Star Wars: Andor (Staffel 2)

In einer Galaxis, die nur allzu oft von Jedi, billigen Cameos und Lichtschwertern dominiert wird, wirkt die zweite Staffel von Andor fast wie ein revolutionärer Akt. Showrunner Tony Gilroy nimmt sich die übergroße Star Wars-IP und macht daraus ein präzise konstruiertes politisches Drama. Kein Bombast, keine Prophezeiung, kein Auserwählter – stattdessen Bürokratie, Verrat, Überwachung … und letzten Endes Hoffnung. Am 14. Mai 2025 ging die zweite Staffel zu Ende – und mit ihr eine der klügsten Erzählungen, die das Star Wars-Universum zu bieten hat.

Nach den Ereignissen der ersten Staffel versteckt sich Cassian Andor auf dem abgelegenen Agrarplaneten Mina-Rau. Gemeinsam mit Bix, Brasso, B2 und Wilmon versucht er, im Alltag einer kommunalen Gemeinschaft unterzutauchen. Während Cassian sich an körperliche Arbeit und Routine klammert, kämpft Bix mit den psychischen Spätfolgen ihrer Folter durch das Imperium. Mon Mothma versucht unterdessen ihre Fassade und ihr Gewissen intakt zu halten, während Luthen im Schatten zwischen Spionage, Erpressung und Opferkalkulation manövriert. Das Massaker auf dem Planeten Ghorman schließlich markiert den Wendepunkt: für die Rebellion und für Mon Mothma persönlich.

Das bittere Los der Radikalen

Originaltitel Star Wars: Andor
Jahr 2025
Land USA
Episoden 12 in Staffel 2
Genre Science-Fiction, Drama, Thriller
Cast Cassian Andor: Diego Luna
Syril Carn: Kyle Soller
Bix Caleen: Adria Arjona
Luthen Rael: Stellan Skarsgård
Mon Mothma: Genevieve O’Reilly
Dedra Meero: Denise Gough
Orson Krennic: Ben Mendelsohn
Major Partagaz: Anton Lesser
Vel Sartha: Faye Marsay
Bail Organa: Benjamin Bratt
Auf Disney+ verfügbar

Während das Star Wars-Franchise an anderer Stelle mit Nostalgie um sich wirft und eine (natürlich auch im Handel erhältliche) Memberberry nach der anderen verbrät, geht Andor dorthin, wo es kein cutes Merchandise gibt. Andor Staffel 2 ist ein groß angelegtes Kammerstück des Widerstands, das über keinen staffelübergreifenden Spannungsbogen, sondern über vier in sich abgeschlossene Arcs verfügt, zwischen denen jeweils ein Jahr liegt. Der Plot ist also ein fein zusammengesetztes Mosaik, das zeigt, wie verstreute Trümmertruppen versuchen, zu einer geeinten Rebellion zusammenzuwachsen. Dabei zeigt sich, dass nicht jede Splitterzelle demselben Kodex folgt. Doch gerade die radikalen, unbequemen Akteure sind oft unabdingbar für den Prozess. Figuren wie Luthen (Stellan Skarsgård, ChernobylDune) operieren im Schatten in dem bitteren Wissen, dass sie selbst den Sonnenaufgang, auf den sie hinarbeiten, nie erleben werden. Denn sie sind Teil der alten Welt, die sie zerstören müssen.

Das Ghorman-Kapitel

Auch die zweite Staffel von Andor verweigert sich standhaft dem mittlerweile typischen Rückfall zum »Best-I-can-do-is-Tatooine«-Syndrom. Stattdessen führt uns die Serie zu einer Vielzahl neuer und bekannter Orte: Mina-Rau (ein Agrarplanet mit weiten Feldern), Chandrila (die Heimat von Mon Mothma und gleichzeitig ein goldener Käfig), Coruscant (dieses Mal als Polit-Moloch), Naboo (hier killt Luthen Jar-Jar Binks … hoffen wir zumindest) und Ghorman. Das »Ghorman-Massaker«, das seinen Ursprung im alten Expanded Universe der 1990er Jahre hat, wird nun zum Kanon. Tony Gilroy inszeniert diesen einschneidenden Moment nicht mit Bombast-Mucke und duften Choreos, sondern mit einer brutalen, fast schon dokumentarischen Ästhetik, die das Publikum unmittelbar ins Massaker hineinzieht. Eine für Star Wars sehr ungewohnte Art, das Publikum zu packen. Wenn dann auch noch ein Trupp KX-Sicherheitsdroiden auftaucht, wirken diese nicht wie coole Baddys – also doch, auch – aber eben vor allem wie eine echte Bedrohung.

Da ziehen sich die Arschbacken zusammen: Büromeetings!

Der Ghorman-Vorfall ist ein zentrales Element von Tony Gilroys Masterplan, das Imperium endlich mal als den angsteinflößenden Fascho-Apparat darzustellen, der es ist. Kein überzeichneter Bösewicht, der sich blöd anstellt, sondern ein realistisch anmutendes Bürokratiemonster, das durch seine Strukturen und Hierarchien sowohl Effizienz als auch Schwächen aufweist. Damit einher geht auch die Spannung, die in den Szenen innerhalb des Imperialen Sicherheitsbüros (ISB) erzeugt wird. Obwohl es sich dabei lediglich um Sitzungen von Sesselfurzern in Anzügen handelt, klebt man dennoch wie gebannt mit der Nase an der Mattscheibe. Intrigen, Machtspiele, Verrat und exzellente Schauspieler:innen sind hier die Geheimzutat. Früher waren wir eher so: »Wow, hoffentlich coole Lichtschwertkämpfe!« Heute sind wir eher so: »Ja verdammt! Ein weiteres imperialistisches Büromeeting!« Vielleicht sind wir aber auch einfach nur alt geworden.

Der neue MVP von Star Wars: Mon Mothma

Kommen wir zum Augenstern von Andor: Mon Mothma. Damals, in der Original-Trilogie, war Mon Mothma im Grunde nur so etwas wie das weiße Möbelstück der Rebellion: steht da, macht ein bisschen Pepp Talk und verschwindet wieder. Wer war sie? Keine Ahnung. Wichtig? Naja. War nett, dass sie da war, aber niemand hätte geweint, wenn sie’s nicht gewesen wäre. Und nun kommt Andor daher, legt den Schalter um und bäm: Mon Mothma ist auf einmal kein Stehrümchen mehr, sondern der MVP der ganzen Serie. Mothmas Bekenntnis zur Rebellion wird in Andor nicht wie irgendein heroischer Befreiungsschlag inszeniert, sondern als wirklich schmerzhafter Verlustakt, herausragend porträtiert von der wundervollen Genevieve O’Reilly. Tja, und dann tanzt Mon Mothma auch noch zu Discomusik und liefert damit einen der emotionalsten und kathartischsten Momente der gesamten Sternensaga ab. Hätte uns das jemand 1983 erzählt, wir hätten alle gelacht.

Fazit

Andor Staffel 2 ist eine seltene Mutation im Star Wars-Kosmos. Eine Studie über politische Radikalisierung, moralische Dilemmata und die Frage, wann Widerstand notwendig wird. Tony Gilroy erzählt diese Studie mit ruhiger Hand, dokumentarische Präzision und mit genau der richtigen Wucht an den richtigen Stellen. Manchen ist Andor möglicherweise zu langsam, zu verkopft, zu wenig Star Wars. Aber ich empfinde gerade das als Andors größte Stärke: dass die Serie halt nicht in durchgenudelte Muster verfällt. Dass sie nicht bloß entertaint, sondern auch nachwirkt. Slowburner eben. Und dass sie uns ausgearbeitete Figuren zeigt, denen man nachtrauert – egal von welcher Fraktion. Hey, und immerhin taucht K2 auf, das ist für mich Star Wars genug. Ich liebe coole Droiden.

© Disney

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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