The Rose of Segunda

In vielen Otome Games (Visual Novels für die weibliche Zielgruppe wie Hakuoki oder Amnesia: Memories) ist der weibliche Hauptcharakter Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Selbst wenn die oft etwas naive Protagonistin die Handlung gar nicht selbst voranbringt, schart sie doch mehrere attraktive junge Männer um sich, zu deren Lebensmittelpunkt sie wird. The Rose of Segunda macht dies ein wenig anders. Protagonistin Iolanthe zählt selbst zu mehreren jungen Frauen, die um die Aufmerksamkeit von Prinz Guillaume kämpfen. Zumindest ist es das, was von ihr erwartet wird.

 

Kronprinz Guillaume von Segunda soll sich vermählen. Um die passende Braut zu wählen, werden Töchter sämtlicher Adelshäuser anlässlich seines Geburtstages an den Hof geschickt. Unter ihnen befindet sich auch Iolanthe di Parisi. Ihre Mutter würde sie am liebsten an der Seite des Prinzen und somit als künftige Königin sehen. Iolanthe selbst wird dabei nicht nach ihrer Meinung gefragt. Sie muss sich gegen zahlreiche andere adlige Damen behaupten und sich von ihnen abheben. Oder aber sie ignoriert den Prinz vollkommen und findet mit jemand anderem ihr Glück.

Am Hof von Segunda

Originaltitel The Rose of Segunda
Jahr 2018
Plattform PC
Genre Visual Novel
Entwickler Blackcross & Taylor
Publisher Blackcross & Taylor
Spieler 1
USK

Die Aktivitäten rund um Prinz Guillaumes Geburtstag sind vielfältig: Picknick im Park, sportliche Betätigung, Ausritte, ein Bootsausflug, eine Tee-Party, Sterne gucken, Konzerte oder auch ein Theaterstück, in dem die adligen Gäste selbst auf die Bühne treten. Für Abwechslung ist gesorgt. Daneben bekommt Iolanthe Möglichkeiten, die potenziellen Love Interests kennenzulernen und sich ihnen anzunähern. Schnell wird aber auch klar, was von adligen Damen erwartet wird: Sie müssen sich schwach, naiv und dumm geben. Nicht einmal in der Öffentlichkeit essen dürfen sie. Diverse Dialoge zeigen, wie lächerlich dieses Frauenbild ist, etwa wenn sich Iolanthes Konkurrentinnen versuchen, sich gegenseitig darin zu überbieten, wer am längsten nichts gegessen hat. Iolanthe kommentiert dies entsprechend.

Wo die Liebe hinfällt

Natürlich kann Iolanthe tun, was ihre Mutter von ihr verlangt. Sie präsentiert sich als perfekte Adlige, die sich strikt an die Etikette hält. Das ist in einigen Situationen sogar recht unterhaltsam, etwa, wenn Iolanthe beim Anblick in einer Biene in Ohnmacht fällt (wie sie das auf Kommando bewerkstelligt, ist allerdings ein Mysterium). Damit wird sie auch beim König punkten, der ja die Braut für Guillaume auswählt. Guillaume selbst will aber kein dummes Püppchen. Will man sein Herz gewinnen, sollte Iolanthe also in einigen Situationen von den Regeln der Etikette abweichen und sich natürlich präsentieren. Neben dem Prinzen gibt es aber noch fünf weitere Love Interests. Jede Route spielt sich hier ein wenig anders, da alle Romanzen unterschiedliche Ziele haben. Herzog Leopold träumt von Rache am Königshaus und zieht Iolanthe mit hinein. Ebenso ist es aber auch möglich, Iolanthes Diener Bastien zu verfallen. Auch Freunde der Girls’ Love kommen auf ihre Kosten. Mit der pragmatischen Sofia und der schüchternen aber herzlichen Charlotte stehen gleich zwei sympathische Damen bereit. Wer es ganz skandalös will, lässt Iolanthe eine geheime Beziehung mit ihrem Bruder Frederique beginnen.

Eine vielfältige Protagonistin

Iolanthe ist in ihrem Charakter nicht festgelegt. Abhängig von den Antworten in den ersten Entscheidungen entfaltet sie ganz unterschiedliche Facetten. Scheinbar belanglose Optionen haben langfristige Konsequenzen. So ändern sich Iolanthes Gedankengänge oder sie erhält in späteren Entscheidungen weitere Antwortmöglichkeiten. Auch ihre Interessen können zu Beginn von The Rose of Segunda abgesteckt werden, was sich in späteren Dialogen ebenfalls widerspiegelt. Es lohnt sich also, bei den ersten Entscheidungen zu experimentieren. Auch gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich während der Feierlichkeiten zu verhalten. Iolanthe kann sich freundlich und hilfsbereit geben oder garstige Intrigen spinnen. Je nach Spielweise ergeben sich viele mögliche Ausprägungen ihres Charakters. Dadurch spielt sich Iolanthe umso lebendiger. Entscheidungen haben wirklich Relevanz. Hierin ähnelt The Rose of Segunda sehr Blackcross & Taylors anderem Werk Heaven’s Grave.

Das ganze Drumherum

Mit das Wichtigste für eine Visual Novel ist natürlich das Artwork. The Rose of Segunda achtet hier durchaus auf Details. So werden die Charaktere in passenden Szenen wirklich an den Tisch gesetzt (die Sprites enden also an der Tischkante), Iolanthe wird zielsicher auf ihrem Pferd platziert, sodass es so aussieht, als würde sie wirklich reiten, ohne dass ein separater Sprite verwendet werden muss (das lange Kleid hilft dabei natürlich). Die Hintergründe sind leider eher schlicht gehalten, was nicht ganz zur Pracht eines Königshofs passt. Das könnte in einem kommenden Update allerdings behoben werden, da Blackcross & Taylor angekündigt haben, die Hintergründe von The Rose of Segunda an den Stil des Nachfolgers The Thorns of War anzupassen. Im Soundtrack befinden sich unter anderem auch Stücke von Mozart. Das passt ausgesprochen gut zum präsentierten Setting und untermalt die Ereignisse mit der nötigen Pracht. Dagegen wirkt der restliche Soundtrack eher langweilig. Auf dem Außengelände des Palastes werden die Ereignisse statt mit Musik mit Vogelgezwitscher oder Grillenzirpen untermalt.

Fazit

Auf den ersten Blick klingt die Handlung von The Rose of Segunda nicht nach viel, aber die Umsetzung macht aus der recht einfachen Situation eine lohnende Visual Novel. Der große Pluspunkt sind dabei die vielen Möglichkeiten, Iolanthe zu gestalten, sowie die lebendigen Charaktere. Es macht Spaß, Iolanthe in jedem Durchgang anders zu spielen und mit den Entscheidungen zu experimentieren. Die einzelnen Routen spielen sich unterschiedlich und bis auf Bastien (und Frederique, dessen Route ich nicht gelesen habe) mag ich eigentlich alle Love Interests. Ein wenig schade sind die doch sehr schlichten Hintergründe, aber darüber kann ich bei einem kleinen Entwickler hinwegsehen.

© Blackcross & Taylor

Drottning Katt

Als Studentin der Linguistik hat Drottning Katt ein Faible für Sprachen aller Art – reale oder fiktive. Sie ist ein großer Fantasy-Fan und kann in diesem Bereich immer mit detaillierten Worldbuilding, einem durchdachten Magiesystem oder vielschichtigen Charas geködert werden. Dabei ist es nebensächlich, in welcher Form die Geschichte erzählt wird, Hauptsache interessant. Zudem gehören zu ihren Hobbies das Schreiben eigener Geschichten, zeichnen und an eigenen fiktiven Sprachen basteln.

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