Loki (Staffel 2)
Die zweite Staffel von Loki ist in vielerlei Hinsicht keine Selbstverständlichkeit. Auf der einen Seite tummeln sich im Marvel Cinematic Universe vor allem zahlreiche Miniserien, welche mit nur einer Staffel abgeschlossen sind. Zum anderen ist Loki eine Serie, die ihren Zuschauer:innen eine Menge zumutet und dabei viel Geduld und Überblick abverlangt. Die am 10. November 2023 geendete zweite Staffel will nicht einfach nur eine Fortsetzung sein, sondern zieht weite Kreise, um die Bahnen des MCUs in neue Dimensionen zu lenken. Dieses Vorhaben geht sie weitaus weniger plakativ als ihre Vorgänger-Serie Secret Invasion an. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass Loki das neue Ausgängeschild in Sachen Charakterentwicklung wird.
Loki (Tom Hiddleston) springt unkontrolliert durch die Zeit, während die Time Variance Authority (TVA) versucht, ihn zu fassen. Mobius (Owen Wilson) und Loki erfahren von dem TVA-Techniker Ouroboros (Ke Huy Quan, Everything Everywhere All At Once), dass Loki sich in einer Zeitzerrung befindet. Ein Phänomen, das möglicherweise durch verzweigte Zeitlinien verursacht wird, die den Webstuhl der Zeit nach dem Tod von Jenem, der bleibt (Jonathan Majors), gefährlich überlasten …
Es steht absurd viel auf dem Spiel
Originaltitel | Loki |
Jahr | 2023 |
Land | USA |
Episoden | 6 in Staffel 2 |
Genre | Science-Fiction, Fantasy |
Cast | Loki Laufeyson / Variante L1130: Tom Hiddleston Mobius M. Mobius: Owen Wilson Ravonna Renslayer: Gugu Mbatha Raw Hunter B-15: Wunmi Mosaku Miss Minutes: Tara Strong (Stimme) Casey / Hunter K-5E: Eugene Cordero Sylvie Laufeydottir / Variante L0852: Sophia Di Marino Jener, der bleibt / Victor Timely: Jonathan Majors |
Veröffentlichung: 11. November 2023 auf Disney+ |
Wir erinnern uns: Nach dem dramatischen Ende der ersten Staffel droht nun der Webstuhl der Zeit unter den außer Kontrolle geratenen Zeitsträngen endgültig zu kollabieren. Etwas, das zur Folge hätte, dass die Varianten aller Lebewesen auf allen Zeitlinien für immer ausgelöscht würden. Mit dieser drastischen Prämisse schafft Loki in der zweiten Staffel von Beginn an eine echte Fallhöhe, denn es sind einfach mal eben alle Existenzen betroffen. Wo normalerweise in den Marvel-Serien kleine Brötchen gebacken werden (wobei … Secret Invasion), schmeisst Loki echte Gewichte auf die Waagschale. Damit das alles funktioniert, bedarf es auch einer entsprechenden Komplexität, welche schon Staffel 1 mitbringen durfte. Hierauf werden allerdings noch einige Schippen gepackt, denn die verwirrende Handlung reißt nicht ab und setzt volle Konzentration voraus. Wo es MCU-Serien sonst mit Flashbacks und ausufernden Erklärungen leicht machen, ballert Loki einen konfusen Mix aus Technobabble und Philosophie hinaus. Hinter all den Zeitreisen, Zeitlinien, Varianten und schicksalhaften Vorherbestimmungen steht am Ende das Motiv des freien Willens im Mittelpunkt. Immer wieder driftet die Handlung in einen hysterischen Wust ab – und das ist nicht einmal negativ gemeint, denn grundsätzlich ist Komplexität durchaus begrüßenswert. Insbesondere dann, wenn es um derart existenzielle Themen geht. Allerdings hängen die vielen Ereignisse ihr Publikum auch schnell ab. Ein Effekt, der sich während der Ausstrahlung der sechs Episoden über Wochen in sozialen Medien beobachten ließ. Wer sich seit 2021 nicht mehr mit der TVA befasst hat, wird eine Weile brauchen, um die Auswirkungen des Webstuhls zu verstehen. Doch wie auch immer: Egal wie sprunghaft und weitreichend sich diese Zeitreisegeschichte aufbaut, sie vergisst nie, wieder ins Kleine und zum Wesentlichen zurückzukehren.
God of Stories
Einen Großteil der ersten Folgen geht es darum, dass sich die TVA in Splittergruppen zerlegt und diverse Nebencharaktere aufeinanderprallen lässt. Ravonna Renslayer will irgendetwas, Miss Minutes ist an Bord, General Dox hat etwas dagegen und Hunter B-15 wäre ebenfalls gerne mit dabei. Dazwischen Loki und Mobius und Sylvie ist auch noch irgendwo. Die zweite Staffel entfernt sich von einer One-Man-Show und macht daraus eine Ensemble-Serie, die ihre Charaktere in Grüppchen losschickt und damit dafür sorgt, dass die Geschichte alles andere als linear erzählt wird. Allen Verwirrungen zum Trotze macht die zweite Staffel dabei vieles richtig. Lokis Heldenreise wird auf glaubhafte Weise fortgeführt und gipfelt in einem würdevollen Finale, das zu den großen Momenten von 15 Jahren Marvel Cinematic Universe zählt. Tom Hiddlestons Loki besteigt im wahrsten Sinne einen Thron, der ihn über alle anderen hebt. Musste Loki sich in Staffel 1 noch mit einer holprigen und nicht selten erzwungen anfühlenden Romanze herumschlagen, gibt es jetzt eine echte Entwicklung. Das gilt auch für die Kang-Variante Jener, der bleibt. Nach all seinen starken Auftritten in dieser Staffel ist es wirklich schade um Jonathan Majors’ schauspielerische Leistung, die hier zum letzten Mal innerhalb des MCUs zu sehen ist. Ouroboros ist eine grandiose Addition, charmant, süß und unberechenbar. Nur Mobius und Sylvie kommen ein wenig kurz. Obwohl beide einige Charaktermomente zugestanden bekommen, füllen sie jeweils nur eine Facette aus. Während Mobius eine stets väterlich lächelnde Figur abgibt und für Comedy steht, nervt die stoisch-kalte Sylvie mitunter sogar, wenn sie pausenlos vom freien Willen schwadroniert. Doch ist die erste Hälfte einmal überstanden, gewinnt die Handlung deutlich an Fahrt und jede Szene erscheint plötzlich von großer Bedeutung.
Fazit
Loki gelingt es mit der zweiten Staffel, die erste qualitativ hinter sich zu lassen. Bestehende Stärken wie die komplexe Handlung und die Möglichkeiten, durch die Zeit zu springen, werden auf spannende Weise weiterausgebaut und ausgelotet, während Schwächen reduziert werden. Gleichzeitig wird Loki als eine Figur mit Verantwortung etabliert. Eine erhabene Wächterposition, die einen immensen Wissensvorsprung besitzt und dazu bestimmt ist, zukünftig eine noch größere Rolle einzunehmen. Dieser Geburtsstunde beizuwohnen macht großen Spaß. Eben weil der Fokus dieses Mal noch stärker auf dem spannenden Ensemble liegt, welches rund um die TVA aufgebaut wurde.
Kritisieren lässt sich an der Stelle nur, dass Loki im Vergleich zum Rest des MCUs deutlich komplexer gestrickt ist und sich dadurch mitunter wie ein Fremdkörper im Big Picture anfühlt. Eine Ausnahmestellung, die sich eher wie ein Teil einer Doctor Who-Saga anfühlt. Es wäre wünschenswert, wenn andere Serien hier mitziehen würden ‒ selbstverständlich auch qualitativ.
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