Haibane Renmei

Eine kleine Welt, umringt von einer riesigen Mauer. Darin leben die Menschen ihr Leben und wundern sich, was sich hinter der Mauer befindet. Nein, es geht hier nicht um Attack on Titan, sondern um Haibane Renmei, einen Klassiker, welcher am 8. Dezember 2017 von Nipponart auf DVD wiederveröffentlicht wurde. Erstmals fand die Serie, welche wir freundlicherweise von NipponArt zur Verfügung gestellt bekamen, so auch auf Blu-ray ihren Weg in die Verkaufsregale. Innerhalb besagter Mauern leben die Haibane, engelsgleiche Wesen, doch ihr Alltag ist alles andere als himmlisch. Feste Regeln und harte Arbeit bestimmen diesen, doch weder Lohn noch Luxus sei ihnen gegönnt. Eine Serie, welche auch zum Nachdenken anregt.

    

Aus einem Kokon gebrochen, erwacht Rakka in einer fremden Welt. Sie besitzt keine Erinnerung an ihr früheres Leben und ihr bleibt nicht mehr als ein Traum, welchen sie in diesem Kokon hatte. Geboren als eine Haibane, wachsen ihr Flügel und auch einen Heiligenschein bekommt sie aufgesetzt, welcher sich dort nach einer Weile festzusetzen scheint. Doch trotz des engelsgleichen Erscheinens, lebt sie gemeinsam mit anderen Haibane in einer ummauerten Welt, in welcher sie nach strikten Regeln leben zu haben. So dürfen sie sich der gewaltigen Mauer nicht nähern, gehen einer Arbeit nach, für welche sie jedoch nicht mit Geld bezahlt werden, und selbst der Erwerb neuer Sachen bleibt ihnen verwehrt. Reki, welche Rakkas Kokon gefunden hat, übernimmt in dieser neuen Welt eine Mutterrolle für sie. Und auch wenn es durchaus Haibane gibt, welche vom Aussehen her jünger zu sein scheinen, so gehen diese alle ihren eigenen Jobs nach, die Rakka nach und nach ausprobiert, um sich letztlich selbst für einen zu entscheiden.

Mag es anfangs noch so wirken, als würden wir den Haibane nur dabei folgen, wie sie ihren für sich geregelten Alltag meistern, so kommen nach und nach dramatische Elemente hinzu, welche zu einem größeren Konflikt führen, denn wie Haibane Renmei zeigt, haben auch Engel ihre Probleme. Kuu, eine jüngere Haibane, die jedoch vor Rakka geboren wurde, scheint ihre Erfüllung gefunden zu haben und verlässt die Mauer in einem grellen Lichtstrahl. Rakka bekommt dies als einzige mit und gibt den anderen Haibane Bescheid. Nach einer Suchaktion finden sie jedoch nur noch Kuus Heiligenschein, der mittlerweile seinen Glanz verloren hat. Dies lässt Rakka in tiefe Depressionen fallen, die sie zu unbedachten Handlungen verleiten.  Während Rakka versucht, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden, muss sie immer wieder Rückschläge hinnehmen und neue Hindernisse überwinden. Dabei stellt sie fest, dass sie nicht die Einzige ist, welche mit dem Dasein als Haibane so ihre Probleme hat.

Der Sinn des (Haibane-)Lebens

Originaltitel Haibane Renmei
Jahr 2002
Episoden 13 (1 Staffel)
Genre Slice of Life, Drama, Psychological
Regisseur Tomokazu Tokoro
Studio Radix

Die Beziehung zwischen Reki und Rakka ist das wichtigste Standbein der Handlung. Nicht nur, dass Reki die erste war, die Rakkas Kokon gefunden hat und sich sehr mütterlich um sie kümmert. Wie sich nach und nach hinausstellt, verfolgt sie in ihrer Mutterrolle auch ihre eigenen Ziele. Thematiken wie Depression, Sünde und Erlösung werden dabei ausführlich behandelt, jedoch nie so weit, dass man das Gefühl hat, belehrt zu werden. Stattdessen bleiben am Ende von Haibane Renmei mehr Fragen offen, als beantwortet werden. Der große Interpretationsraum, der gelassen wird, überlässt es jedem selbst, wie er die Haibane und die Handlung einschätzt. Eine der gängigsten Spekulationen ist zum Beispiel, dass es sich bei den Haibane um Menschen handelt, die in einem früheren Leben Selbstmord begangen haben. Der Traum, nach dem sie schließlich benannt werden, spiegelt dabei die Art und Weise wider, wie sie sich ihr Leben genommen haben sollen. In der ummauerten Stadt bekommen sie eine Chance mit sich einig zu werden, was dann etwa zu Kuus verlassen der Mauern, also ihrer Erlösung, führt. Doch gibt es auch viele Kleinkinder in dieser Welt, was wieder Erklärungsbedarf fordert. Aber dies ist eben nur ein Versuch das Geschehen der Serie zu erläutern.  Doch dies soll keineswegs eine Kritik sein, ganz im Gegenteil! Die Geschichte lädt zum Diskutieren ein, die offenen Handlungsstränge lassen einem nichts anderes übrig, als darüber nachzudenken. Trotzdem präsentiert Haibane Renmei eine Geschichte mit einem Anfang und einem Ende, außerdem tiefgründigen Charakteren und Motiven.

Dich kenn ich doch!

Wer sich den Artstyle einmal genauer anschaut, dem fallen sicherlich Ähnlichkeiten zu einem der vorherigen Nipponart Wiederveröffentlichungen auf. Wie Serial Experiments Lain stammt das visuelle Ursprungsmaterial von Yoshitoshi ABe (Texhnolyze). Das Charakterdesign wirkt vergleichsweise bodenständig und realistisch. Die erdige Farbpalette gibt einen warmen Eindruck, welcher einen schönen Kontrast zur Handlung gibt. Ein cleverer Schachzug auch, die finalen Episoden im verschneiten Winter spielen zu lassen, was die Farbpalette eher auf blaue Farben und kalte Töne reduziert. Die Musik von Kow Otani (Another) strahlt in der Instrumentenwahl und den Kompositionen eine gewisse Ruhe aus. Selbst die packenderen Stücke haben eine unterschwellige Ruhe inne, die sie leicht unangenehm machen, was viel zur starken Präsentation der Serie beiträgt. Die japanische Synchronisation ist passend besetzt. Rakka klingt unschuldig und kindisch, während Reki sehr mütterlich und warm klingt. Doch auch die deutsche Synchronisation ist durchaus hörenswert. So wird in dieser direkt klar, dass es sich bei Kana, einer weiteren Haibane, um ein Mädchen handelt. Rakka wirkt jedoch vom Klang her etwas zu alt, vor allem im Kontrast zu Reki, was dem Gesamtbild aber glücklicherweise nicht schadet.

Ein Schritt nach vorne und zwei zurück

Die jeweiligen Perspektiven auf das Geschehen sind feinfühlig gewählt, die Musik untermalt das Geschehen stets perfekt und die Synchronisation meistert ihren Job. Doch das alles fällt zusammen, wenn man die Serie von der technischen Seite betrachtet. Haibane Renmei wurde 2002 im japanischen TV ausgestrahlt und man möchte fast vermuten, dass die Serie bereits zu dem Zeitpunkt leicht veraltet gewirkt haben muss. Wir haben uns die Blu-ray-Fassung angeschaut und auch, wenn das Bild durchaus von der höheren Auflösung profitiert und die Farben ihren Dienst tun, so wirkt die Präsentation doch oft instabil und verwaschen. Konstant hat man das Gefühl, einen milchigen Filter vor den Augen zu haben, was sicherlich beabsichtigt war, jedoch macht sich das auf großen, modernen Fernsehern nicht allzu gut. Ein leichtes Bildrauschen, welches besonders in den ersten Folgen auffällt, unterstützt den instabilen Eindruck nur, denn einige Folgen, etwa zur Hälfte der Serie, sind schlicht und ergreifend unscharf. Zum Vergleich auch nochmals das DVD-Release von SPVision von 2006 angeschaut und auch dort sind dieselben Folgen sehr unscharf. Haibane Renmei profitiert insgesamt schon von der Wiederveröffentlichung, Fans, welche die Serie bereits auf DVD besitzen, sollten allerdings keinen allzu großen technischen Sprung erwarten. Trotz des Alters der Serie wurde sie bereits 2002 im 16:9 Format produziert.

Als bekannt wurde, dass Haibane Renmei nochmals auf Blu-ray veröffentlicht wird, wusste ich, dass ich die Box einfach im Regal stehen haben musste. Auch, wenn mich das Bild letztlich etwas enttäuscht hat, hat mir der Vergleich zur alten DVD-Fassung gezeigt: Das ist die beste Version von Haibane Renmei, die man besitzen kann und ich möchte sie nicht mehr missen. Denn die Serie hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Nicht nur war es eine der ersten Serien, die ich bewusst als Anime geschaut habe, sondern sie bewegt mich auch bis zum heutigen Tage auf einer emotionalen Ebene wie keine andere Serie. Rekis inneren Konflikt zu sehen und dass sie am Ende doch ihre Erlösung findet, hat mich auch beim x-ten Mal schauen wieder zutiefst bewegt.  Haibane Renmei merkt man optisch sicherlich sein Alter an, doch inhaltlich und von den Thematiken her ist die Serie einfach zeitlos und auch Neulingen in Sachen Anime durchaus eine Empfehlung wert.

Makoto

Irgendwie schlägt sich Makoto durchs Leben, arbeitet aber nie in dem Beruf, den er gelernt hat. Doch findet er daneben immer die Zeit für seine große Leidenschaft: Videospiele. Gute Figuren und spannende Geschichten schätzt er sehr, aber oft reicht es ihm schon aus wenn es was zu lachen gibt oder es ordentlich kracht. Für Filme, Manga und Anime räumt er sich gelegentlich auch Zeit ein. Selbsterklärter Slice-of-Life Spezialist.

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