ID: INVADED

Um Mörder zu überführen, tauchen Ermittler tief in die wirren Gedanken der Täter ein. Oft ist das keine leichte Aufgabe, denn der menschliche Geist kennt bekanntlich keine Grenzen, wie der fiktive Sherlock Holmes so schön zusammenfasste. Was, wenn es jedoch eine Möglichkeit gäbe, Mordgedanken auflesen und diese dann in einer Projektion darzustellen zu können? Re:Creators-Schöpfer Ei Aoki nimmt sich dieser Idee in seiner Anime-Serie ID:INVADED an und schickt uns in die psychodelischen Abgründe einiger Individuen. Seit dem 1. Juli 2021 liegt das erste Volume dank Peppermint Anime vor. Durch den Streaming-Dienst Wakanim konnten wir die Serie schon komplett beenden, weswegen wir von unseren Erlebnissen in dem sogenannten „Brunnen“ und der Jagd des Detektivs Sakaido nach einem ganz bestimmten Serienmörder berichten.

   

Gedankenpartikel können mit dem Wakumusubi-Apparat am Tatort aufgelesen werden  und die spezielle Technologie des Mizuhanome-Systems stellt diese dann grafisch dar. Der sogenannte „Brunnen“ spiegelt dabei die Mordabsichten des Täters wieder, weswegen auch nur Mörder ihn betreten können. Einer von ihnen ist der Detektiv Sakaido, der an diesen gefährlichen Orten immer wieder auf die Leiche der jungen Kaeru stößt. Während er ermittelt, verfolgt ein Team von Spezialisten sein Tun  über Bildschirme und jagt nach Informationen, um die Täter zu überführen. Hinter all den aktuellen Verbrechen steckt ein größerer Fisch. Diesen zu fangen verschrieb sich Akihito Narihisago – der reale Mensch hinter dem Detektiv.

Verbrecherjagd in den Abgründen der Seele

Originaltitel ID: Invaded
Jahr 2020
Episoden 13 in 1 Staffel
Genre Mystery, Psychologie, Science-Fiction
Regie Ei Aoki
Studio NAZ
Veröffentlichung: 1. Juli 2021

Mit einem spektakulären ersten Eintauchen in die Welt eines menschlichen Abgrundes eröffnet ID:INVADED die Suche nach verschiedenen Serienmördern. Was erst einmal sehr episodenhaft klingt, entpuppt sich schnell als ein komplex zusammenhängendes Geflecht. Denn hinter alldem steckt ein größerer Mastermind: John Walker. Eine zylindertragende, nicht klar zu erkennende Gestalt in dem dargestellten Unterbewusstsein der eingefangen Mordgedanken, von der es in der realen Welt jedoch keine Hinweise gibt. Doch Sakaido alias Akihito gibt alles, um diesen Menschen zu fangen. Dabei durchstreift er abwechslungsreiche, gruselige bis abstoßende Welten, die er sogar nicht immer lebend übersteht. Da dies zum Glück keine Auswirkungen auf seinen realen Körper und Seele haben, kann es unter anderen auch einmal vorkommen, dass er ein paar Mal pro Folge die Radieschen von unten sieht.

Emotionale Fahndung eines Detektivs

Trotzdem gehen diese Tode nicht spurlos an uns vorbei, denn Akihitos besessene Suche hat einen triftigen Grund. Einer, der emotional so sehr abholt, dass kein Auge trocken bleibt. Allgemein entpuppt sich der Detektiv als vielschichtige Figur, da er kein strahlender Ritter auf weißem Pferd ist, sondern ein mit Makeln versehene, lebensnahe Person. Daher fällt es auch leicht, eine tiefere emotionale Bindung zu ihm aufzubauen. Wobei nicht nur er im Rampenlicht steht: Die Feldanalystin Koharu Hondoumachi entpuppt sich nach und nach als Überraschungsei. Tritt sie zu Beginn als Neuling im Team auf, zeigt sie einen starken Willen, der nicht zu ihrem kindlichen Äußeren passt. Gewisse Parallelen zu Akane Tsunemori aus Psycho-Pass lassen sich dabei nicht von der Hand weißen, jedoch überzeugt Hondoumachi durch ganz ungewöhnliche, drastische Entscheidungen.

Das Mizuhanome-System

ID:INVADED ist keine Serie für zwischendurch. Das komplexe System der Mörderjagd, der futuristischen Ermittlungsarbeit und den vielen verschiedenen Brotkrumen zu folgen, bedeuten von Anfang an mit dem Kopf bei der Sache zu bleiben. Vor allem, weil es doch auch einiges an Personal gibt und viele Figuren Beziehungen untereinander haben. Trotz alledem fühlt sich die Serie nie zäh an, denn immer wieder lockern spannende Actionszenen die Handlung auf, welche herrlich abwechslungsreich sind, was bei den verschiedenen Brunnendarstellungen nicht verwundert. Das Mizuhanome-System bleibt dabei auch kein rein unerklärliches System. Die Funktionsweise dahinter wird auch noch ein zentrales Thema, wodurch das Ganze noch mehr Substanz bekommt, jedoch nicht ganz einfach zu verstehen ist. Den Titel ein zweites Mal zu konsumieren, bietet sich hierbei sehr an.

Loch im Kopf und Bermuda-Shorts

Pinke Strubbelfrisur, langer gelber Schal und eine Bermuda-Hose – das Design von Sakaido sieht recht markant aus. Dass sich bei ihm und den anderen Figuren ein Déjà-vu Gefühl einstellt, liegt daran, dass Blood Lad-Schöpfer Yuuki Kodama das Charakter-Design entwarf. Was ihm dabei hervorragend gelang, ist dass es einen gelungenen Unterschied zwischen den Figuren inner- und außerhalb der Seelenwelten gibt, was die Neugier weckt, wenn später andere Sakaido folgen. Ansonsten liefert Studio NAZ (Infinite Dendrogram) eine sehenswerte Arbeit ab. Zwar bemerkt das Auge die CGI-Elemente, doch da diese oft in den Welten des Unterbewusstseins auftauchen, fügen sie sich fast in den surrealen Unterton mit ein. Ebenso stimmungsvoll passt sich der Soundtrack dem Gesamtkonzept an, da dieser sich aus dem klangvollen Orchester-Soundtrack von Slavek Kowalewski (AKB0048) und Stücken des Künstlers Miyavi zusammensetzt. Von Letzterem stammt auch das Ohrwurm-Ending “Other Side”, das Gegenstück zum Opening von Sou, „Mister Fixer“.

Pechschwarze Stimme

Mit seiner tiefen Stimme verleiht Kenjirou Tsuda (Tatsu in Yakuza goes Hausmann) Sakaido eine wirklich eindringliche schwarze Stimmfarbe, womit Dominic Auer (Inuyasha in Inu Yasha) im Deutschen nicht ganz mithalten kann. Er liefert eine gute Arbeit ab, doch fehlt das gewisse Etwas. In der weiteren Vertonung hören wir Maresa Sedlmeir (Megumi Jinno in Eromanga Sensei – japanisches Gegenstück Mao Ichimichi (Iris in Fire Force)) – als Hondoumachi und Vincent Fallow (Gedächtniszelle in Cells at Work!, bzw. Yoshimasa Hosoya (Fumikage Tokoyami in My Hero Academia) als Funetarou Momoki. Besonders Leonard Hohm (Minato in Deca-Dence) als Psychopath Tamotsu „Anaido“ Fukuda (jap. Ryouta Takeuchi, Wakatoshi Ushijima in Haikyu!!) sorgt dank seiner ruhigen Sprechweise fast schon für Gänsehautmomente. Kleinere Nebenrollen sind ebenso wohlklingend besetzt, sodass sich die deutsche Sprachfassung hören lassen kann.

Fazit

Die komplexe Anime-Serie entführt in eine futuristische Art der Verbrecherjagd und nimmt uns mit in faszinierende Welten des menschlichen Unterbewusstseins. Dass da nicht immer alles logisch ist und einiges bis zum Ende hin verwirrend bleibt (herrliches Inception-Feeling ist vorprogrammiert!), bietet einen ganz eigenen Charme, der einen dazu bewegt, am Ball zu bleiben. Und natürlich die vielschichtige Figur des Sakaidos/Akihito, deren emotionale Suche einen mitreist. Von Anfang an tickt die Uhr, denn Menschenleben stehen auf dem Spiel. Deshalb bleibt die Spannung selbst dann erhalten, wenn klar wird, dass der Held in den Brunnenwelten so oft sterben kann, wie er will. Visuell macht der Titel ebenfalls einiges her, da gerade das Charakter Design einige markante Figuren aufweist und die Animationen auf einem hohen Niveau bleiben. Die Lieder des Künstlers Miyavi reißen ebenfalls mit. Insgesamt bieten ID:Invaded in seinen 13 Folgen beste Unterhaltung für Freunde kniffliger Handlungen.

© Peppermint Anime


Veröffentlichung: 1. Juli 2021

 

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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