figur trotz ihres Verhaltens sehr schnell ein. Immerhin ist der Wakamiya alias Kronprinz Nazuhiko ein Mann der Gerechtigkeit und sogar hin und wieder zu einem Scherz aufgelegt. Etwas, was ihn in seiner schweren Lage nicht leicht fällt. Sein Tod kommt vielen gelegen!
Auch der Balztanz eines schwarz gefiederten Vogels ist nicht ohne
Selbst Yukiya muss sich entscheiden, auf welche Seite er sich schlägt. Dabei ist der junge Rabe alles andere als auf den Kopf gefallen, denn er versteht zwar zu Beginn kaum, welche Spannung zwischen den Häusern herrscht, jedoch lernt er schnell und zeigt, dass er ein zäher Bursche ist. Vor allem seine freche Art findet schnell Gefallen. Was hingegen die vier Auserwählten angeht, so lockt uns die Geschichte in einige Fallen. Die Damen sind nämlich alles andere als durchschaubar und die eine oder andere spielt ihr eigenes blutiges Spiel. Dabei könnten die Auserwählten verschiedener nicht sein. Ob die stolze Masuho no Susuki, die freundliche Asebi, die kühle Shiratama oder die schlagkräftige Hamayu – da findet sich schnell eine Herzensdame für alle Zuschauenden. Bloß für wen wird sich Nazuhiko entscheiden? Eine spannende Frage, die sich mit Voranschreiten der Geschichte nicht einfacher, sondern komplizierter gestaltet.
Kurswechsel nach einem Finale
Bis sich der Prinz dann endlich entscheidet, zieht uns der höfische Machtkampf mehrfach förmlich aufs Glatteis und wir brechen ein. Yatagarasu: The Raven Does Not Choose Its Master vermag es nämlich, perfekt mit den Klischees zu spielen. Überall falsche Fährten. Lügen. Vertuschungen und Brotkrumen, die lange Zeit keinen Sinn ergeben. Keine Sorge, irgendwann kommt alles ans Licht. Egal wie schockierend die Wahrheit dann sein wird. Dabei präsentiert sich die große Enthüllung als perfekte Inszenierung mittels atmosphärischer Elemente. Ein Gänsehautmoment ist vorprogrammiert. Bis zum Ende der 20. Folge muss zum Glück auch niemand warten, denn bereits in der Mitte der Serie fällt eine Entscheidung. Die restlichen Episoden umfassen dann den Handlungsbogen des dritten Bandes, der interessanterweise eine ganz andere Richtung einschlägt, was zu einer gelungenen Abwechslung führt. Eine regelrechte Horrorstimmung kommt auf.
Das gefiederte Königreich
Fast schon malerisch präsentiert sich uns das Königreich Yamauchi. Was dabei schnell auffällt, ist dass sich verschiedene zeitliche Epochen mischen, denn während am Königshof noch die Heian-Zeit herrscht (gut zu erkennen an den prächtigen Kleidern der Damen), lebt das einfache Volk schon in der Edo-Periode. Ein interessantes Bild ergibt sich daher. Nichtsdestoweniger sind es die dreibeinigen Rabengestalten, die besonders ins Auge fallen, wenn diese plötzlich im Bild sind: größer als ein Mensch, dienen einige zum Beispiel als Reittiere. Warum Raben dann auf Raben reiten, erklärt die Geschichte. Das und noch viel mehr, wodurch sich ein stimmiges, wohldurchdachtes Konzept ergibt. Die späteren Folgen überraschen mit einigen weiteren verblüffenden Fakten zu dieser Welt. Doch einige lose Fäden bleiben am Ende übrig, weswegen der starke Wunsch nach einer weiteren Staffel bleibt.
Diesen Königshof einmal als Tourist besuchen können!
Dank beeindruckenden Tempelanlagen sowie dem Königshof, der sich an einem Berghang entlang windet, können sich die Augen an dieser Anime-Serie kaum sattsehen. So viele kleine Details locken. Dabei sind es nicht nur die ganzen Blumen, es sind auch die verschiedenen Farbspiele, die sich zum Beispiel in den Gemächern der Prinzessinnen widerspiegeln und für eine jeweilige Jahreszeit stehen. Studio Pierrot liefert einfach eine hervorragende Arbeit ab. Nicht nur wegen den beeindruckenden Hintergründe, sondern auch weil der Rest der Produktion auf einem hohen Niveau spielt. Dabei hatte es Charakter-Designer Takushige Norita (Break Blade) wahrlich nicht einfach. Sein Design musste sich irgendwo zwischen den sehr filigranen Zeichnungen der Light Novel-Bände und der Manga-Umsetzung einpegeln. Dabei ist es ihm gut gelungen, eines zu entwerfen, das durch eigene Akzente punktet.
Mehr als nur Rabengekrächze!
Daran, dass aus den Stallungen Gekrächze zu hören ist, muss man sich wirklich etwas gewöhnen. An den Soundtrack von Eishi Segawa (Ushio & Tora) zum Glück nicht. Dieser schmeichelt sich perfekt um die Szenen, sodass sich ein schönes Erlebnis für Augen und Ohren ergibt. Zu gleichen Teilen ist dies auch den japanischen Sprechenden zu verdanken. Gerade die weiche Stimme von Miyu Irino (Suga in Haikyu!!) passt perfekt zum unscheinbar aussehenden Thronanwärter, der ja doch das eine oder andere Wässerchen trüben kann. Mit Mutsumi Tamura (Alice in Die Braut des Magiers) fand sich vor allem eine leicht frech klingende, noch nicht zu tiefe Stimme für den Jungen Yukiya. Bei den Damen stimmt ebenfalls alles bis in die letzte Nuance. Saucy Dogs Opening-Song „poi“ begleitet uns die komplette Serie über. Zum Glück gehört er zu den gefälligen Liedern. Genauso wie das sanfte “Tokoshie“ von Akiko Shikata, das als Abschluss der Folgen dient.
Fazit
Von Anfang an macht Yatagarasu: The Raven Does Not Choose Its Master alles richtig. Die Geschichte nimmt sich Zeit, auf die verschiedenen vielschichtigen Figuren und ihre Ziele einzugehen, weswegen sich ein packendes Konstrukt aus Intrigen aufbaut, das ähnlich wie ein Spinnennetz gefangen hält. Dabei sind immer wieder passend Action-Parts eingebaut. Diese jagen die Spannungskurve ordentlich hoch und alleine die Wahl des Prinzen gestaltet sich als ein Schauspiel der Extraklasse. Infolge dass der Titel auf den anime-typischen Humor verzichtet, entsteht eine dichtere erzählerische Atmosphäre. Außerdem breitet sich eine immer facettenreichere Welt aus. Neben der hervorragenden stimmlichen Arbeit der Sprechenden bleibt einem fast schon die Spucke weg bei den wunderschönen, beeindruckenden Hintergründen. Und auch sonst muss sich die Produktion von Studio Pierrot nicht verstecken. Viele schöne Farbspiele, flüssige Animationen sowie ein passender Soundtrack runden alles ab. Bleibt am Ende nur ein Kritikpunkt übrig: Warum endet die Geschichte bitte nach 20 Folgen? Mehr davon!
© Crunchyroll